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Merz-Kritik an Parteitagsverschiebung
Paul Ziemiak: "An erster Stelle steht das Land"

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak weist den Vorwurf von Friedrich Merz zurück, man wolle ihn als CDU-Chef verhindern. Grund für die Absage des Parteitages sei die Corona-Infektionslage. "Die Lage in unserem Land ist schwierig. Damit sollte man sich mehr beschäftigen als mit der Lage der CDU", sagte Ziemiak.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär, äußert sich bei einer Pressekonferenz nach den Sitzungen von Vorstand und Präsidium der CDU im Konrad-Adenauer-Haus.
Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär (Bernd von Jutrczenka/dpa)
Friedrich Merz ist wütend - der CDU-Politiker und Kandidat für den Parteivorsitz will sich mit der Verschiebung des CDU-Parteitages von Anfang Dezember auf einen späteren Zeitpunkt nicht abfinden. Der frühere Unionsfraktionschef machte Teilen des "Parteiestablishments" erneut den Vorwurf, ihn als CDU-Chef verhindern zu wollen. Mehrere CDU-Spitzenpolitiker widersprachen dem 64-Jährigen.
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Auch der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Er sagte im Deutschlandfunk, Grund für die Absage des Präsenzparteitag am 4. Dezember in Stuttgart mit 1001 Delegierten sei die Infektionslage in Deutschland. Dieser Verantwortung seien sich alle bewusst. "Die Lage in unserem Land ist schwierig. Damit sollte man sich mehr beschäftigen als mit der Lage der CDU", sagte Ziemiak.
"Wir stürzen nicht ins Chaos"
Angesichts der bevorstehenden schwierigen Wochen gebe es eine große Geschlossenheit zwischen Regierung, Fraktion und Partei, betonte Ziemiak. Jeder wisse um seine Verantwortung und Aufgabe. Er mache sich um die Zukunft der CDU keine Sorgen. "Wir haben ein enges Zeitfenster bis zur Bundestagswahl, das stimmt. Deswegen müssen viele Entscheidungen recht bald getroffen werden, wir stürzen aber nicht ins Chaos", so Paul Ziemiak.
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Wegen der COVID-19-Pandemie hat die CDU die Entscheidung um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze vertagt. Kandidaten sind weiterhin Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz – doch die Coronakrise hat deren Ausgangslage und Chancen verändert.
Tobias Armbrüster: Herr Ziemiak, gehören Sie auch zum CDU-Establishment?
Paul Ziemiak: Ich bin der Generalsekretär und spreche auch für die Partei und vertrete diese Partei, und deswegen bin ich natürlich in einer ganz verantwortlichen Position.
Armbrüster: Was sagen Sie dann zu diesem Auftritt von Friedrich Merz gestern Abend, zu diesen zwei Interviews?
Ziemiak: Ich bin nicht da, um die einzelnen Äußerungen auch der Kandidaten zu kommentieren. Ich weiß, dass er mich damit offensichtlich nicht meint. Wir haben ein gutes Verhältnis, so wie ich zu den beiden anderen Kandidaten auch ein sehr gutes Verhältnis habe, und wir tauschen uns sehr eng aus. Das war jetzt auch in den letzten Wochen ganz wichtig, dass ich als Generalsekretär diesen Kontakt halte und dass wir Dinge, auch die wir jetzt entscheiden, übrigens fürs nächste Jahr, für das Bundestagswahljahr, dass wir das auch zusammen tun mit den Kandidaten. Das hat dort, wo wir miteinander zu tun hatten, immer gut geklappt.
"Der Grund für die Verschiebung des Präsenzparteitages war die Infektionslage"
Armbrüster: Aber Friedrich Merz richtet ja ganz offene Vorwürfe gegen die Parteispitze und gegen weite Teile der Partei, wenn er sagt, dass man da systematisch versuche, ihn als künftigen Vorsitzenden zu verhindern.
