"Wir schaffen das."
Es sind diese drei Worte, gesagt auf einer Pressekonferenz in Berlin im Spätsommer des vergangenen Jahres, die Bundeskanzlerin Angela Merkel mittlerweile wie ein schweres Bleigewicht über den Schultern hängen und die Kanzlerin zumindest in den Umfragewerten mittlerweile deutlich nach unten drücken.
Während sie im vergangenen Herbst für diese mutigen Worte international noch gefeiert und bewundert wurde, hat sich die Stimmung spätestens seit den Attentaten in Paris und den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln erheblich gewandelt.
Mittlerweile glauben nach dem jüngsten Deutschlandtrend der ARD 81 Prozent der befragten Bundesbürger, dass die Regierung die Situation nicht mehr im Griff hat. Der lange koalitionsinterne Streit um das zweite Asylpaket und die trotz der Wintermonate anhaltende Zuwanderung haben den Glauben an die Handlungsfähigkeit der Großen Koalition schwinden lassen.
Kanzleramtsminister Peter Altmaier, seit vergangenem Oktober Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, will sich von den schlechten Umfragewerten nicht irritieren lassen.
"Zum einen zeigt dieser Trend und diese Umfrage, dass viele Menschen sich Sorge machen. Das wissen wir. Und ich setzte darauf, dass die Menschen uns wieder Vertrauen werden, wenn Sie feststellen, dass das Problem in die richtigen Bahnen gekommen ist."
Druck auf Kanzlerin wächst
Doch diese Zuversicht ist in den letzten Tagen deutlich geschwunden. Denn nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene nimmt der Druck auf die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik erheblich zu und immer stärker geht es um die Kernfrage in der Flüchtlingsdebatte:
Behält Deutschland die Politik der offenen Grenzen bei, oder folgt die Bundesregierung über kurz oder lang dem Beispiel anderer Länder, die - wie etwa Ungarn, Schweden und Österreich - ihre Grenzen immer stärker abriegeln, weil sie die enorm gestiegenen Flüchtlingszahlen nicht verkraften können oder wollen? Die Kanzlerin machte in ihrer heutigen Regierungserklärung heute noch einmal deutlich, dass sie an ihrem Kurs festhalten will. Ihr Dreiklang besteht darin, die Fluchtursachen in den Krisenregionen zu bekämpfen, die Sicherung der europäischen Außengrenzen zu gewährleisten - auch durch den Kampf gegen illegale Schleuser - und drittens, in der Aufnahme von schutzbedürftigen Flüchtlingen durch alle Mitgliedsländer der EU.
"Wir sind gewohnt, dass manches in Europa eine bestimmte Zeit dauert. Aber, es lohnt sich immer wieder, - auch angesichts sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen - dafür einzutreten. Und das werde ich tun, trotzdem zu Gemeinsamkeiten zu kommen."
Angela Merkel, der in der Eurokrise eine - wenn auch umstrittene - Führungsrolle zugestanden wurde, steht in der Flüchtlingsfrage erheblich unter Druck und kann - wenn überhaupt - innerhalb der EU nur noch eine kleine Koalition der Willigen um sich scharen. Von einer großen europäischen Lösung kann keine Rede sein, und diese Lösung wird auch der kommende EU-Gipfel nicht bringen, selbst wenn sich die Kanzlerin von dieser Aussicht grundsätzlich abbringen lassen will:
"Ich gehöre zu denen, die sagen: Wenn so eine Aufgabe sich stellt, dann hat es keinen Sinn zu hadern, sondern dann muss ich anpacken und muss natürlich auch versuchen auch eine faire Verteilung in Europa zu haben und die Flüchtlingsursachen zu bekämpfen. Aber mich jetzt wegzuducken und damit zu hadern, das ist nicht mein Angang."
