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Merz gegen Merkel - Führungsprobleme in der Union

Zagatta: Die Regierung liefert der Opposition Steilvorlagen mit ihrem Fehlstart aber statt die zu nutzen, plagen die CDU/CSU Führungsprobleme. Das jedenfalls ist deutlich geworden, als Friedrich Merz, der Fraktionsvize, seiner Chefin Angela Merkel, jetzt vorgeworfen hat, unter Wortbruch seine Ablösung an der Fraktionsspitze betrieben zu haben. Dass das der Wahrheit entspricht, meinen viele in der Union, dass Merz seine Verärgerung dermaßen öffentlich gemacht hat, hat ihm aber auch Kritik eingebracht und das ist natürlich Zündstoff auch für die SPD-Fraktion. Der ostdeutsche Bundestagsabgeordnete Günter Nooke hat das alles hautnah miterlebt in den zurückliegenden Monaten als einer der Stellvertreter von Friedrich Merz in der vergangenen Legislaturperiode und ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Nooke.

    Nooke: Schönen guten Morgen, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Nooke, nach der Präsidiumssitzung Ihrer Partei gestern hat Angela Merkel eigentlich nur erklärt, dass die Kritik von Friedrich Merz nicht sehr hilfreich gewesen sei. Wie ist dieser Streit denn in der Fraktion angekommen?

    Nooke: Es gab ja gestern Fraktionsvorstandssitzung und dementsprechend auch noch ein anderes Gremium, was in der engeren Führung zusammensitzt und wichtig ist doch, dass wir einerseits sagen, dass solch eine Kritik, wie sie Friedrich Merz geäußert hat, nicht geht und dieses Unverständnis und die Kritik an Friedrich Merz wurde auch geäußert. Die grundsätzliche Auswertung war ja schon im Parteipräsidium und -vorstand erfolgt und natürlich ist es nicht so, dass mehr oder weniger viele nur mit Gewalt und Faust in der Tasche Frau Merkel gewählt haben sondern es wurde sehr deutlich gesagt, dass diese Kritik, so wie sie jetzt gesagt wurde, nicht, wie Sie es gerade anmoderiert haben, von den meisten geteilt wurde, sondern es wurde doch zurückgewiesen. Aber das Entscheidende war schon auch in der Fraktion, dass man sagt: wir wollen nach vorne blicken und uns diesen Streit nicht weiter zueigen machen, insofern glaube ich, dass gestern in den Landesgruppen noch mal davon gesprochen wurde aber heute in der großen Runde der Fraktionssitzung wird es um die Dinge gehen, die in dieser Woche und den kommenden Monaten noch vor uns liegen.

    Zagatta: Aber das Thema wird man ja nicht totschweigen können in dieser Sitzung.

    Nooke: Nein, aber es ist ja die Frage, ob die Kolleginnen und Kollegen das wirklich ansprechen. Ich habe eher das Gefühl, das sollte in kleineren Runden, in den Landesgruppen vielleicht, noch mal thematisiert werden, als dass wir uns eine große Fraktionssitzung, da sind ja immer 248 Abgeordnete und auch Mitarbeiter zusammen, ob man dort solch eine Diskussion verlängern muss. Ich habe Interesse daran, deutlich zu sagen: wir stehen hier nicht dafür zur Verfügung, Personaldebatten zu führen.

    Zagatta: Aber ist das für Sie vorstellbar, dass es offenen Streit an Ihrer Fraktionsspitze gibt und dann sitzt da eine ganze Fraktion zusammen und hält den Mund?

    Nooke: Man muss vielleicht wirklich ein bisschen erklären, wie das innerhalb der Gremien dann läuft, wenn so eine Woche mit einem Parteipräsidium beginnt: Dann ist ein Parteivorstand, dann sitzt ein geschäftsführenden Fraktionsvorstand zusammen, dann gibt es einen Fraktionsvorstand und dann noch mal die Landesgruppen am Montagabend. Dann ist eigentlich das Redebedürfnis der Abgeordneten auch ziemlich befriedigt, so dass es dann nicht unbedingt am Dienstag Nachmittag eine Verlängerung geben muss zumal dann auch von Seiten der führenden Leute in der Fraktion gesagt wird, wir können an anderer Stelle reden, aber wir müssen hier auch noch über die Dinge, die jetzt vor uns liegen, sprechen. Ich glaube, dass man aufpassen muss, dass man sich nicht von dem Medienbild, das ja dann die Dinge auch verstärkt, die Friedrich Merz gesagt hat, leiten lässt. Wenn Sie das gesamte Interview lesen, sind ja da auch viele Inhalte benannt worden, über die es sich auch lohnen würde, zu sprechen. Trotzdem ist klar: Solche Dinge gehen nicht und wer die Nummer eins ist, Frau Merkel, ist unangefochten, sowohl in der Partei und in der Fraktion. Und das muss auch, wenn es gesagt ist, für alle gelten.