Ziemiak: Das waren jetzt Beschlüsse, die sowohl im Präsidium als auch im Bundesvorstand einstimmig beschlossen wurden. Der Grund für die Verschiebung des Präsenzparteitages war die Infektionslage in Deutschland. Wir haben es heute auch in Ihren Nachrichten gehört, wie die Zahlen sind, die das RKI bekannt gegeben hat. Das war ausschlaggebend und dieser Verantwortung sind sich alle bewusst, sowohl im Präsidium als auch im Bundesvorstand.
"Lage in unserem Land wird noch schwieriger"
Armbrüster: Und ist sich dieser Verantwortung auch Friedrich Merz bewusst?
Ziemiak: Sie führen ja jetzt ein Interview mit mir und ich kann Ihnen sagen, ich weiß, dass alle, die daran beteiligt waren, übrigens auch am Sonntagabend, als wir zusammen waren – das gilt auch für die Kandidaten -, alle genau wussten. Wir haben ja auch lange darüber gesprochen, wie ist die Lage in Deutschland, was heißt das eigentlich für die Bevölkerung, für das Gesundheitssystem, auch für die Wirtschaft, für die Schulen und Krankenhäuser, und insofern ist die Lage übrigens in Deutschland sehr viel schwieriger, und ich finde, wir sollten uns damit mehr beschäftigen als mit der Lage in der CDU. Parteien sind wichtig, sie sind auch nicht zu vergleichen mit einem Gesangsverein, aber die Lage in unserem Land wird auch in den kommenden Wochen noch schwieriger und darauf sollten wir die Kraft verwenden.
Armbrüster: Na ja. Und da steht die CDU natürlich als die Partei, die zurzeit auch noch die Bundeskanzlerin stellt und die in den Umfragewerten auch sehr hoch steht, an sehr prominenter Stelle. Deshalb würde ich das von Ihnen als Generalsekretär dieser Partei schon gerne wissen, was Sie von so einem Auftritt von einem Mann halten, der sich anschickt, der gerne zumindest neuer Parteivorsitzender werden möchte. Was halten Sie davon?
Ziemiak: Sie werden verstehen, dass ich die einzelnen Äußerungen nicht kommentiere. Wir haben so viele Interviews der einzelnen Kandidaten; das würde den ganzen Tag in Anspruch nehmen.
Es ist doch eins klar: Alle in der Parteiführung sind sich ihrer Verantwortung bewusst, die wir jetzt haben – in dieser Lage, in der sich auch unser Land befindet. Sie haben zurecht darauf hingewiesen: Wir sind die Partei, die die Bundeskanzlerin stellen. Wir sind die Partei, die die Bundesregierung führt, und dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Wenn wir jetzt über die Frage des Zeitpunkts des Parteitages diskutieren, dann spielt natürlich in erster Linie eine Rolle, wie ist die Infektionslage, kann man so einen Parteitag verantworten, kann man ihn nicht verantworten. Wir haben im Konrad-Adenauer-Haus unter meiner Leitung ein sehr striktes Hygienekonzept erarbeitet, um diesen Parteitag zu ermöglichen. Manche haben sogar darüber geschmunzelt, dass dieses Konzept zu strikt sei. Ich habe dann noch eine andere Lösung präsentiert. Aber es gab auch gute Gründe, dass man das nicht so macht, weil trotzdem ein Risiko bleibt, dass der Parteitag nicht stattfinden kann, und so kam es dann am Ende zu der Verschiebung, aber in großem Verantwortungsbewusstsein in Anbetracht der Infektionslage.
Ziemiak: Organe und Delegierten bleiben im Amt – wenn nicht gewählt wird
Armbrüster: Friedrich Merz sagt jetzt, diese Verschiebung, die bringt die Partei in große Terminschwierigkeiten – unter anderem, weil so viele Delegierte ab Dezember neu gewählt werden müssen. Das würde man so schnell bis ins nächste Frühjahr möglicherweise gar nicht hinbekommen. Was sagen Sie dazu?
