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Messstationen für Wissenschaft und Praxis

Physik. - In Potsdam findet derzeit ein Workshop statt, in dem Experten sich über die Stärke der Sonneneinstrahlung auf der Erde und die von dieser wieder zurückgestrahlten Wärmestrahlung austauschen. Durch diese Meßdaten ist es möglich, eine genaue Strahlungsbilanz der Atmosphäre zu erstellen und das Ausmaß des Treibhauseffektes zu bestimmen. Das ist für die Klimaforscher sehr wichtig, doch offenbar profitieren inzwischen auch die Solaranlagenbetreiber von den Messdaten.

Von Volker Mrasek |
    In Bremerhaven laufen die Fäden des solaren Messnetzes zusammen. 54 Bodenstationen auf der ganzen Welt schicken ihre Daten pausenlos zum Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Der Meteorologe Gert König-Langlo betreut die zentrale Datenbank dort. Die Forscher sprechen bloß von BSRN. Das ist die englische Abkürzung für das weltumspannende Netzwerk. So genau wie in den 54 Stationen werde sonst nirgends gemessen, sagt König-Langlo:

    "So eine BSRN-Strahlungsstation hat schon einen ganzen Flohzirkus von Instrumenten. Gemessen wird, so schnell die data logger es hergeben. Das ist bei modernen data loggern im Sekundenbereich. Und im Netzwerk speichern wir davon minütliche Mittel. Es gibt normalerweise nicht so gute Strahlungsmessungen. Und vor allem nicht zeitlich so hoch aufgelöst."

    Eingerichtet wurde das Netzwerk ursprünglich zu reinen Klimaforschungszwecken. Jetzt aber hat das Messprojekt auch einen praktischen Nutzen, und zwar für die Entwickler und Anwender von Solarenergie-Anlagen:

    "Die haben uns entdeckt. Und die sind jetzt so ein bisschen Trittbrettfahrer. Aber die nehmen wir sehr, sehr gerne mit!"

    Die BSRN-Stationen messen nicht nur das direkt einfallende Sonnenlicht, sondern auch diffuse Solarstrahlung. Dabei handelt es sich um Licht, das den Erdboden auf Umwegen erreicht, nachdem es in der Atmosphäre gestreut worden ist, etwa durch Wolkenoberflächen oder Schwebstaub-Partikel. Bei der Auswertung dieser dualen Messdaten an der Station in Lindenberg bei Berlin zeigte sich, daß die Energieausbeute von Photovoltaik-Anlagen gelegentlich viel größer sein kann als gedacht. Wolken spielen dabei eine maßgebliche Rolle, wie Gert König-Langlo erklärt:

    "Wenn zum Beispiel eine Wolke nicht mehr vor der Sonne steht und die volle Sonneneinstrahlung deshalb die Photovoltaik-Zelle trifft, aber die Wolke, die eben noch vor der Sonne stand, direkt daneben schneeweiß auch noch leuchtet, dann hab' ich mehr, als ich eigentlich nur von der Sonne bekommen konnte. Dann hat man quasi noch einen Extra-Input."

    Zur direkten Sonneneinstrahlung kommt dann noch ein kräftiger Batzen hinzu, der von der Wolke diffus zum Boden gestreut wird,

    "Und das wiederum fällt auf eine kalte Solarzelle, weil ja da gerade der Schatten drauf war. Und dann sind die Solarzellen ganz besonders effektiv. Dann ist deren Wirkungsgrad ganz besonders gut. Und das führt dazu, daß sie mehr Strom erzeugen, als theoretisch erwartet wurde. Und das hat man jetzt herausbekommen. Zum Beispiel im Sommer, wenn wir so unterbrochene Bewölkung haben, ist das häufig auch in Deutschland der Fall. Im Mittel wird durch Wolken natürlich die Strahlung eher geschwächt. Aber im Einzelfall gibt es diese Verstärkungseffekte."

    In solchen Situationen könnten Photovoltaik-Zellen eine 30 Prozent höhere Stromausbeute erzielen, haben die Forscher ausgerechnet. Dafür müssten die Solaranlagen aber anders dimensioniert sein und mit leistungsfähigeren Wechselrichtern ausgestattet werden für die Umwandlung von solarer in elektrische Energie. Das sollte sich aber inzwischen in der Branche herumgesprochen haben, wie König-Langlo sagt:

    "Und wenn das immer noch nicht eingerechnet wird in die neuen Dimensionierungen der Wechselrichter, dann haben die Leute ihren Job schlecht gemacht."

    Sogar der ganz normale Häuslebauer kann inzwischen von den Daten aus dem BSRN-Meßnetz profitieren – zumindest am anderen Ende der Welt, in Neuseeland. Dort gibt es seit kurzem eine Internetseite, auf der Hausbesitzer ihre Adresse eingeben können. Sodann erfahren sie, mit welcher Stromausbeute sie tatsächlich rechnen dürfen, wenn sie Solarzellen aufs Dach setzen oder an der Hausfassade anbringen. Der Wert wird stark durch die spezielle Topographie am Wohnort beeinflusst. Der Physiker Ben Liley vom Nationalen Institut für Wasser- und Atmosphärenforschung:

    "Statt einen Standort einfach von oben zu beurteilen, ist es sinnvoller, sich in das Haus zu begeben und die Umgebung zu sondieren: Wo sind da Berge, wo benachbarte Häuser und Bäume, die die Sonne abschatten? Das machen wir mit dem Internet-Werkzeug, das wir entwickelt haben auf Basis der solaren Stationsmessungen und eines digitalen Höhenmodells für Neuseeland. Da gibt man einfach seine Wohn-Koordinaten ein und bekommt dann exakte Standort-Daten für die direkte und diffuse Sonneneinstrahlung."

    Die Internetseite werde inzwischen kräftig genutzt, sagt der neuseeländische Forscher. Die Daten seien viel verlässlicher als Abschätzungen, sie sich lediglich an der Zahl der Sonnenstunden orientierten...

    "Auf unserer Internetseite kann man auch die Topographie von Deutschland aufrufen. Aber im Moment fehlen mir noch die passenden Strahlungsdaten dazu."

    Vielleicht ändert sich das schon bald. In Potsdam stieß der Vortrag von Ben Liley jedenfalls auf großes Interesse. Es gebe Forscher von der Universität Hannover, die die Idee aufgreifen wollten, so der neuseeländische Physiker. Das mache auch Sinn. Schließlich sei Deutschland weltweit führend in der Entwicklung und Anwendung der Photovoltaik.