Inhalte auf Facebook und Instagram sollen in den USA nicht mehr von professionellen Faktencheckern auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. Und in der Moderation von Inhalten sollen Beschränkungen wegfallen. Das hat der Chef des Meta-Konzerns, Mark Zuckerberg, angekündigt.
Beobachter bewerten die Veränderungen als höchst besorgniserregend. Warum sind sie von Zuckerbergs Ankündigung alarmiert?
Was genau plant der Meta-Konzern?
Der Internetkonzern Meta, der etwa die Social-Media-Dienste Facebook und Instagram anbietet, hat zwei Monate nach der US-Präsidentschaftswahl eine drastische Kehrtwende angekündigt: Das Faktencheck-Programm in den USA solle beendet und Beschränkungen von Beiträgen bei den Themen Einwanderung und Gender abgeschafft werden, um die „freie Meinungsäußerung wiederherzustellen“, erklärte Meta-Chef Mark Zuckerberg.
Statt der Überprüfung durch Faktenchecker solle – ähnlich wie beim Onlinedienst X (ehemals Twitter) – ein System der "Community-Notes" eingeführt werden, zunächst in den USA. Dabei könnten Nutzer unter einem Beitrag, Foto oder Video einordnenden Kontext hinzufügen, so der Meta-Chef. Wenn genug Nutzerinnen und Nutzer eine „Community Note“ als hilfreich bewerten, wird diese unter dem Beitrag für alle sichtbar.
In das 2016 von Meta eingeführte Faktencheck-System „Third-Party Fact-Checking Program” waren unabhängige Organisationen in zahlreichen Ländern eingebunden: in Deutschland etwa die Nachrichtenagenturen dpa und AFP sowie das Rechercheprojekt Correctiv. Sie können weiterarbeiten, weil sich die Neuerungen zunächst nur auf die USA beziehen. Bei der Einführung des Faktencheck-Programms argumentierte Zuckerberg noch, Fake News sollten keinen Einfluss auf Wahlen und Meinungsbildung haben.
Die Partnerorganisationen verpflichten sich, journalistische Standards einzuhalten: zum Beispiel alle Quellen transparent offenzulegen und in der Bewertung von Fakten unparteiisch vorzugehen.
Trump-Wahl als kultureller Wendepunkt
Nun wirft er den Partnerorganisationen vor, parteiisch zu sein. Hier übernimmt er genau die Rhetorik, die bereits seit Jahren vom Trump-Lager gegen das Faktencheck-Programm vorgebracht wurde: Die etablierten Medien hätten in den vergangenen Jahren immer mehr darauf gedrängt, dass die freie Rede eingeschränkt würde.
Zuckerberg verwies auch auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl, die einen kulturellen Wendepunkt markiere.
Zudem seien die internen Moderationssysteme, die dafür verantwortlich sind, Beiträge zu löschen oder herabzustufen, zu fehleranfällig und hätten wachsendem Unmut bei Nutzerinnen und Nutzern geführt.
Zuckerberg kritisierte auch Bestimmungen der Europäischen Union und warf der Institution „Zensur“ vor. Sie verpflichten Meta und andere große Plattformen dazu, die Standards für die Moderation von Inhalten in Europa einzuhalten. Andernfalls riskieren sie Geldstrafen. Er werde mit dem künftigen Präsidenten Trump zusammenarbeiten, um sich dagegen zu wehren, so Zuckerberg.
Wie werden die Ankündigungen von Mark Zuckerberg bewertet?
Viele Beobachter blicken mit großer Sorge auf die Ankündigungen von Mark Zuckerberg.
Der Publizist, Buchautor und Medienwissenschaftler an der Universität Köln, Martin Andree, nennt es sehr besorgniserregend, dass mit Meta ein weiterer Konzern angesichts der Allianz aus dem baldigen neuen US-Präsidenten und dem Tech-Milliardär Elon Musk, der die „Ideologie der absoluten Meinungsfreiheit“ vertrete, „einknickt“.
Viele Menschen in Deutschland hätten noch nicht genau verstanden, wie groß die Machtakkumulation dieser Allianz sei, meint Andree. Für die Zukunft sei zu befürchten, „dass gegen Trump/Musk eigentlich gar kein Widerstand mehr möglich ist“. Donald Trump steht kurz vor dem Amtsantritt als US-Präsident.
