Vicente aus Kongo drückt sein fieberndes Baby fest an sich. Geld für einen Arzt oder Medikamente hat er nicht. In einer großen Gruppe von Angolanern, Westafrikanern und Kamerunern campiert er am Straßenrand vor einer der Migrationsbehörden im südmexikanischen Tapachula.
"Wir wollen die Papiere für das freie Geleit, um Mexiko ohne Probleme bis an die Grenze zu den USA durchqueren zu können. Aber wir warten schon seit einem Monat vergebens und leben auf der Straße."
Zu groß war der Druck der US-Regierung
Diese Erlaubnis, die der neue mexikanische Präsident López Obrador den Migranten noch vor seinem Amtsantritt im Dezember versprochen hatte, gibt es seit April nicht mehr. Zu groß war der Druck der US-Regierung. Alle in dieser Gruppe wollen es bis in die USA schaffen, auch Guilherme aus Angola.
"Wir sind über Ecuador nach Lateinamerika eingereist, weil es das einzige Land ist, das uns reinlässt. Dann geht es zu Fuß weiter in Richtung USA. Nach Europa können wir nicht mehr gehen, weil es zu schwierig geworden ist. Deutschland verlangt Visa, alle verlangen Visa."
Der Weg über den Atlantik in Richtung USA ist drei Mal so weit wie der nach Europa. Warum sie ihn jetzt trotzdem auf sich nehmen, erklärt die Afrika- und Migrationsexpertin der Autonomen Universität von Mexiko-Stadt, Gracia Mireya Ojeda:
"2015 hat Europa damit begonnen, seine Grenzen dichtzumachen. In dem Moment begannen die Afrikaner, nach Alternativen zu suchen. Welche blieb ihnen? Sie versuchen, irgendwie nach Lateinamerika zu gelangen, und dann gehen sie nach Norden, bis in die USA. Auch sie haben den 'American dream'. Lateinamerika, Mexiko - das ist für sie nur ein Zwischenstopp. Leider hat unser Präsident Visa und freies Geleit bis an die Grenze versprochen. Gemeint waren nur mittelamerikanische Flüchtlinge, aber alle fühlten sich angesprochen. Wir nennen das den Effekt des Aufrufs."
Zahl der Migranten gestiegen
Seitdem ist die Zahl der Migranten, die Mexiko erreichen, stark gestiegen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres sollen es nach offiziellen Angaben bereits 300.000 gewesen sein. Sonst durchqueren das Land etwa 400.000 Menschen im ganzen Jahr. Wie viele Afrikaner unter ihnen sind, ist unbekannt. Die wenigsten registrieren sich. Priscilla aus Angola hätte das längst getan und freies Geleit beantragt, sei auf der Behörde aber immer abgewiesen worden. Mit ihrem Kleinkind schläft auch die Schwangere am Straßenrand:
"Ich will nur ein Stück Papier von der Migrationsbehörde, aber sie geben mir gar nichts. Ich bin schwanger und sie helfen mir nicht. Sie behandeln uns schlecht. Sie sind Rassisten."
Tausende Migranten aus Mittelamerika kommen jede Woche in Tapachula an, außerdem viele Kubaner. Ihnen gegenüber fühlen sich die Afrikaner benachteiligt. Mexiko ohne Papiere zu durchqueren, komme aber nicht in Frage, meint die Gruppe. Wegen ihrer Hautfarbe könnten sie sich nicht verstecken, so wie die Mittelamerikaner es tun, die in die USA wollen. Dass der Weg durch Mexiko gefährlich ist, wissen sie: Tausende Migranten verschwinden Jahr für Jahr. Viele verunglücken oder werden Opfer von Kriminellen.