    Zagatta: Sind Sie sich da so sicher? Friedrich Merz hat in diesem Interview ja auch gesagt, wenn er es damals auf eine Abstimmung hätte ankommen lassen, dann hätte er sich durchgesetzt.

    Nooke: Das sind ganz hypothetische Fragen. Wenn man das als Politiker wissen will, muss man letztendlich antreten und dann kann man auch die Entscheidung genau fällen. Ich bin nicht der Meinung, dass in der Situation, in der damals Frau Merkel gewählt wurde, wirklich die Fäuste in der Tasche geballt waren. Insofern glaube ich, ist das Bild nicht richtig, sondern was richtig ist ist, dass Friedrich Merz als Fraktionschef hohe Anerkennung hat und dass er in der Zeit, wo er Fraktionsvorsitzender war, sich wirklich große Dienste, auch als Fraktionsvorsitzender und nicht nur als Fachpolitiker in Sachen Finanzen und Wirtschaft, erworben hat. Aber ich glaube, dass man dann auch anerkennen muss, dass es in der Politik Situationen gibt, wo eben Veränderungen mehr oder weniger unumgänglich sind. Und ich finde, dass hier die Entscheidung, dass Frau Merkel den Fraktionsvorsitz übernimmt, völlig richtig war.

    Zagatta: Ihre Thüringer Fraktionskollegin Vera Lengsfeld hat Merz jetzt aufgefordert, seinen Stellvertreterposten in der Fraktion aufzugeben. Steht sie denn mit dieser Forderung so allein?

    Nooke: Ich glaube schon. das ist ja eben das, was jetzt gerade nicht gewünscht ist. Dass wir jetzt die Diskussion verlängern, indem nun wieder andere von anderen etwas verlangen, was so nicht geht und ich glaube, dass es uns hilft, wenn wir uns insgesamt mehr auf Inhalte und die Dinge, die jetzt gemacht werden müssen, konzentrieren. Wir haben ja in der Berliner CDU auch so ein bisschen das Problem, dass immer, wenn wieder mal was von uns zu hören ist, es eher um Personen geht als um die Inhalte. Da müssen auch die Medien ein bisschen mithelfen, dass wir nicht den Eindruck erwecken, dass Politiker den ganzen Tag immer nur über Personaldebatten streiten. Auch in der Fraktion ging es gestern die fast ausschließliche Zeit über Inhalte.

    Zagatta: Aber ist denn nach einem solchen Streit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Merz und Merkel überhaupt noch denkbar?

    Nooke: Auch das, glaube ich, muss man mal richtig rücken: Es geht darum, dass man Absprachen einhält und dass man sich miteinander um Dinge kümmert, die geklärt werden müssen. Es gibt natürlich Wettbewerb in der Partei, es gibt auch - wenn man so will - in derselben Partei dann Leute, die vielleicht auf eine Position mal scharf waren, aber da muss man auch sagen: Jetzt ist die Rollenverteilung so und jetzt ziehen wir gemeinsam an einem Strang. Sonst wird das nicht verstanden. Es müssen sich nicht alle lieben, aber es müssen sich alle für dieses Land engagieren wollen, so ist das in Regierungen, so ist das in jeder Fraktion und auch bei uns. Dass man dann nicht sagen kann, nur weil in der Vergangenheit Dinge gelaufen sind, mit denen man nicht so ganz glücklich war, spielen die ein oder anderen nicht mehr mit oder geht es jetzt nur noch um Machtkämpfe. Das finde ich, versteht auch keiner draußen. Ich bin gestern noch ein bisschen in Brandenburg unterwegs gewesen und es sprechen einen schon viele an.

    Zagatta: Herr Nooke, unsere Nachrichten drängen schon. Ich bedanke mich für das Gespräch, das war der ostdeutsche Bundestagsabgeordnete Günter Nooke.

    Nooke: Auf Wiederhören.

    Link: Interview als RealAudio