Zum „Zensur“-Vorwurf an die EU sagt Andree, das sei ein „Kampfbegriff“. „Es gibt keine Zensur in Deutschland oder USA.“ Durch den Digital Services Act gebe es die Verpflichtung der jeweiligen Plattform, hier dafür zu sorgen, dass sachliche Falschinformationen, Diskriminierung, Rassismus, Holocaust-Leugnung und dergleichen vernünftig bearbeitet werden.
Deshalb sei es „ein großes Manko“, dass die Plattformen nicht dazu verpflichtet wurden, für Inhalte, mit denen sie Geld verdienen, die inhaltliche Verantwortung zu übernehmen und dafür haftbar gemacht werden können.
Faktenchecker: "Community Notes" oft falsch
Thomas Laschyk hat die unabhängige Faktencheck-Plattform „Volksverpetzer“ gegründet, die nicht mit dem Meta-Konzern zusammenarbeitet. Er bewertet die von Zuckerberg angekündigten Schritte als „fatales Zeichen“ und „Schritt in die falsche Richtung“. Mark Zuckerberg passe sich jetzt an Trump an, "einen der größten Lügner“, und schwenke damit auf eine demokratiefeindliche Linie ein.
Bei den „Community Notes“ fielen die Standards der Faktenchecker weg, besonders die Nachvollziehbarkeit der Informationen. Die Notes enthielten „oft genug“ noch mehr Falsches als der Artikel, den sie korrigieren sollten. Zudem würden sie meist nicht angezeigt. Für Faktenchecks brauche man Standards und Erfahrung. „Das kann man nicht einfach so von heute auf morgen machen.“
Auch das Prinzip der Abstimmung über „Community Notes“ sei zweifelhaft. Bei „X“ kämen häufig falsche Notes durch. „Über die Wahrheit kann man nicht abstimmen.“
Die Aussage Zuckerbergs, gemeinsam mit Donald Trump gegen Regierungen weltweit vorgehen zu wollen, die „amerikanische Unternehmen zensieren“, sieht Laschyk als eine Kampfansage gegen demokratische Institutionen an, einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. „Diese Algorithmen entscheiden, was wir sehen, und letztendlich auch, was wir glauben.“ Wenn die in die Hände von Faschisten fielen, sei das „eine riesige Gefahr“.
Die EU und andere Institutionen müssten dringend etwas dagegen tun. Stark genug sei die EU. Die Frage sei, ob der politische Wille vorhanden ist.
Der Tech-Journalist Gavin Karlmeier sagt Zuckerberg sei nicht alleine mit seinem Versuch, gute Stimmung mit Trump herzustellen. Auch andere milliardenschwere Tech-Bosse wie Jeff Bezos von Amazon, Elon Musk und sogar Tim Cook vom „eigentlich relativ liberalen, demokratischen Apple“, versuchten gerade, „irgendwie gute Miene zum bösen Spiel zu machen“. Doch Zuckerberg schieße weit übers Ziel hinaus: Er spende nicht eine Milliarde Dollar für die Amtseinführung, sondern bei ihm gehe es darum, die komplette Plattform umzubauen und neu aufzustellen.
Was bedeutet die Meta-Ankündigung für Faktenchecker?
Für viele Faktencheckerinnen und Faktenchecker könnten die Meta-Pläne existenzbedrohend sein – vor allem, sollten die Pläne auch auf außerhalb der USA ausgedehnt werden. Denn gerade außerhalb der USA und der EU gibt es Faktencheck-Organisationen, deren Finanzierung zum Großteil von Metas Faktencheck-Programm abhängt.
Zudem besteht die Gefahr, dass Zuckerbergs Ankündigung Faktenchecker weltweit noch stärker zur Zielscheibe von Anfeindungen und Hassnachrichten werden lässt. Immer wieder wurden Faktenchecker wegen ihrer Tätigkeit für Meta Opfer von Diffamierungskampagnen, teilweise wurden ihre Privatadressen im Netz geteilt.
abr, sms