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Metall- und Elektroindustrie
Arbeitgeber drohen mit Ende der Tarifbindung

Acht freie Tage oder mehr Geld: Diese Wahl mag Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie freuen, doch sie überfordert die Unternehmen. Das kritisiert zumindest der Arbeitgeberverband Gesamtmetall - und droht der IG Metall aus dem Flächentarifvertrag auszutreten.

Von Brigitte Scholtes |
Ein Mann trägt am 10.01.2018 in Homburg (Saarland) bei einem Warnstreik am Werk der Firma Bosch eine Mütze mit der Aufschrift IG Metall. Mit Warnstreiks will die Gewerkschaft den Druck im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie erhöhen. Foto: Oliver Dietze/dpa | Verwendung weltweit
Im saarländischen Homburg fürchten viele Mitarbeiter des Autozulieferers Bosch, die E-Mobilität könnte ihre Jobs überflüssig machen. (picture alliance / Oliver Dietze/dpa)
Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie haben die Faxen dicke. Den Eindruck vermittelt Rainer Dulger in der Süddeutschen Zeitung. Der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall ist zwar nicht zu einer weiteren Kommentierung bereit. Doch seine Klagen über die Maßlosigkeit der IG Metall sind auch so bei der Gewerkschaft angekommen. Die reagierte schriftlich auf die Vorhaltungen des Tarifpartners. Die Tarifautonomie und die Flächentarifverträge seien die "Eckpfeiler unseres seit Jahrzehnten erfolgreichen Wirtschaftsstandorts". Dies einseitig in Frage zu stellen, schade allen. Und im Übrigen würden Tarifverträge bekanntlich von beiden Verhandlungspartnern unterschrieben.
Solche Tarifverträge sollten Kompromisse sein. Vor drei Jahren, bei seiner Festrede zum 125jährigen Bestehen der IG Metall, hatte Gesamtmetall-Chef Dulger deren Bedeutung noch betont.
"Der Kompromiss ist das Prinzip, mit den Abschlüssen müssen beide Seiten leben können. Selbst wenn wir wollten – wir könnten nicht ohne einander. Dieser organisierte Interessenausgleich ist unsere Stärke und er ist die Stärke der sozialen Marktwirtschaft."
Firmen können Tarifabschluss teils nur schwer umsetzen
Nun aber beklagt nicht nur Dulger ein Ungleichgewicht der Kräfte im Arbeitskampf. Dabei bezieht er sich auf den letzten Tarifabschluss des vergangenen Jahres. Den hätten viele Mitglieder nicht mittragen können, auch bei den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus gab es da Proteste, sagt der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VDMA, Thilo Brodtmann:
"Der letzte Abschluss war natürlich eine harte Nummer, weil wir da zu einem Lohnplus von satten 4 Prozent letztendlich dann auch noch diese Wahlmöglichkeit mit freier Zeit hinzu addiert, dann kommt dann eine Paketlösung raus, wo viele Unternehmen richtig frustriert waren. Sie müssen dann im Tagesgeschäft damit umgehen, und sehen sich außer Stande, dass auch ordentlich zu verarbeiten."
Die Unternehmen beklagten aber vor allem mangelnde Spielräume für betriebliche Lösungen und zu wenig Flexibilität. So verabschiedeten sich immer mehr Firmen dieser Branche aus der Tarifbindung, eine Entwicklung, die man schon seit Jahren beobachten könne.
"Insgesamt kann man sagen, dass wir heute im Maschinen-und Anlagenbau nur noch ein Drittel der Unternehmen in der Tarifbindung haben. Alle anderen haben sich daraus verabschiedet, lehnen sich mehr oder weniger an Teile und Module an, sind aber aus dem Tarifsystem draußen. Wir haben also heute im Grunde eine Mehrheit außerhalb stehend."
Nur einzelne Module aus Flächentarifvertrag übernehmen
Dabei hatte sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann schon zu seinem Amtsantritt vor vier Jahren zum Ziel gesetzt, die Flucht der Unternehmen aus der Tarifbindung zu stoppen.
"Uns ist ganz wichtig, und zwar als langfristiges Ziel, das Thema Tarifbindung wieder in eine andere Richtung zu entwickeln. Sie hatte in den neunziger Jahren ordentlich Federn gelassen. Wir konnten jetzt in den letzten Jahren die Tarifbindung stabilisieren. Jetzt gilt es, den Turnaround zu schaffen."
Die Tarifbindung stärken – das wollen die Arbeitgeber offenbar weniger denn je. Das Tarifsystem müsse sich verändern, fordert Gesamtmetall-Chef Dulger. Dem kann auch VDMA-Hauptgeschäftsführer Brodtmann etwas abgewinnen. Das System müsse modernisiert werden, so sollen die Unternehmen auch einzelne Module des Flächentarifvertrags übernehmen können.