Tijuana an der Grenze zu Kalifornien ist ein Schmelztiegel der Migration. Tausende Mexikaner und Mittelamerikaner warten hier auf ihre Chance zum Grenzübertritt - über den Zaun ohne Papiere in die USA. Täglich kommen vom Süden her neue Menschen an - mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Für andere hat die sich vorläufig zerschlagen. Sie werden von den US-Behörden im Norden nach Tijuana zurückgeschickt. In der Regierungszeit von Barack Obama gab es so viele Deportationen wie nie - mehr als zwei Millionen Menschen wurden abgeschoben.
Hoffnung auf ein besseres Leben
Freddy, 40, aus El Salvador findet das ungerecht. Auch er hofft hier in Tijuana auf ein Leben in den USA - selbst wenn das immer schwieriger wird: "Es gibt viele Mexikaner oder Zentralamerikaner in den USA, die Angst haben, sich auf der Straße zu bewegen. Sie pendeln nur noch zwischen ihrer Arbeit und ihrer Wohnung - um das Risiko einer Festnahme zu verringern."
Die von vielen erhoffte Migrationsreform in den USA ist unter Obama ausgeblieben – insbesondere wegen des Widerstands der Republikaner. Das republikanisch regierte Texas ist inzwischen dazu übergegangen, mit der Nationalgarde illegale Einwanderer aufzuspüren. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto reagierte darauf mit scharfer Kritik:
"Diese Art von Aktionen widersprechen den Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte. Ich sage denjenigen, die weiterhin auf Diskriminierung und Ausgrenzung setzen, dass sich ihre Fehler in naher Zukunft zeigen werden. Die Zeit wird uns recht geben."
Migranten sind Wirtschaftsfaktor für Mexiko
Normalerweise äußert sich Mexikos Regierung nicht allzu lautstark zum Thema Migrationsreform. Zuviel Druck könnte den Widerstand in den USA verhärten. Aber auch Peña Nieto setzt auf diese Reform. Elf Millionen in Mexiko Geborene leben in den USA - etwa die Hälfte von ihnen illegal. Auch wenn es niemand laut sagt: Mexikos Führung ist ganz froh, dass so viele Leute abgewandert sind. Zum einen gäbe es für sie daheim sowieso keine Arbeit, zum anderen überweisen die Migranten viel Geld an ihre Familien - sie sind also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Mexiko.
Günther Maihold, deutscher Lateinamerika-Experte, der in Mexiko lehrt, sieht ein doppeltes Spiel auf beiden Seiten der Grenze: "Die USA wollen zum einen nicht die Migranten haben, brauchen sie aber für ihren Bausektor und die Landwirtschaft. Und die Mexikaner unternehmen letztlich keine wirklichen Anstrengungen, um die Migration zu verhindern. In diesem Doppelspiel beider Seiten verheddert sich dann die Debatte und es kommt zu keiner Lösung."
Mehr Kontrollen - Migranten werden vertrieben
Auf Druck der USA versucht Mexiko inzwischen aber verstärkt, die Migration aus Zentralamerika einzuschränken. Größere Sicherung der Südgrenze, mehr Kontrollen, auch vom Güterzug La Bestia der Richtung Norden rollt, werden jetzt immer mehr Migranten vertrieben - angeblich aus Sicherheitsgründen. Dabei leiden die Zentralamerikaner besonders unter den Gefahren in Mexiko.
José ist erst 16 und kommt aus Honduras. Er hat sich alleine auf den Weg gemacht und es erst mal bis zum Rio Suchiate an der mexikanischen Südgrenze geschafft. Ein Weg der Hoffnung und der Angst:
"Es ist gefährlich. Sie können dich erpressen oder umbringen. Ich habe gehört, dass entlang der Strecke viele Verbrecherbanden unterwegs sind. Alles hängt wohl vom Glück ab, das ich haben werde. Und vom Vertrauen in Gott."
Politik ohne Migrationskonzept
Gerade Migranten wie der minderjährige José haben die US-Politik aufgeschreckt. Denn in diesem Jahr sind immer mehr Kinder und Jugendliche hinter der Grenze aufgegriffen worden. Der Grund ist offenbar, dass sich in Ländern wie El Salvador oder Honduras das Gerücht verbreitet hatte, Minderjährige dürften automatisch in den Vereinigten Staaten bleiben. Präsident Obama appellierte im Juli an die Eltern:
"Wir rufen sie auf, ihre Kinder nicht ohne Begleitung loszuschicken. Setzt sie nicht auf Züge, gebt sie nicht in die Hand von Menschenschmugglern. Wir wissen nicht was mit ihnen passiert, wie viele sterben. Wir sagen ganz klar: Wir schicken die Kinder zurück, schlimmer ist aber, dass es viele nicht schaffen werden."
Inzwischen hat die Zahl der unbegleiteten Kinder tatsächlich abgenommen, sagen Hilfsstellen, die sich um Migranten kümmern. Der Fall der Kinder und Jugendlichen macht aber erneut deutlich, welch menschlichen Tragödien sich auf den Wegstrecken abspielen, wie hilflos und konzeptionslos die Politik der Migration gegenübersteht.
Freddy aus El Salvador hat den gefährlichen Weg bis an die Grenze in Tijuana überstanden. Zurückgehen will er nicht:
"Die USA sind ein Land der Einwanderer. Wenn das so ist, warum machen sie dann keine Migrationsreform. Damit diejenigen, die dort arbeiten wollen, dies auch können."