Peter Kapern: Alles ganz normal, so versuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Aufregung über ihr Wahlkampfengagement zu dämpfen. Es geht nämlich um den Wahlkampf in Frankreich, wo sie Staatspräsident Nicolas Sarkozy in den kommenden Wochen den Rücken stärken will. Und der hat es bitter nötig, denn in den Umfragen liegt er eindeutig hinter seinem sozialistischen Herausforderer Francois Hollande. Der ließ die Bundeskanzlerin schon einmal wissen, dass ihre Parteinahme für den politischen Gegner nicht ohne Folgen bleiben muss für das deutsch-französische Verhältnis, wenn, ja wenn es Hollande gelingen sollte, Sarkozy aus dem Élysée zu verdrängen. Gestern Abend trat das Wahlkämpfer-Duett Merkozy im Fernsehen auf, und zwar in beiden Ländern.
Die Kanzlerin macht also jetzt Wahlkampf in Frankreich. Ist die Verzweiflung Sarkozys so groß, oder die Alternative so schrecklich, dass die Kanzlerin glaubt, dieses Tabu brechen zu müssen? Das hat mein Kollege Jürgen Liminski gestern Abend Stefan Seidendorf vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg gefragt.
Stefan Seidendorf: Es sieht ja ganz so aus, als ob diese These Angela Merkels, dass wir mehr und mehr in eine europäische Innenpolitik geraten, auch hier ihre Bestätigung findet. Es handelt sich um eine Politisierung der Debatte und es geht eben nicht mehr um die Frage Deutschland gegen Frankreich, oder Deutschland mit Frankreich, sondern eher um eine Links-rechts-Politisierung mit einer rechten Alternative, einer alternativen rechten Politik, die einer linken Alternative gegenübersteht.
Jürgen Liminski: Was passiert denn, wenn Hollande trotzdem gewinnt? Ist die deutsch-französische Achse dann in Gefahr?
Seidendorf: Es wird bestimmt einige Zeit brauchen, um diese Spannungen, die sich da heute schon abzeichnen, dann wieder in eine vernünftige Arbeitsatmosphäre zu überführen. Aber andererseits darf man natürlich nicht vergessen, dass gerade die erfolgreichsten Paarungen in der deutsch-französischen Geschichte Paarungen waren, in denen Kanzler und Präsident unterschiedlichen Richtungen angehörten – denken Sie etwa an Helmut Kohl und Francois Mitterrand, die ja als eines der Paare in die Geschichte eingegangen sind, die am meisten auf der europäischen Bühne bewegt haben und die eben der sozialistischen Partei und der CDU angehört haben.
Liminski: In Griechenland wird nicht mehr verhandelt, nur noch gepokert, die Pleite ist nicht mehr zu vermeiden, nur noch zu verschieben. Haben die Euro-Retter Merkel und Sarkozy hier versagt?
Seidendorf: Ja, diese Frage müssen sie sich gefallen lassen. Wir können einerseits im Blick auf diese Entwicklung der Krise seit 2008 doch sehen, dass beide gemeinsam eine Reihe ihrer Vorschläge umgesetzt haben, konstruktiv umgesetzt haben, gleichzeitig die Problematik, die immanente Problematik Griechenlands behandelt haben und die institutionelle Ordnung der EU weiterentwickelt haben. Aber am heutigen Punkt können wir eben fragen, ob diese Politik tatsächlich zu einem Erfolg führt, und es sieht eher nicht so aus. Es sind einige Elemente, die möglicherweise dabei zu kurz gekommen sind und die so bis jetzt nicht bedacht wurden.
Liminski: Nun liegt der Vorschlag im Raum, ein Sparkommissar für Griechenland und jetzt ein Sonderkonto für griechische Einnahmen. Ist das Kurieren an Symptomen, stimmen denn die Konzepte in Paris und Berlin mittlerweile überein, gibt es überhaupt Konzepte?
Seidendorf: Ja, das sind genau diese Elemente, die ich gerade angesprochen habe, die bestimmt nicht die Lage in Griechenland verbessern werden und natürlich mit Rücksicht auf die öffentlichen Meinungen auch nicht sehr hilfreich sind. Es müsste eher darum gehen, eine Art von Marshall-Plan für Griechenland und für die anderen Staaten in Schwierigkeiten zu entwickeln, der einerseits klare Versprechungen (nicht nur finanzieller Art, sondern auch an Mitbestimmung an diesem ganzen europäischen Kurs) mit sich bringt und das andererseits mit einem klaren Engagement dieser Staaten verbindet.
