Seine Vorschläge würden aber zu einem - Zitat - "faktischen Aufnahmestopp" führen. Merz regt demnach konsequente Zurückweisungen von Personen ohne Einreiseerlaubnis an der Grenze sowie ein Ende der freiwilligen Aufnahmeprogramme an. Anders als die Ampel-Koalition behaupte, sei nur eine sehr geringe Anzahl an Menschen aus Syrien und Afghanistan als politisch Verfolgte asylberechtigt im Sinne des Grundgesetzes. Das Schreiben verschickte Merz laut dpa nach seinem Treffen mit Bundeskanzler Scholz.
Zuvor hatte der Unionsfraktionschef von Scholz verlangt, notfalls eine "nationale Notlage" zu erklären, falls es in der EU nicht kurzfristig gelinge, die illegale Migration einzudämmen. Merz brachte indirekt einen Bruch der Ampel-Koalition ins Gespräch. Union und SPD könnten nötige Gesetze auch ohne Rücksicht auf Grüne und FDP beschließen, meinte der Unionsfraktionschef.
Bei dem einstündigen Zusammentreffen habe er den Kanzler aufgefordert, wirklich etwas zu ändern, führte Merz aus. Die Menschen hätten oft genug gehört, was nicht geht. Jetzt sei es an der Zeit, konkrete Lösungen zu erarbeiten. Deswegen habe er Scholz vorgeschlagen, Gesetzesänderungen zu erarbeiten und diese in der Haushaltswoche im September zu verabschieden. Dazu sollen nach Ansicht von Merz zwei Unterhändler konkrete Vorlagen erarbeiten.
"Staatsgrenzen schützen"
Konkret müssten der Zuzug über die Kontrolle der deutschen Staatsgrenze geregelt und Menschen zurückgeschickt werden. Merz erinnerte daran, dass nach EU-Recht der Asylantrag im Land des Erstzutritts gestellt werden müsse. Das sei in der Regel nicht Deutschland. Außerdem brauche es mehr Vertrauen, mehr Kompetenzen und mehr Ausstattung für die Bundespolizei, um das durchzusetzen. Merz will vor allem Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan zurückweisen, dies seien die problematischsten Gruppen.
Scholz äußerte nach dem Gespräch mit Merz grundsätzlich Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Opposition von CDU und CSU in Fragen der Migration. Zugleich betonte er, alle Ideen müssten im Einklang mit dem Grundgesetz und mit den europäischen sowie internationalen Verträgen stehen.
Scholz will ferner die bestehenden Kontrollen an den deutschen Grenzen zu mehreren Nachbarländern "so lange wie möglich" aufrechterhalten. Sie hätten sich als sehr effizient erwiesen, sagte er im ZDF. Das Individualrecht auf Asyl bleibe aber erhalten. Zugleich sagte Scholz, es gehe darum, die irreguläre Migration zu reduzieren. "Da sind Erfolge, aber sie reichen nicht", räumte der Kanzler ein. So sei Deutschland bei den Abschiebezahlen besser geworden, aber noch lange nicht gut. Hierzu brauche es eine enge Kooperation zwischen Bundesregierung und Bundesländern wie auch zwischen Regierung und Opposition.
Scholz fügte hinzu, die Bundesregierung arbeite daran, Abschiebungen Schwerstkrimineller nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen. "Schwere Straftäter haben ihr Schutzrecht hier verwirkt", sagte Scholz.
Grenzkontrollen mit Erfolgen
Seit Mitte Oktober vergangenen Jahres gibt es Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, bereits seit September 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze. Sie sind aber nur punktuell. Innenministerin Faeser (SPD) und Bundespolizei-Präsident Romann loben die Kontrollen als Erfolg und verweisen dabei unter anderem auf die Festnahme von Schleusern. Zudem würden Menschen auch an der Grenze zurückgewiesen. Die Zahl unerlaubter Einreisen ist zuletzt gesunken. Wer aber Asyl beantragen will, darf in der Regel auch ins Land.
Lindner offen für Merz-Vorstoß
Die FDP zeigte sich offen für eine grundsätzliche Wende in der Migrations- und Asylpolitik in Zusammenarbeit mit der Union. "Die FDP steht zu überparteilichen Anstrengungen bereit, neuen Realismus in der Migration von Bund und Ländern konsequent durchzusetzen", sagte Parteichef Lindner der Zeitung "Bild". Die Vorschläge von CDU-Chef Merz "decken sich stark mit denen der FDP", fügte Lindner hinzu. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Mihalic, zeigte sich grundsätzlich offen für Gespräche, kritisierte aber Merz' Tonalität. Alle demokratischen Parteien seien in der Verantwortung, die Gefahren des islamistischen Terrors entschieden zu bekämpfen.
Am Freitagabend hatte ein Syrer beim "Fest der Vielfalt" zum 650. Solinger Stadtjubiläum Festbesucher mit einem Messer attackiert. Drei Menschen wurden getötet. Der mutmaßliche Attentäter Issa Al H. sitzt in Untersuchungshaft. Dem 26-Jährigen wird unter anderem die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen. Er hatte sich einer Überstellung nach Bulgarien entzogen.
Diese Nachricht wurde am 28.08.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.