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Merkel-Nachfolge im CDU-Vorsitz
Bosbach: Merz kann der Partei neuen Schwung geben

Friedrich Merz sei ein glänzender Debattenredner und versierter Wirtschaftspolitiker, sagte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach im Dlf. Auch an der Basis wünsche man sich den Rechtsanwalt wieder in die aktive Politik zurück. Kein Name sei so häufig genannt worden wie der von Friedrich Merz.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Friedrich Merz (CDU), Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke, beim Wirtschaftstag 2018 des CDU-Wirtschaftsrats
    Friedrich Merz war zuletzt Aufsichtsratsvorsitzender beim deutschen Ableger des weltgrößten unabhängigen Vermögensverwalters Blackrock (picture alliance/ dpa/ Jens Büttner)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete, der Innen- und Rechtspolitiker Wolfgang Bosbach. Er berät die nordrhein-westfälische Landesregierung in Fragen der inneren Sicherheit. Guten Tag!
    Wolfgang Bosbach: Wenn man sich so ein Anforderungsprofil wünschen könnte, dann wären es meiner Überzeugung nach zwei Dinge, die ganz wichtig sind, nämlich der Partei wieder Optimismus zu geben, neuen Schwung zu geben im Hinblick auf die wichtigen Wahlentscheidungen im nächsten Jahr - bei allem Respekt vor der Weltmacht Bremen. Wir haben die sehr, sehr wichtige Europawahl. Dann kommen die Wahlen in den neuen Bundesländern. Und da muss doch eine in Teilen enttäuschte Partei wieder aufgerichtet werden. Und zweitens verlorene Wählerinnen und Wähler für die Union zurückgewinnen. Wir haben in einem erheblichen Umfange nicht erst seit dem Knatsch im vergangenen Sommer an Vertrauen verloren. Schon bei der letzten Bundestagswahl gegenüber 2013 haben wir viele Wählerinnen und Wähler verloren, und da muss man sich darum bemühen, diese wieder für die Union zurückzugewinnen.
    "Am erfolgreichsten in der politische Mitte"
    Heinemann: Was muss die oder der Neue ändern?
    Bosbach: Zunächst einmal ist es ganz wichtig, die Partei so zu verankern, wo sie immer am erfolgreichsten war, nämlich in der politischen Mitte. Das heißt für mich, dass wir drei Wurzeln haben, die wir in gleicher Weise pflegen müssen. Das gilt einmal für das Christlich-Soziale, für das Liberale, aber auch für unsere wertkonservative Wurzel. Die sich diesem Spektrum verpflichtet fühlen und dort politisch beheimatet sind, müssen genauso zur Union gehören wie Sozialpolitiker und die Liberalen.
    Heinemann: Welche der genannten Säulen ist zurzeit die dünnste?
    Bosbach: Es wird ja immer wieder gesagt, dass die Konservativen selbstverständlich zum politischen Spektrum der Union gehören. Aber ob sie da wirklich gewünscht und gewollt sind, ist eine zweite Frage. Und wenn man sich die Wählerwanderungen ansieht, dann kann man, glaube ich, nicht zu dem Schluss kommen, dass wir ein Problem haben, dass wir nicht weit genug links sind.
    Wolfgang Bosbach beim politischen Aschermittwoch in Baden-Württemberg
    Wolfgang Bosbach beim politischen Aschermittwoch in Baden-Württemberg (dpa / picture alliance / Marijan Murat)
    Heinemann: Sie haben Friedrich Merzens Kandidatur als "gute Nachricht" bezeichnet. Wieso?
    Bosbach: Ich habe mit ihm lange und sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet. Er ist ja nicht nur ein glänzender Debattenredner; er ist ein versierter Wirtschafts- und Finanzpolitiker mit guten auch internationalen Beziehungen, einer jahrelangen politischen Erfahrung auf europäischer Ebene, auf Bundesebene, und ihm traue ich zu, dass er der Partei neuen Schwung vermittelt.
    "Ganzes Portfolio von respektablen Persönlichkeiten"
    Heinemann: Sehnt sich die CDU nach einem Aussteiger, der wieder einsteigen möchte?