Erstarken der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien
Anders als in der Eurokrise, in der es einmal abgesehen von den tagelangen Streiks in Griechenland in erster Linie um finanzielle Unterstützungsmaßnahmen und damit um materielle Dinge ging, hat die Flüchtlingskrise eine überall spürbare menschliche Dimension, die in ganz Europa sichtbar geworden ist. Zeitgleich wächst die Angst vor dem Fremden, was zu einem deutlichen Erstarken der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien führt. Ob die AfD in Deutschland, der Front National in Frankreich, die FPÖ in Österreich oder die Schwedendemokraten. Überall geraten die regierenden Parteien erheblich unter Druck.
"Der Spuk der AfD wäre sofort vorbei, wenn es zu einer Begrenzung der Zuwanderung käme", sagt der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer.
Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 13. März gilt der Einzug der AfD in alle drei Landesparlamente mittlerweile als sicher. Für Sachsen-Anhalt wird sogar ein Ergebnis von über 15 Prozent vorausgesagt.
Nicht nur aus diesem Grund erhöht die CSU seit Monaten den Druck auf die Große Koalition in Berlin, entschiedener gegen den Zustrom von Flüchtlingen vorzugehen. Begonnen hatte es mit der Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. Dann kam der CSU-Parteitag, auf dem die Kanzlerin von Horst Seehofer wie ein Schulmädchen vorgeführt wurde. Und auch auf den beiden Klausurtagungen in Wildbad Kreuth ebbte die Kritik nicht ab. Dort fiel auch zum ersten Mal die Zahl 200.000 Migranten als maximale Obergrenze für die jährliche Aufnahme. Doch Horst Seehofer konnte bislang mit seinen weitergehenden Forderungen nach einer deutlichen Begrenzung der Zuwanderungszahlen wenig erreichen.
"Es gab keine Spur des Entgegenkommens. Deshalb war das für mich enttäuschend und ich glaube, wir gehen da politisch auf schwierige Wochen und Monate zu."
Unter diesem Dauerbeschuss der CSU hat sich die SPD in der Flüchtlingsfrage zu einem verlässlichen Pfeiler für die Vorgehensweise der Kanzlerin und der Bundesregierung erwiesen. Erst am vergangenen Wochenende haben Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank Walter Steinmeier in einem Brief an die acht sozialdemokratischen Regierungschefs in der EU eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage eingefordert. Und sogar der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann nimmt Merkel gegen die Forderung nach einem nationalen Alleingang in Schutz.
"Ja, wie soll das denn praktisch funktionieren. Dafür hat doch niemand eine Idee, auch die CSU nicht. Sollen wir allen Ernstes Grenzzäune um Deutschland stellen? Sollen wir dort die Bundeswehr positionieren? Kann man sich das vorstellen. Nein, das kann man sich nicht vorstellen Deswegen ist die Frage nur europäisch lösbar. Und darauf müssen wir unsere Kraft richten. Dass sehe ich genauso wie die Bundeskanzlerin."
Entwicklung in Österreich
Bestärkt fühlt sich die CSU hingegen durch die Entwicklung in Österreich. Nachdem der sozialdemokratische Kanzler Werner Faymann im vergangenen September gemeinsam mit Angela Merkel die Ausreise der in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge mit ermöglicht hatte, musste er aufgrund des zunehmenden innenpolitischen Drucks Stück für Stück zurückrudern.
Erst Mitte Januar hat die Regierung in Österreich eine Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen pro Jahr festgelegt und in diesen Tagen werden die Grenzanlagen ausgebaut und stärker geschützt, um die illegale Zuwanderung aus den angrenzenden Balkanländern nahezu unmöglich zu machen. Faymann selbst spricht aber von einem Zwischenstadium auf dem Weg zu einer europäischen Lösung.
"Es ist also eine Notlösung, ein Plan B an unseren Grenzen, das an Aktivität zu zeigen, das durchzuführen, wovon wir alle überzeugt sind, dass es europäisch besser, weil europäisch der Plan A wäre. Nur eine Verteilung in Europa lässt uns in dieser Frage ein berechenbares und ein verträgliches Vorgehen ermöglichen."
