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Merkel und die Flüchtlinge
Viel Applaus und noch mehr Arbeit

Selfie mit Flüchtlingen: Bilder wie diese werden wohl Angela Merkels positives Image und das ihres Landes in der Welt weiter stärken. Doch Deutschland tut sich nicht nur leicht in der Frage, auch das wird bei Merkels Besuch verschiedener Einrichtungen deutlich.

    Bundeskanzlerin Merkel und ein Flüchtling blicken Kopf an Kopf in die Handykamera des Mannes.
    Selfie mit Kanzlerin: Merkel lässt sich nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin-Spandau zusammen mit einem Flüchtling fotografieren. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Es ist nicht lange her, da musste sich Angela Merkel anhören, sie sage und tue zu wenig zum Thema Flüchtlinge. Dann ging alles auf einmal ganz schnell: In Heidenau, wo Flüchtlinge offen angefeindet wurden, sagte die CDU-Kanzlerin Fremdenhass den Kampf an, stellte sich dann vor die Presse und rief zu mehr Mitgefühl auf, ließ wenig später ihren Worten handfeste Taten folgen und signalisierte in Budapest festsitzenden Migranten, nach Deutschland kommen zu dürfen. Die Menschen kamen zu Tausenden - und Deutschland wird dafür weltweit gefeiert oder kopfschüttelnd als "Hippie-Staat" bezeichnet.
    Merkel verspricht schnellere Asylverfahren
    Nun machte sich Merkel auf, verschiedene Einrichtungen zu besuchen, die sich seitdem tagtäglich und schon länger mit dem Thema auseinandersetzen: In einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Berlin begegnete sie den behördlichen Herausforderungen. Mehr als fünf Monate dauert momentan durchschnittlich die Bearbeitung eines Asylantrags. Solange müssen die Asylsuchenden, egal ob ihr Antrag am Ende bewilligt oder abgelehnt wird, untergebracht werden. Merkel lobte in Berlin die Arbeit der BAMF-Mitarbeiter und versprach, sich weiter für eine Beschleunigung der Asylverfahren einzusetzen. Dazu solle schnell Kontakt zwischen diesen Flüchtlingen und der Bundesagentur für Arbeit hergestellt werden.
    Aber reichen solche Versprechen? Mehr als 250.000 Anträge stauen sich bei der Behörde, obwohl nach Angaben des Bundesinnenministeriums bereits mehr als 1.000 neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Selbst 2.000 Neueinstellungen würden nicht ausreichen, glaubt Burkhard Lischka. Notwendig sei eine weitere Aufstockung, so der SPD-Innenexperte gegenüber n-tv.de. Die Opposition geht noch weiter: Das Bundesinnenministerium versage eklatant, kritisierte die grüne Parteivorsitzende Simone Peter. Um die Verfahren zu beschleunigen, brauche es endlich mehr Personal und unbürokratische Lösungen zugunsten der Flüchtlinge.
    Lob und Millionen-Zusage
    Von der BAMF-Außenstelle ging es für Merkel dann weiter zu einer Erstaufnahmestelle der Arbeiterwohlfahrt im Stadtteil Spandau. Dort wurde sie mit Applaus empfangen, dort entstanden die Selfie-Bilder, dort würdigte die 61-Jährige die Arbeit in den Flüchtlingsheimen. Diese beherbergten die Menschen mit "viel Liebe und Zuneigung". Sie habe mit zwei Familien sprechen können und hoffe, dass diese sich "sicher zum Teil über die Kinder" schnell integrieren könnten. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), kündigte zudem an, ehrenamtliche Arbeit für Flüchtlinge in Deutschland mit 3,5 Millionen Euro zu unterstützen.
    Wie das genau funktioniert, die Integration "über die Kinder" - davon konnte sich Merkel zum Abschluss ihres Besuchstags an der Berliner Ferdinand-Freiligrath-Schule einen Eindruck verschaffen. Sie lobte die Integration von Flüchtlingskindern an den Berliner Schulen als Modell für ganz Deutschland. Jedem Neuankömmling sehr schnell einen Platz in einer sogenannten Willkommensklasse zu geben, sei ein sehr zukunftsweisendes Konzept; solche Klassen sind für Flüchtlingskinder gedacht, die noch kein Deutsch sprechen.
    (bor/tj)