    Bosbach: Friedrich Merz ist nie ausgestiegen. Man muss sich mal von dem Gedanken trennen, dass man politisch nur dann aktiv sein kann, wenn man Parlamentarier ist. Bei mir gilt das gleiche. Die politische Leidenschaft ist geblieben, bei Friedrich Merz auch. Ich bin nach wie vor in der Republik rastlos unterwegs. Und kein zweiter Name wurde an der CDU-Basis in den letzten Jahren so häufig genannt, wie der von Friedrich Merz, wenn es um die Frage ging, wen wünschen wir uns denn in die aktive Politik zurück.
    Heinemann: Was würde Merz ändern?
    Bosbach: Genau das, was ich anfangs erwähnt habe. Ich glaube, dass er in der Lage ist, enttäuschte, von der Union enttäuschte Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen, und er kann Menschen auch begeistern. Er kann die Partei mobilisieren. Im Übrigen halte ich nicht viel davon, dass wir jetzt über Kandidaten negative Werturteile abgeben, sondern wir sollten die Stärken der jeweiligen Kandidaten betonen. Und es ist doch toll, dass die Union ein ganzes Portfolio von respektablen Persönlichkeiten hat, die jetzt Parteivorsitzender werden können oder werden wollen, je nach Betrachtung.
    "Wir brauchen eine feste Verankerung in der politischen Mitte"
    Heinemann: Herr Bosbach, die CDU in Hessen hat vergleichbar viele Wählerinnen und Wähler an die AfD und an die Grünen verloren. Beiden Richtungen wird man sich schwerlich öffnen können. Welche Folgerung sollte die Partei daraus ziehen?
    Bosbach: Das ist ja das Dilemma, in das sich die Union hineinmanövriert hat. Die Flüchtlingspolitik hat die Bevölkerung gespalten. Das ist so! Das ist auch nach drei Jahren noch so, in weiten Teilen. Es gibt hohe Zustimmung für die Politik in bestimmten Bereichen, es gibt harte Kritik an der Politik, und wer sich stört an harten Tönen, auch an einer harten Sprache, der geht dann zu den Grünen, und wer die Flüchtlingspolitik ablehnt, der geht zur AfD, er wendet sich von der Union ab. Das sehen Sie ja nicht erst – da wird ja immer gesagt, das ist die Auseinandersetzung vom Sommer. Das ist ja bestenfalls die halbe Wahrheit. Wir haben doch gegenüber der Bundestagswahl 2013 schon vor einem Jahr gut 20 Prozent an Zustimmung verloren, von 41 auf 33 Prozent, ohne dass das zu spürbaren Konsequenzen geführt hat. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass man sich einmal ernsthaft gefragt hat, wie konnte es zu diesem Aderlass kommen und was müssen wir tun, um Enttäuschte wieder für die Union zurückzugewinnen. Das ist eine wichtige Aufgabe für den neuen Vorsitzenden, egal wer es wird.
    Heinemann: Das klingt jetzt nach einem entschiedenen "sowohl als auch". Wie will man denn nach links und von rechts Wähler zurückholen?
    Bosbach: Sehen Sie, das ist ja meine Position. Es wird ja immer wieder behauptet, wir brauchen keinen Rechtsruck. Nein, wir brauchen eine feste Verankerung in der politischen Mitte, und dafür brauchen wir politische Positionen, mit denen wir vor allen Dingen die zurückgewinnen, die früher einmal Unions-Wähler waren. Das heißt doch nicht, dass wir bei einem politischen Kurs Zickzack fahren, sondern dass wir bei dem bleiben, was die Union über Jahrzehnte hinweg stark gemacht hat, nämlich dass wir die verschiedenen politischen Richtungen, die es in der Gesellschaft und auch in der eigenen Partei gibt, integrieren.
    "Benötigen eine Steuerreform, die den Namen wirklich"
    Heinemann: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen für eine politische Orientierung, mit der Sie, Wolfgang Bosbach, einen enttäuschten CDU-Wähler von der AfD zurückholen wollten?