Ziemiak: Das ist nur zum Teil richtig, denn auch das, was für die Partei gilt, auch für den Vorstand der Partei, das gilt auch für die Delegierten. Denn es ist so, nach der Gesetzesbegründung bei der Frage dessen, dass die Organe im Amt bleiben, ist es so, dass die Delegierten auch im Amt bleiben. Das heißt: Dort wo nicht gewählt werden kann, wo die Delegierten nicht gewählt werden können, dort würden sie auch im Amt bleiben.
Armbrüster: Das heißt, an diesem Argument ist eigentlich nichts dran? Wenn es den Parteitag nicht gibt und wenn Corona es nicht zulässt, dann bleiben die Delegierten weiter im Amt, auch wenn ihre Amtszeit möglicherweise auf dem Papier geendet hat?
Ziemiak: Wenn die Delegierten nicht neu gewählt werden können, aufgrund der Infektionslage, dann bleiben sie im Amt. Genauso ist es. Und dort, wo gewählt werden kann, dort müssten sie natürlich gewählt werden. Das ist korrekt.
Lage an der Parteispitze "ist klar geregelt"
Armbrüster: Ein weiteres Argument von Friedrich Merz gestern Abend – ich bin mir sicher, da haben viele Zuhörer und Zuschauer interessant zugehört. Er hat gesagt, Schwierigkeit ist, dass Annegret Kramp-Karrenbauers Amtszeit Ende dieses Jahres endet. Und wenn es dann keinen Nachfolger gibt, sei die Partei in einem Machtvakuum. Was ist da dran?
Ziemiak: Annegret Kramp-Karrenbauer ist ja gewählt. Sie ist ja nicht nur geschäftsführende Vorsitzende, sondern sie ist gewählt. Ihre Amtszeit läuft noch. Im kommenden Jahr ist die Situation so, dass der Vorstand im Amt bleibt. Als Generalsekretär bin ich ohnehin nach dem Statut der CDU Deutschlands für vier Jahre gewählt. Wir werden das gemeinsam die nächsten Wochen vorbereiten – übrigens nicht nur als Vorstand, sondern auch mit den drei Kandidaten gemeinsam. Darauf können sich alle verlassen, alle, die sich dort jetzt bewerben. Der Bundesvorstand hat mir gestern auch den klaren Auftrag gegeben, alles Notwendige zu veranlassen, um dieses Superwahljahr vorzubereiten, und auch dort werde ich alle Bewerber um den Parteivorsitz mit einbinden.
Armbrüster: Das heißt, eine unklare Lage an der Parteispitze nach dem 31. Dezember sehen Sie nicht?
Ziemiak: Ich finde, sie ist klar geregelt. Wir wissen, was wir zu tun haben. Auf Platz eins dessen, worum wir uns kümmern, steht das Land. Wir sehen, auf welche schwierigen Wochen wir jetzt zulaufen, und darum wird sich wie in der Vergangenheit übrigens auch die CDU kümmern – in einer großen Geschlossenheit zwischen Bundesregierung, Bundestagsfraktion und Partei. Jeder weiß, was seine Verantwortung und Aufgabe ist. Ja, ich mache mir große Sorgen, wie wir durch diese Krise kommen, aber ich mache mir weniger Sorgen um die Frage, wie geht es der CDU in Zukunft. Denn ich weiß eins: Wenn wir zusammenhalten, wenn wir auch das deutlich machen, was die Menschen von uns erwarten, dass wir wissen, wo unsere Verantwortung ist, und wenn wir eine geschlossene Volkspartei sind, dann brauchen wir keine Bange zu haben vor irgendeiner Wahl. Geschlossenheit ist das Rezept und Verantwortung, und der werden wir gerecht.
Armbrüster: Herr Ziemiak! Ich muss Sie wirklich als Generalsekretär jetzt noch mal fragen. Wenn Herr Merz da in zwei prominenten Fernsehinterviews mit solchen Argumenten an die Öffentlichkeit geht, mit solchen Argumenten, die ja nahelegen, dass seine Partei da auf eine organisatorische Krise zusteuert, und Sie sagen jetzt, an diesen Argumenten ist eigentlich nichts dran, was für ein Bild ergibt sich dann für Sie von Friedrich Merz?