Liminski: Hatte man in Frankreich nicht etwa diese Vorstellung auch von einem Marshall-Plan für Griechenland ursprünglich?
Seidendorf: Es wurde immer mal wieder erwähnt, in der französischen Debatte sind aber im Moment die Möglichkeiten einer weitergehenden Vergemeinschaftung, gemeinsamen Ausübung von politischer Souveränität nicht zu sehen. Weder auf der linken, noch auf der rechten Seite, weder beim amtierenden Präsidenten noch beim Herausforderer scheint Bereitschaft zu bestehen, jetzt im Wahlkampf auf diese schwierigen Fragen einzugehen.
Liminski: Für Bundeskanzlerin Merkel ist das Schicksal Europas mit dem Schicksal des Euro verknüpft. Sieht man das in Frankreich auch so?
Seidendorf: Ich denke, dass das eine ganz ähnliche Einschätzung ist, was einerseits natürlich mit der tatsächlich jetzt doch sehr engen Verbindung und gegenseitigen Abhängigkeit einfach von Kanzlerin und Präsident zu tun hat. Andererseits zeigt sich das natürlich auch für Frankreich, das ja ohne Euro dieser Schuldenkrise noch viel stärker ausgesetzt wäre. Ohne den Schutz des gemeinsamen Marktes und der gemeinsamen Währung wäre es für Frankreich mit seiner abgewerteten Bonität wesentlich schwieriger, sich diesem Strudel, der sich abzeichnet, zu entziehen, und von daher ist auch für Frankreich dieser Satz richtig, dass das Schicksal des Euros und das Schicksal Europas zusammengehören.
Liminski: Aber hat man in Frankreich nicht auch noch ein stärkeres Staatsverständnis insofern, als dass man sagt, das Geld ist nur ein Mittel zum Zweck?
Seidendorf: Sicherlich. Aber gleichzeitig, wenn Sie sich anschauen, wo findet sich dieses Argument heute in der Debatte im Vorwahlkampf, dann zeigt sich, dass es im Grunde nur noch die extremistischen Ränder sind, auf der linken wie auf der rechten Seite, die dieses Argument wirklich in den Vordergrund stellen, und auch der sozialistische Kandidat ist ja sehr vorsichtig, was eine eventuelle Trennung zwischen europäischer Integration und Entwicklung des Euros angeht. Auch er bekennt sich ganz eindeutig zum Euro und es steht nicht zur Debatte, dass Frankreich hier die europäische Entwicklung und die Euro-Entwicklung als eine Sache sieht.
Kapern: ... , sagt Stefan Seidendorf vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Kanzlerin macht also jetzt Wahlkampf in Frankreich. Ist die Verzweiflung Sarkozys so groß, oder die Alternative so schrecklich, dass die Kanzlerin glaubt, dieses Tabu brechen zu müssen? Das hat mein Kollege Jürgen Liminski gestern Abend Stefan Seidendorf vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg gefragt.
Stefan Seidendorf: Es sieht ja ganz so aus, als ob diese These Angela Merkels, dass wir mehr und mehr in eine europäische Innenpolitik geraten, auch hier ihre Bestätigung findet. Es handelt sich um eine Politisierung der Debatte und es geht eben nicht mehr um die Frage Deutschland gegen Frankreich, oder Deutschland mit Frankreich, sondern eher um eine Links-rechts-Politisierung mit einer rechten Alternative, einer alternativen rechten Politik, die einer linken Alternative gegenübersteht.
Jürgen Liminski: Was passiert denn, wenn Hollande trotzdem gewinnt? Ist die deutsch-französische Achse dann in Gefahr?
Seidendorf: Es wird bestimmt einige Zeit brauchen, um diese Spannungen, die sich da heute schon abzeichnen, dann wieder in eine vernünftige Arbeitsatmosphäre zu überführen. Aber andererseits darf man natürlich nicht vergessen, dass gerade die erfolgreichsten Paarungen in der deutsch-französischen Geschichte Paarungen waren, in denen Kanzler und Präsident unterschiedlichen Richtungen angehörten – denken Sie etwa an Helmut Kohl und Francois Mitterrand, die ja als eines der Paare in die Geschichte eingegangen sind, die am meisten auf der europäischen Bühne bewegt haben und die eben der sozialistischen Partei und der CDU angehört haben.