    Bosbach: Ich weiß nicht, ob es jetzt die AfD-Wähler betrifft, aber ich könnte Ihnen ein Beispiel nennen, weil das auch verknüpft ist mit dem Namen Friedrich Merz. Es ist schon immer meine Überzeugung gewesen, nicht erst seit gestern, dass wir eine Steuerreform brauchen, die den Namen wirklich verdient, mit den Zielen einfacher, transparenter, gerechter. Das wäre für mich ein wirklich wichtiges politisches Projekt.
    Das zweite wäre, dass wir einen deutlichen politischen Schwerpunkt setzen in den Bereichen Bildung und Forschung, im Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft. Und was die Flüchtlingspolitik angeht: Wenn man sagt, das ist mir grundsätzlich sympathisch, wir schaffen das, ist mir das lieber, als wenn ein Regierungschef sagt, wir schaffen das nicht. Aber wenn man sagt, wir schaffen das, dann muss man auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass man das schaffen kann, was man schaffen muss. Das betrifft insbesondere den Bereich der Integration, aber auch der zügigen Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern.
    Heinemann: Blicken wir noch einmal auf den gestrigen Tag. Die "Bild"-Zeitung berichtet heute, eine Fünfergruppe von CDU-Vorstandsmitgliedern wollte Angela Merkel aus dem Amt drängen. War das doch kein Abtritt aus freien Stücken?
    Bosbach: Keine Ahnung, wer die fünf sein sollen. Ich war auch nicht dabei.
    Heinemann: Sie kennen sich doch gut aus.
    Bosbach: Aber ich bin nicht Mitglied des Bundesvorstandes, im Übrigen auch noch nie gewesen. Aber es war die Entscheidung von Angela Merkel. Im Übrigen, da kenne ich sie gut genug. Ich glaube nicht, dass sie sich hätte von fünfen drängen lassen, wenn sie unbedingt Parteivorsitzende bleiben wollte. Aber sie hat doch gerade wohl nach dem hessischen Ergebnis gesehen, dass es so nicht weitergehen kann, dass der Aderlass gestoppt werden muss, dass die Union wieder auf die Erfolgsspur zurückgeführt werden muss, und da war für sie die wichtige Frage, geht das auch mit mir, oder brauchen wir dafür an der Spitze einen Neuanfang. Und da hat sie den Weg freigemacht.
    "Keine Partei, keine Regierungspartei Interesse an Neuwahlen"
    Heinemann: Herr Bosbach, sollte die künftige Spitzenperson per Urabstimmung ermittelt werden?
    Bosbach: Nein! Ich meine, das ist richtig, dass wir das auf dem Bundesparteitag machen. Die SPD hat ja ein solches Experiment mal gemacht. Ich glaube, da waren Heidemarie Wieczorek-Zeul, Herr Scharping und Herr Schröder dran beteiligt. Bei allem Respekt vor Entscheidungen der Basis – das ist ein Wahlparteitag im Dezember und man sollte dann mal Vertrauen in die große Schar der Delegierten haben, die im Übrigen ja nicht die Parteispitze repräsentieren, sondern die Parteibasis. Von der Zeit, die das dauern würde, jetzt eine Urabstimmung zu machen, mal ganz abgesehen. Ich finde, es ist gut, dass es nur noch fünf, sechs Wochen sind, bis die Entscheidung fällt, und dass wir diese Zeit dann dazu nutzen - das wird ja auch an der Basis diskutiert werden -, uns zu überlegen, wer ist die richtige Frau, wer ist der richtige Mann, um die CDU wieder zu alten Erfolgen zurückzuführen.
    Heinemann: Wie lange sollte, wie lange kann Angela Merkel Kanzlerin bleiben?
    Bosbach: Man ist ja in den letzten Wochen vor Überraschungen nie sicher gewesen. Aber ich gehe davon aus, dass es dann wenigstens bei dem Satz bleibt, bis zum Ende der Wahlperiode. Denn im Moment – das ist doch die Wahrheit, Herr Heinemann – hat doch keine Partei, keine Regierungspartei Interesse an Neuwahlen. Alle müssen doch befürchten, dass, wenn die Koalition scheitert, es auf Neuwahlen hinausläuft, keine Partei, die jetzt an der Regierung ist, davon einen Vorteil hat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.