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Messerangriff in Dresden
Homophobie ein mögliches Tatmotiv

Anfang Oktober wurden in Dresden zwei Männer mit einem Messer angegriffen, einer getötet. Die Staatsanwaltschaft geht von einem islamistischen Motiv aus. Dass die Opfer offenbar ein schwules Paar waren und die Tat daher auch homophob motiviert sein könnte, wurde bislang nicht öffentlich kommuniziert.

Von Alexander Moritz |
Eine Regenbogenfahne, ein Kranz und weiße Blumen erinnern auf dem Altmarkt vor dem Kulturpalast in Dresden an die Opfer einer Messerattacke
Eine Regenbogenfahne, ein Kranz und weiße Blumen erinnern an das Opfer einer Messerattacke in Dresden (Alexander Moritz)
Die Straßenecke an der Schlossstraße liegt mitten in der Dresdener Innenstadt, zwischen Kulturpalast und Residenzschloss. An dem Ort, wo vor gut einem Monat ein schwules Paar angegriffen und einer der beiden Männer getötet wurde, erinnern Blumenkränze und Kerzen an die Opfer. Inzwischen hat jemand dort auch eine Regenbogenfahne befestigt.
Am Sonntag hatten die Organisatoren und Organisatorinnen des Dresdener Christopher-Street-Day zu einer Mahnwache aufgerufen. Mehrere Hundert Menschen versammelten sich schweigend mit Kerzen und Coronaabstand.
"Auch wenn wir noch zu wenig über die Hintergründe dieser Tat wissen, so zeigt sie eines doch auf schmerzhafte Weise deutlich: Homo- und Transfeindlichkeit kann töten."
Offener Brief an die Bundeskanzlerin
* Ronald Zenker ist * Vorsitzender des Dresdener Christopher Street Day-Vereins. In einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten fordert er mehr Aufmerksamkeit für die Tat.
"Wenn wir uns jetzt vorstellen würden, es wäre eine schwarze Person, wo man sieht, dass sie schwarz ist, dann wäre der Aufschrei ja auch da. Dann würde auch gesagt werden, wir müssen jetzt in die Richtung ermitteln. Wir wollen einfach nur den Druck erhöhen. Dass man sagt: Ok, wir ermitteln auch in die Richtung. Das darf nicht totgeschwiegen werden, das muss deswegen auch in die Öffentlichkeit."
An der Straßenecke an der Schlossstraße, mitten in der Dresdener Innenstadt zwischen Kulturpalast und Residenzschloss, wo ein schwules Paar angegriffen und einer der beiden Männer getötet wurde, erinnern Blumenkränze und Kerzen an die Opfer. Inzwischen hat jemand dort auch eine Regenbogenfahne befestigt.
Blumenkränze und Kerzen erinnern an die Opfer eines Messerangriffs in Dresden (Deutschlandradio / Alexander Moritz)
Dass die Mahnwache erst jetzt stattfindet, einen Monat nach dem Mord, hat Gründe: Nur nach und nach wurden die genaueren Umstände der Tat bekannt. Der islamistische Hintergrund zwei Wochen danach. Dass die beiden Opfer ein schwules Paar waren, wurde von den Ermittlungsbehörden bis heute nicht offiziell bestätigt.
"Das Motiv der Tat zu erhellen, ist Gegenstand der Ermittlungen. Im Übrigen haben wir immer gesagt: Als Staatsanwaltschaft äußern wir uns zur sexuellen Orientierung von Tatopfern nicht. Es ist also ganz klar nicht unsere Zuständigkeit, unsere Aufgabe. Insofern gibt es hier von mir dazu keine Angaben", so der Sprecher der Dresdener Staatsanwaltschaft Jürgen Schmidt bei einer Pressekonferenz vor zwei Wochen.
Zeichen schmerzhafter Ignoranz
Nicht zu sagen, dass die Opfer schwul waren, sei ein Zeichen schmerzhafter Ignoranz, beklagt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland. Justiz und Sicherheitsbehörden machten so nicht-heterosexuelle Gewaltopfer unsichtbar.
Ähnlich äußerte sich bei der Mahnwache auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger. "Ich stehe hier, damit er keinen zweiten Tod stirbt, weil totgeschwiegen werden sollte, dass der Täter die Homosexualität angriff und den Homosexuellen Thomas auslöschen wollte."
Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Welche Rolle Hass auf Homosexuelle tatsächlich bei der Tat spielte, weiß nur der Täter. Dringend tatverdächtig ist ein 20-jähriger Syrer und mutmaßlicher Islamist. Doch der schweigt weiter. Die Bundesanwaltschaft spricht bisher nur von einem islamistischen Motiv. Eine damit zusammenhängende homofeindliche Einstellung würde selbstverständlich ebenfalls in den Ermittlungen berücksichtigt, heißt es auf Anfrage. Doch Homosexuellenfeindlichkeit als Tatmotiv vor Gericht zu beweisen, ist schwierig.
Kommunikation der Polizei in der Kritik
Trotzdem müssten Polizei und Justiz offener kommunizieren, fordert Albrecht Pallas, der innenpolitische Sprecher der SPD im sächsischen Landtag. "Da muss ich mit einer Transparenz vorgehen, die zwar die Ermittlungstaktik nicht behindert, aber das Informationsbedürfnis befriedigt. Das sehe ich hier nicht gegeben."
Er hat einen Fragenkatalog an das sächsische Innenministerium geschickt, um Details zu den Ermittlungen zu bekommen – und mögliche Versäumnisse aufzuklären.
"Es mehren sich ja die Informationen, dass der Bundesnachrichtendienst Informationen vorliegen hatte, die er nicht weitergegeben hat. Und selbstverständlich ist es eine Frage, wie eine Staatsanwaltschaft, die Generalstaatsanwaltschaft hier in Sachsen, aber eben auch der Generalbundesanwalt mit diesen Themen umgehen. Es ist nicht unüblich, dass bei solchen komplizierteren Verfahren Details zurückgehalten werden. Aber auf der anderen Seite steht da auch das große Interesse in der Bevölkerung, Informationen zu bekommen und zu wissen, woran man ist."
Bundesregierung soll Flagge zeigen
Ein deutlicheres Zeichen hätte sich auch SPD-Arbeitsminister Martin Dulig gewünscht. Er war der einzige Vertreter der Landesregierung bei der Mahnwache. "Das ist kein regionales Ereignis. Auch wenn es hier in Dresden passiert ist, ist das eine Sache, die ganz Deutschland angeht. Und deswegen erwarte ich, dass auch die Bundesregierung Flagge zeigt, sich bekennt. Hier ist ein Mensch umgebracht worden, aufgrund seiner Lebensweise. Und diese Lebensweise wollen wir verteidigen."
Auf Bundesebene hat FDP-Chef Christian Lindner in einem Zeitungsbeitrag gefordert, homo- und transfeindliche Straftaten endlich gesondert in der Polizeilichen Kriminalstatistik zu erfassen. Bisher tut das nur die Berliner Polizei.
Auch die sächsische Landespolitik wird der Fall weiter beschäftigen: Die AfD hat für Mittwoch eine aktuelle Stunde im Landtag beantragt.
* An dieser Stelle wurde ein falscher Vorname genannt.
* An dieser Stelle wurde eine berufliche Funktion korrigiert.