Das Vorgehen der Regierung in Österreich hatte wahlkampfbedingt auch CDU-Vize Julia Klöckner inspiriert, die mit ihrem sogenannten Plan A2 die Regierungskoalition in eine Richtung drängen wollte, die als Kompromiss hätte ausgelegt werden können:
"An der Grenze zu Deutschland brauchen wir Grenzzonen, auch mit Aufenthalt, dass nur diejenigen, die Bleibeperspektive haben, verteilt werden nach Tages-Kontingenten - so wie die Kommunen auch aufnehmen und integrieren können. Und auf der anderen Seite müssen wir die, die nicht bleiben dürfen, auch direkt dann wegschicken."
Auch in der Union gab es immer wieder Versuche, die Kanzlerin in eine andere Richtung zu lenken. Sowohl Finanzminister Wolfgang Schäuble - der zwischenzeitlich schon als der künftige Kanzler gehandelt wurde - als auch Innenminister Thomas de Maizière versuchten, die Bahnen enger zu ziehen. Und eine Reihe von CDU-Bundestagsabgeordneten wollte von der Kanzlerin einen Kurswechsel einfordern. Doch dieser Versuch ging ins Leere, weil er nur wenig Zustimmung fand. Natürlich gehen auch die Meinungen an der CDU-Parteibasis auseinander. Aber auf einer Wahlkampfveranstaltung in Baden-Württemberg waren am vergangenen Montagabend wieder überwiegend zustimmende Meinungen über den Kurs der Kanzlerin zu hören.
"Also, ich empfinde sie nach wie vor als eine sehr starke Persönlichkeit und eine sehr starke Frau, weil sie hat es ja zur Zeit sicherlich nicht einfach gerade mit den genannten Themen."
"Ich bin ihr treu und ich finde, man sollte ihr auch in schweren Zeiten nicht von der Fahne springen, sondern sollte ihr den Rücken stärken."
"Ich finde es schade, dass die ganze Welt für sie ist, und nur die Deutschen anfangen, immer weniger hinter ihr zu stehen."
Dieser unerwartete Rückhalt mag auch daran liegen, dass das Verhalten der CSU außerhalb Bayerns nur wenig Zustimmung findet. Zuletzt hatte der Ministerpräsident von Bayern einen Brief ans Kanzleramt geschickt und die Bundeskanzlerin erneut zu einem Kurswechsel aufgefordert - verbunden mit der Drohung, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung – an der die CSU ja beteiligt ist - vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Unterstützt vom früheren Verfassungsrichter Udo di Fabio argumentiert die bayerische Staatsregierung, dass eine unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen von der Verfassung nicht gedeckt ist.
"Also, wir machen jetzt nicht einen Brief, weil wir Interesse haben an einem Konflikt, an einer Klage oder an einer Belastung der Koalition. Sondern: Wir sind verpflichtet, wenn es um die Grenzkontrollen geht, die Rückwirkungen auf die Eigenstaatlichkeit eines Bundeslandes haben, dann sind wir verpflichtet, die Interessen eines Bundeslandes wahrzunehmen."
Eigentlich wollte Horst Seehofer diese Klage noch vor den Landtagswahlen im März einreichen. Aber wohl um die Chancen der CDU-Schwesterparteien in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nicht zu gefährden, soll dies jetzt erst nach dem Wahltermin geschehen.
Ohnehin muss dem bayerischen Ministerpräsidenten aufgefallen sein, dass sein eigenwilliger Kurs kaum Anerkennung findet. Während Horst Seehofer nach Moskau fuhr, um dort in großer Geste mit Wladimir Putin über eine mögliche Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland zu sprechen, traf die Kanzlerin in kurzer Abfolge die Regierungschefs von Frankreich, der Türkei, Italien, dem Irak, Polen und Großbritannien. Sie hat in diesem Tagen nur ein Thema auf der Agenda: Wie schafft es die EU, die Zahl der Flüchtlinge wieder deutlich zu verringern?
