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Metall- und Elektroindustrie
Flexible Arbeitszeitmodelle stehen hoch im Kurs

Die IG Metall hat eine erste positive Bilanz der flexiblen Arbeitszeitmodelle gezogen. Viele Beschäftigte wollen die neuen Wahlmöglichkeiten wie die 28-Stunden-Woche nutzen. Allerdings fehlt es noch an konkreten Lösungen für die Umsetzung, vor allem in Betrieben mit hoher Auslastung.

Von Mischa Ehrhardt |
    Mitarbeiter im Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen Foto: Bernd Weißbrod/dpa | Verwendung weltweit
    Beschäftigte bei Mercedes: Wunsch nach mehr freien Tagen im Jahr (dpa)
    Als zukunftsweisend wurde er gepriesen, der Tarifvertrag in der Metall und Elektroindustrie, der den Arbeit der den Beschäftigten grundsätzlich Wahlmöglichkeiten lässt zwischen mehr Geld oder mehr freier Zeit im Leben. Neben der Möglichkeit einer 28-Stunden-Woche für zwei Jahre sieht der Tarifvertrag auch vor, dass Beschäftigte wählen können zwischen einer Einmalzahlung in Höhe von gut 27 Prozent eines Monatsgehaltes oder acht freien Tagen im Jahr. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann zeigt sich überrascht von der Annahmequote diese Modelle bei den Beschäftigten.
    "Man geht ja doch mit dem Vorurteil durchs Leben, die Leute arbeiten Schicht, weil sie das Geld brauchen. Das war schon ein überzeugendes Votum: Nein, wir legen hohen Wert darauf, dass wir Ausgleiche brauchen für die Belastungen der Schichtarbeit. Und dass wir dort zu Quoten kommen von 70, 80, 90 Prozent in einigen Betrieben, das hat mich wirklich überrascht".
    Mehr freie Tage vor allem im Schichtbetrieb beliebt
    Befragt hat die Metallgewerkschaft rund 2.800 Betriebe ihrer Branche. Davon haben die Hälfte - vor allem größere Unternehmen - Auskunft gegeben. Die Möglichkeit auf acht freie Tage im Jahr kommt vor allem bei Beschäftigten im Schichtbetrieb gut an. Michael Eilers, Betriebsratsvorsitzender der Airbus-Tochter Premium Aerotec:
    "Erst gestern habe ich einen Kollegen beim Bäcker getroffen. Der hat gesagt: 'Mensch, jetzt hatte ich eine Woche Nachtschicht, jetzt bin ich ganz schön platt.' Und daran merkt man einfach die Bedeutung der Möglichkeit, Ausgleichstage zu schaffen: Das ist nach wie vor sehr, sehr positiv in der Belegschaft aufgenommen."
    Die Betriebsrätin des Automobilzulieferers Mahle Behr, Nektaria Christidou, kann von einem regen Andrang für die Möglichkeit einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung berichten.
    "Einfach die Situation, dass wir nach der letzten Betriebsversammlung eine Abfrage gemacht haben. Uns hat das interessiert, wir haben Formulare ausgeteilt. Und der Andrang war in den ersten Tagen so heftig, dass wir da gar nicht mehr hinterher gekommen sind. Inzwischen haben wir Regelungen getroffen im Werk, wie wir das mit dem Arbeitgeber auch umsetzen wollen."
    Flexibilisierung trotz Fachkräftemangel
    Genau hier aber könnte der Hase im Pfeffer liegen. Denn zwar ist die Möglichkeit zur Arbeitszeitverkürzung beliebt, allerdings sieht der Tarifvertrag im Gegenzug einen Ausgleich innerhalb der Unternehmen vor. Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitnehmerverbandes Gesamtmetall:
    "Nach dem Tarifvertrag muss jeder Freistellungstag im Betrieb von einem gleich qualifizierten Mitarbeiter durch längere Arbeitszeiten ausgeglichen werden. Nun müssen sich eben die Betriebsparteien bemühen, Lösungen zu finden. Im Grunde brauchen wir für jeden, der die Sache haben will, jemanden, der bereit ist, länger zu arbeiten".
    Das allerdings berge ein Problem angesichts der hohen Beschäftigung und Auslastung der Betriebe und angesichts des herrschenden Fachkräftemangels in Deutschland. Jedenfalls sind die Ergebnisse der Befragung der IG-Metall nur vorläufig, näheres könne man zu Beginn des nächsten Jahres sagen.
    Von der zweiten großen Möglichkeit des Tarifvertrages, über bis zu zwei Jahre auf eine 28-Stunden-Woche verkürzen zu können, wollen nach der Befragung rund 8.000 Beschäftigte Gebrauch machen. Auch das sieht die Gewerkschaft als Erfolg - denn dies seien mehr Beschäftigte als üblicherweise im untersuchten Zeitraum in Teilzeit wechseln wollen.