Es geschah am 20. November 1990: 200 Kilometer vor der Küste Schottlands stieß eine Bohrung der britischen Firma Mobil North Sea auf ein Gasvorkommen - und es kam zum Blow out:
"Diese Gasblase entlud sich explosionsartig am Meeresboden und hat dort einen Krater von Dimensionen 20 Meter tief, 60 Meter im Durchmesser in 100 Metern Wassertiefe gerissen."
Beschreibt Peter Linke vom Forschungszentrum Geomar in Kiel. Seitdem tritt an der besagten Stelle vor Schottland fast reines Methan aus. Das ist ein Treibhausgas, das die Erdatmosphäre stärker aufheizt als Kohlendioxid. Zunächst machte die Gasmenge, die vom Krater bis in die Atmosphäre gelangte, ein Viertel der natürlichen Methanemission aus der Nordsee aus. Inzwischen liege der Anteil nur noch bei einem Prozent und sei damit vernachlässigbar:
"Aber wenn man mal bilanziert, wie viel Methan dort über die mehr als 20 Jahre ausgetreten ist, dann ist das schon eine erhebliche Menge, die nicht so einfach vom Tisch zu wischen ist."
Außerdem sickert Methan aus zahllosen Quellen am Meeresgrund, natürlichen wie künstlichen. Allein in der Nordsee gibt es Tausende verlassener Bohrungen, die längst nicht alle versiegelt sind: So setzen drei alte Bohrlöcher, die Peter Linke und sein Team bei einer Stichprobe untersuchten, jährlich 24 Tonnen Methan frei. Weltweit könnte das Erbe der Öl- und Gasindustrie also ein wichtiger Faktor in der globalen Methanbilanz sein. Und so ist der Krater ein ideales Experimentierfeld:
"Was ist das Schicksal von Methan, das am Meeresboden austritt? Was passiert mit dem Methan in der Wassersäule? Welchen Prozessen unterliegt es? Und wie viel von diesem Methan gelangt letztendlich in die Atmosphäre?"
Gezeiten und Stürme beeinflussen explosive Ausbrüche
Die Messungen zeigen, dass die Freisetzung in die Atmosphäre schwankt. Die Gezeiten beeinflussen sie ebenso wie Stürme oder explosive Ausbrüche, die hin und wieder auftreten. Vor allem aber gibt es jahreszeitliche Unterschiede. Im Sommer, wenn sich die oberen Wasserschichten aufheizen und wie ein Deckel auf den unteren, kühlen Schichten liegen, gelangen kaum Methanblasen an die Oberfläche. Vom Spätherbst bis zum Frühling ist das anders: Dann sorgen Wind und Wellen für eine tiefere Durchmischung der Nordsee:
"Wir haben erste Messungen über ein Jahr bereits gemacht, wo wir eben recht deutlich sehen, dass dann das Gas vermehrt eben aufsteigen kann."
Zunächst waren die Forscher von den sommerlich niedrigen Methanwerten oberhalb dieser Temperatur-Grenzschicht überrascht. Dann entdeckten sie, dass das Gas nicht in einem geraden Strom aus dem Krater tritt, sondern Wirbel bildet.
"Wenn Gas am Meeresboden austritt, und es hat dort in der ursprünglichen Zusammensetzung fast 100-Prozent Methananteil, dann verändert sich die Gaszusammensetzung dadurch, dass das umliegende Wasser untersättigt ist in Hinblick auf Methan. Je länger der Weg der aufsteigenden Gasblasen nun ist, umso mehr Zeit bleibt zur Verfügung, damit dieser Gasaustausch stattfinden kann."
Durch diesen Prozess nimmt also die Methankonzentration in den Gasblasen deutlich ab. Daneben scheinen andere, bislang noch nicht verstandene Mechanismen, die Verbreitung und den Austausch des Gases noch zu fördern.
"Wenn wir dann noch eine Sprungschicht haben, die wie ein Deckel dort liegt, dann verteilt sich das gelöste Methan, was aus der Gasblase ausgetreten ist, eben in ganz andere Bereiche und verdünnt sich dann sehr stark, sodass wir es an der Oberfläche dann eigentlich kaum noch messen können."
Zu diesem Resultat tragen auch die Bakteriengemeinschaften bei, die sich inzwischen rund um die Quelle etabliert haben. Die Forscher konnten zum ersten Mal beobachten, wie schnell Mikroben eine Methanquelle am Meeresboden besiedeln: 20 Jahre reichen.
"Diese Bakterien sind in der Lage, das Methan, das am Meeresboden austritt, umzuwandeln und benutzen das als Energiequelle. Wir sprechen davon, dass es so ein natürlicher Methanfilter ist, der dort im Meeresboden lebt. Und das Spannende ist, dass wir diese Bakterien auch bereits im Wasserkörper gefunden haben."
Der Krater vor Schottland werde wohl noch eine Weile "weiterspucken", schätzt Peter Linke, mindestens noch ein Jahrzehnt.