Ziemiak: Wir haben jetzt ein sehr enges Zeitfenster bis zur Bundestagswahl. Das stimmt und deswegen müssen viele Entscheidungen recht bald getroffen werden. Aber wir stürzen nicht ins Chaos. Das ist nicht so.
"Wichtig ist, dass wir Zusammenhalten"
Armbrüster: Das sagt aber Herr Merz! – Das sagt Herr Merz.
Ziemiak: Wichtig ist, dass wir zusammenhalten. Sie werden doch eine Sache verstehen, dass ich als Generalsekretär eine Verantwortung dafür habe, dass wir jetzt auch übrigens in Interviews die Situation nicht weiter anheizen. Es ist wichtig, dass wir geschlossen bleiben, dass wir zusammenstehen. Wir haben diese Verantwortung auch für Deutschland und vor allem für Deutschland. Deswegen antworte ich etwas ausweichend auf Ihre Frage, weil mir das Wohl und der Zusammenhalt in der Partei wichtiger sind, als jetzt noch mal neue Debatten anzufeuern.
Armbrüster: Werden Sie denn heute mit Herrn Merz telefonieren?
Ziemiak: Mit Sicherheit, so wie gestern auch.
Armbrüster: Dann sagen Sie uns vielleicht noch einmal, weil das habe ich tatsächlich immer noch nicht ganz verstanden: Was spricht eigentlich dagegen, einen digitalen Parteitag mit Briefwahl abzuhalten? Das war ja eine der Optionen, die auf dem Tisch lagen, und mit dem hätte man sich diese ganze Diskussion, die ganze Debatte sparen können.
Ziemiak: Grundsätzlich ist ja ein Präsenzparteitag vorgesehen, den wir vorbereitet haben. Der war geplant für den 4. Dezember. Der Vorstand und das Präsidium sind übereingekommen, dass aufgrund der Infektionslage dieser Präsenzparteitag nicht stattfinden kann.
Dann ging es um die Frage von Alternativen. Ich habe eine erarbeitet, zum Beispiel die eines sogenannten hybriden Parteitages, dass man einen digitalen Parteitag durchführt, aber an mehreren Standorten dann die Wahl durchführt. Aufgrund verschiedener Argumente und auch Risiken, die ich nachvollziehen kann, ist auch dieser Vorschlag nicht zum Tragen gekommen. Deshalb hat man sich verständigt, im Dezember beziehungsweise spätestens im Januar festzulegen, ist dann ein Präsenzparteitag möglich, oder ist er es nicht. Und wenn er nicht mehr möglich ist, dann soll es eine Briefwahl geben. Der große Nachteil der Briefwahl ist, dass das Verfahren sehr, sehr lange dauert, mindestens 70 Tage, und alle sich einig waren, übrigens einstimmig, wenn es möglich wäre, dass ein Präsenzparteitag das Beste wäre.
Armbrüster: Das heißt, die Beispiele, die Sie in anderen Ländern von Parteitagen finden, die dort problemlos alle per Video abgehalten werden, die zählen für Sie nicht?
Ziemiak: Die zählen für mich ganz stark und ich habe mich deshalb dafür eingesetzt, dass wir nach Möglichkeit digital abstimmen können. Es gibt aber dafür keine Mehrheit, auch das Grundgesetz zu ändern und die Rechtslage zu schaffen. Am Ende muss per Briefwahl abgestimmt werden in einem sehr aufwendigen Verfahren. Das kann man wollen. Man kann aber auch sagen, ein Präsenzparteitag ist immer die bessere Variante. Aber Sie haben recht: Wenn man digital abstimmen könnte, würde ich mir das wünschen. Dafür habe ich mich übrigens auch im Deutschen Bundestag eingesetzt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.