Liminski: In Griechenland wird nicht mehr verhandelt, nur noch gepokert, die Pleite ist nicht mehr zu vermeiden, nur noch zu verschieben. Haben die Euro-Retter Merkel und Sarkozy hier versagt?
Seidendorf: Ja, diese Frage müssen sie sich gefallen lassen. Wir können einerseits im Blick auf diese Entwicklung der Krise seit 2008 doch sehen, dass beide gemeinsam eine Reihe ihrer Vorschläge umgesetzt haben, konstruktiv umgesetzt haben, gleichzeitig die Problematik, die immanente Problematik Griechenlands behandelt haben und die institutionelle Ordnung der EU weiterentwickelt haben. Aber am heutigen Punkt können wir eben fragen, ob diese Politik tatsächlich zu einem Erfolg führt, und es sieht eher nicht so aus. Es sind einige Elemente, die möglicherweise dabei zu kurz gekommen sind und die so bis jetzt nicht bedacht wurden.
Liminski: Nun liegt der Vorschlag im Raum, ein Sparkommissar für Griechenland und jetzt ein Sonderkonto für griechische Einnahmen. Ist das Kurieren an Symptomen, stimmen denn die Konzepte in Paris und Berlin mittlerweile überein, gibt es überhaupt Konzepte?
Seidendorf: Ja, das sind genau diese Elemente, die ich gerade angesprochen habe, die bestimmt nicht die Lage in Griechenland verbessern werden und natürlich mit Rücksicht auf die öffentlichen Meinungen auch nicht sehr hilfreich sind. Es müsste eher darum gehen, eine Art von Marshall-Plan für Griechenland und für die anderen Staaten in Schwierigkeiten zu entwickeln, der einerseits klare Versprechungen (nicht nur finanzieller Art, sondern auch an Mitbestimmung an diesem ganzen europäischen Kurs) mit sich bringt und das andererseits mit einem klaren Engagement dieser Staaten verbindet.
Liminski: Hatte man in Frankreich nicht etwa diese Vorstellung auch von einem Marshall-Plan für Griechenland ursprünglich?
Seidendorf: Es wurde immer mal wieder erwähnt, in der französischen Debatte sind aber im Moment die Möglichkeiten einer weitergehenden Vergemeinschaftung, gemeinsamen Ausübung von politischer Souveränität nicht zu sehen. Weder auf der linken, noch auf der rechten Seite, weder beim amtierenden Präsidenten noch beim Herausforderer scheint Bereitschaft zu bestehen, jetzt im Wahlkampf auf diese schwierigen Fragen einzugehen.
Liminski: Für Bundeskanzlerin Merkel ist das Schicksal Europas mit dem Schicksal des Euro verknüpft. Sieht man das in Frankreich auch so?
Seidendorf: Ich denke, dass das eine ganz ähnliche Einschätzung ist, was einerseits natürlich mit der tatsächlich jetzt doch sehr engen Verbindung und gegenseitigen Abhängigkeit einfach von Kanzlerin und Präsident zu tun hat. Andererseits zeigt sich das natürlich auch für Frankreich, das ja ohne Euro dieser Schuldenkrise noch viel stärker ausgesetzt wäre. Ohne den Schutz des gemeinsamen Marktes und der gemeinsamen Währung wäre es für Frankreich mit seiner abgewerteten Bonität wesentlich schwieriger, sich diesem Strudel, der sich abzeichnet, zu entziehen, und von daher ist auch für Frankreich dieser Satz richtig, dass das Schicksal des Euros und das Schicksal Europas zusammengehören.
Liminski: Aber hat man in Frankreich nicht auch noch ein stärkeres Staatsverständnis insofern, als dass man sagt, das Geld ist nur ein Mittel zum Zweck?
Seidendorf: Sicherlich. Aber gleichzeitig, wenn Sie sich anschauen, wo findet sich dieses Argument heute in der Debatte im Vorwahlkampf, dann zeigt sich, dass es im Grunde nur noch die extremistischen Ränder sind, auf der linken wie auf der rechten Seite, die dieses Argument wirklich in den Vordergrund stellen, und auch der sozialistische Kandidat ist ja sehr vorsichtig, was eine eventuelle Trennung zwischen europäischer Integration und Entwicklung des Euros angeht. Auch er bekennt sich ganz eindeutig zum Euro und es steht nicht zur Debatte, dass Frankreich hier die europäische Entwicklung und die Euro-Entwicklung als eine Sache sieht.
Kapern: ... , sagt Stefan Seidendorf vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.