Und zwischendrin musste sich Angela Merkel von Horst Seehofer vorhalten lassen, sie sei für die angebliche "Herrschaft des Unrechts" in der Flüchtlingspolitik verantwortlich. Dass sich US-Senatoren am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz nicht mit Horst Seehofer treffen wollten, dürfte auch bayerischen Ministerpräsidenten zu denken gegeben haben. Es ist weit gekommen in Berlin, wenn selbst Parteilinke der SPD wie Ralf Stegner die Kanzlerin gegen die andauernden Attacken des kleinsten Koalitionspartners in Schutz nehmen:
"Wer solche Freunde hat, der braucht keine politischen Gegner mehr. Und das kommt dann dabei raus, wenn man sich seine politische Orientierung bei Herrn Putin und bei Herrn Orban holt. Meine Befürchtung ist, die nächste Bildungsreise von Herrn Seehofer geht nach Pjöngjang. Also, es hat mit der Wirklichkeit in der Bundesrepublik wirklich nichts zu tun."
Und selbst die "FAZ", die in der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin äußerst skeptisch gegenübersteht, kommentierte Seehofer Wortwahl als politische Dummheit. Und der "Spiegel" vermutet sogar gedankliche Putschpläne bei Seehofer, während sich Angela Merkel einmal mehr diplomatisch zurückhielt:
"Das kommentiere ich nicht."
Europäische Union und die Türkei
Statt nationaler Abschottung, die das Ende des Schengenraums bedeuten würde, setzt die CDU-Vorsitzende auf eine gemeinsame europäische Strategie:
"Ich setze meine ganze Kraft am Donnerstag und Freitag darauf, dass die europäisch-türkische Agenda, dieser europäisch-türkische Ansatz sich als der Weg herausstellt, den es sich lohnt, weiter zu gehen."
Dabei geht es um den sogenannten EU-Türkei-Aktionsplan, der bereits Ende November verabschiedet wurde. Im Kern zielt dieser Plan darauf, dass die Türkei die illegale Ausreise nach Griechenland unterbindet, indem sie – seit neustem sogar mit Unterstützung der NATO – die Schlepper bekämpft und die Flüchtlinge sogar wieder zurücknimmt, die bereits die griechischen Inseln erreicht hatten. Die Europäische Union unterstützt dafür die Türkei finanziell mit mindestens drei Milliarden Euro und verpflichtet sich, in der Türkei gestrandete - ausschließlich syrische - Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen, die dann auf die EU-Staaten verteilt werden sollen.
"Die Türkei nimmt zwar alle Flüchtlinge auf, aber niemand darf von der Türkei erwarten, dass sie allein die gesamte Last trägt", sagt der türkische Ministerpräsident Ahmet Davotoglu.
Über 2,5 Millionen Flüchtlinge haben allein in der Türkei Schutz gefunden. Aber das ändert nichts daran, dass besonders die Umverteilungspläne in vielen Ländern Europas auf erheblichen Widerstand stoßen.
"Wir sind dafür, aktiv an der Sicherung der Außengrenze zu arbeiten. Und wir sind uns darüber klar, dass das schwierig ist und dass es da noch viel zu tun gibt. Aber für Polen ist auch klar, dass es keinen festen Verteilungsschlüssel für Flüchtlingskontingente geben kann", erklärte die polnische Ministerpräsidentin Beata Sydlo vergangenen Freitag bei ihrem Antrittsbesuch in Berlin.
Die vier Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind derzeit die vehementesten Gegner einer solchen Lösung. Sie wollen die Balkanroute so schnell wie möglich dicht machen, damit den Flüchtlingen der Weg nach Europa versperrt bleibt und nehmen dabei sogar in Kauf, Griechenland aus dem Schengen-Raum auszuschließen, was für Außenminister Frank Walter Steinmeier eine geradezu absurde Forderung ist.
"Man darf nicht so tun, als gäbe es Griechenland auf der europäischen Landkarte gar nicht. Und deshalb diese Debatte um die mazedonische- griechische Grenze kann man nicht ohne Griechenland führen."
Dabei hatten Frank-Walter Steinmeier und SPD-Chef Sigmar Gabriel in ihrem Brief an die sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs - darunter auch Robert Fico aus der Slowakei und Bohuslav Sobotka in Tschechien - vor einer Ausgrenzung Griechenlands gewarnt, weil solch ein Schritt die europäische Debatte weiter vergiften würde.
Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, spricht von einer enormen Glaubwürdigkeitskrise, wenn es in diesem Jahr nicht gelingen sollte die bereits getroffenen Vereinbarungen- darunter auch den Aktionsplan mit der Türkei - wirklich umzusetzen.
"Wenn wir in Europa so viele Flüchtlinge aufnehmen müssten wie Jordanier und Libanesen, dann müssten wir 100 Millionen, 100 Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Insofern sollten wir uns etwas bescheidener äußern, wenn wir anderen in der Welt Lektionen darüber erteilen, wie gut Good Governance auszusehen hat, wie mit Menschenrechten umzugehen ist und wie man Menschen in Not behandelt."
Aber trotz aller Worte wird die Verteilungsfrage derzeit nicht umsetzbar sein. Das gab Angela Merkel bereits vor dem morgigen Gipfel zu Protokoll:
"Wir würden uns im Übrigen auch ziemlich lächerlich machen im jetzigen Zustand, sozusagen in dem noch nicht einmal die 160.000 vereinbarten bis zu einer Zahl von 1.000 unter den europäischen Staaten verteilt sind, schon wieder über neue Kontingente zu beschließen. Das wäre sehr klar der zweite Schritt vor dem ersten."
Der Widerstand gegen die Kontingentlösung zeigt also Wirkung und der deutschen Kanzlerin ist klar, dass dieser Weg derzeit zu wenig Unterstützung finden wird. Erst am vergangenen Wochenende hatte der französische Premierminister Manuel Valls erklärt, dass Frankreich nicht mehr als die bereits zugesagten 30.000 Flüchtlinge aufnehmen werde. Und die EU-Kommission hatte schon Tage zuvor zu Protokoll gegebenen, dass die im vergangenen Sommer vereinbarte EU-weite Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland faktisch gescheitert ist.
Treffen der Koalition der Willigen
Dennoch wird es morgen, vor dem eigentlichen Gipfel ein Treffen der kleinen Koalition der Willigen mit dem türkischen Ministerpräsidenten geben. Neben Deutschland sind das noch Österreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, Schweden, Slowenien, Portugal, Frankreich und Griechenland. Denn ganz ohne eine Kontingentlösung wird die Türkei nicht für einen stärkeren Schutz der Grenzen zu gewinnen sein.
Angela Merkel wird, wenn sie an den Vereinbarungen festhalten will, wohl auch eine Vorreiterrolle einnehmen müssen. Sie wird der weiteren Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei zustimmen müssen - unabhängig davon, wer da von den EU-Partnern noch mitziehen will.
Auch wenn da schon von konkreten Kontingenten die Rede war, wird das mittlerweile nicht mehr das primäre Ziel dieses EU-Gipfels sein. Aber dieser Frage wird die EU und wird Deutschland letztlich nicht aus dem Weg gehen können.
"Und im Übrigen will ich noch einmal darauf hinweisen: Trotz aller kritischen Umfragen: Über 90 Prozent der deutschen Bevölkerung sagen nach wie vor, wer vor Terror, Krieg und Verfolgung flieht, soll in Deutschland die Möglichkeit der Aufnahme und des Schutzes haben. Ich finde das wunderbar."
Derweil lässt CSU-Chef Seehofer keine Zweifel aufkommen wie seine Alternative aussieht, wenn der EU-Gipfel keinen erkennbaren Fortschritt für die Sicherung der Außengrenzen bringen sollte:
"Jetzt haben wir ja noch die Bemühungen der Kanzlerin, dass es in der Europäischen Union zu Lösungen kommt, dass es mit der Türkei zu Lösungen kommt. Das unterstützen wir. Aber wenn dies nicht kommt, dann müssen wir national handeln."
Die Forderung nach einer schnellen Beschränkung der Zuwanderung nach Deutschland ist also nicht vom Tisch. Und wird nach dem Gipfel mit Sicherheit noch einmal neu gestellt werden.