Dirk-Oliver Heckmann: Nach dem erneuten schweren Unwetter in Bayern sind erneut vier Todesopfer zu beklagen. So hieß es noch vor wenigen Minuten.
Mitgehört hat Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes. Herr Friedrich, wie geht es denn weiter in den kommenden Tagen? Ist in den bisherigen Unwetterregionen mit weiteren heftigen Niederschlägen zu rechnen?
Andreas Friedrich: Schönen guten Tag. - Ja, es sieht leider so aus. Ich habe mir gerade noch mal unsere neuesten Prognosen angeschaut. Wir machen immer eine sogenannte Wochenvorhersage mit Wettergefahren und wenn ich da reinschaue, muss man doch langsam Angst kriegen, denn es sieht so aus, dass wir nicht nur über das Wochenende hinaus, sondern inzwischen gehen wir sogar von dem Zeitraum bis nächsten Dienstag aus, dass wir jeden Tag in Deutschland wieder Unwetterpotenzial haben, ausgenommen wirklich nur der Norden und Nordosten Deutschlands, dort an den Küsten, und da wird die Unwettergefahr geringer sein.
Aber der Rest von Deutschland bleibt Unwettergebiet. Diese Tiefdruckwetterlage mit der sehr feuchtwarmen Luft, die will nicht weichen und da kann es jeden Tag wieder schwere Gewitter und Unwetter geben. Nur wo die genau auftreten, das ist das Problem. Das können wir erst sehr kurzfristig vorhersagen.
Extremen Wetterereignissen werden zunehmen
Heckmann: Dass dermaßen viel Niederschlag fällt in so kurzer Zeit, hat das eigentlich schon was mit dem Klimawandel zu tun?
Friedrich: Es geht in diese Richtung. Man kann natürlich an solchen Einzelereignissen wie jetzt diese aktuelle Unwetterlage nicht sagen, Schuld ist die Klimaveränderung oder eine Klimakatastrophe, sondern es ist ein Indiz, dass sich da Auswirkungen sicherlich verstärkend auswirken und dass wir die spüren. Denn man hat festgestellt in den letzten 10, 20, 30 Jahren, dass diese Starkregen-Ereignisse vor allen Dingen in der Spitze, wie hoch diese Niederschlagsspitzen gehen, schon etwas zugenommen haben. Das können wir an den Daten schon sehen. Und die Klimasimulationen, die ja das Wetter oder das Klima der nächsten Jahrzehnte simulieren, die gehen von weiterer Erwärmung aus. Und wenn man das auf dieses Wetter umlegt, müssen wir dort weiter mit wachsenden extremen Wetterereignissen rechnen. Es kann noch kräftigere Niederschläge in den nächsten Jahrzehnten geben, abgewechselt von Dürre- und Hitzeperioden. Die extremen Schwankungen werden zunehmen.
Heckmann: Der Meteorologe Kachelmann, der hatte ja heftige Kritik an der ARD geübt in diesen Tagen. Es sei nicht deutlich genug gewarnt worden. Ist an dieser Kritik irgendetwas dran aus Ihrer Sicht?
Friedrich: Nein und ich muss es auch zurechtrücken. Es wurde nicht kritisiert, dass nicht genug gewarnt worden ist, sondern dass nicht genug berichtet worden ist darüber. Das kann ich jetzt nicht beurteilen. Wir sind der Deutsche Wetterdienst, wir sind jetzt nicht für Berichterstattungen in den Medien zuständig. Wir haben aber natürlich sämtliche Warnungen - und die waren sehr zuverlässig, die waren auch für unsere ganzen Leitstellen, auch für die Bevölkerung verfügbar -, wir haben Vorwarnungen herausgegeben jeweils schon am Vormittag für die Regionen und dann, wenn wir wussten, wo die Unwetter auftreten, oder wenn sie in Kürze auftreten, für Landkreise dann auch zum Teil vor extremem Unwetter gewarnt. Da wurde alles Menschenmögliche getan. Ob das dann immer wie gesagt in der Kommunikation optimal läuft oder gelaufen ist, das entzieht sich jetzt den Kenntnissen des Deutschen Wetterdienstes.
Heckmann: Aber Sie sagen selbst, es ist sehr schwierig, das vorherzusagen, wo genau es so extrem wird. Was könnte denn getan werden, um die lokale Bevölkerung besser zu warnen?
Friedrich: Man muss wissen, und das ist einfach das Prinzip der Atmosphäre, dass die chaotisch ist. Das ist wie bei einem Kochtopf. Wenn Sie da die Herdplatte anmachen, wissen Sie: Irgendwann brodeln Luftblasen nach oben in diesem Topf. Sie wissen nicht wo und das ist wirklich umsetzbar eins zu eins auf die Atmosphäre, wenn wir so eine Gewitter- und Unwetterlage haben. Auch da sind Blasen die einzelnen Gewitter, die hochsteigen. Und wir können erst erkennen, wo die hochsteigen und in welche Richtung sie sich dann verlagern, wenn die anfangen hochzusteigen, und dann haben wir noch Vorwarnzeiten von etwa 30 bis maximal 90 Minuten und können dann diese Landkreise bewarnen. Das wie gesagt wird auch schon gemacht. Ich kann mir vorstellen, dass man dort noch Verbesserungen machen kann in der kurzfristigen Alarmierung der Bevölkerung. Wir haben zum Beispiel seit über einem Jahr eine extra eigene Warnwetter-App entwickelt, die auch für Smartphones verfügbar ist, die Jedermann abonnieren kann oder sich laden kann, und da kann man für seinen Ort ganz konkret diese Warnungen sehen. Man wird sogar vom Handy gewarnt und kann auch diese Radarbilder sehen. Wir haben jetzt leider erst zirka zwei Millionen Nutzer in Deutschland. Das ist aus meiner Sicht ein Medium, wo man sehr schnell die Bevölkerung auf direktem Wege bis zum Bürger warnen kann.
Heckmann: Der Meteorologe Andreas Friedrich war das vom Deutschen Wetterdienst. Schönen Dank für Ihre Einschätzungen.
Friedrich: Gerne.
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