Gabriela Martínez arbeitet als freie Journalistin in Tijuana. Ganz im Norden von Mexiko, an der Grenze zu den USA, ist ihre Basis. Sie schreibt für die mexikanische Tageszeitung "El Universal" über Menschenrechte, Sicherheit, Migration, Menschenhandel, die unzähligen Verschwundenen im Land.
In den letzten zehn Jahren wurde die 34-Jährige immer wieder verfolgt und bedroht. Die Gefahr gehe nicht nur vom organisierten Verbrechen aus, erzählt sie über WhatsApp.
"Möglicherweise waren die Arbeiten am gefährlichsten, die in irgendeiner Weise mit der Regierung zu tun hatten, dem Sicherheitsapparat. Ich hatte Reibereien mit dem Militär, mit ranghohen Vertretern. Einer sagte mir mal, es sei sehr einfach, mich verschwinden zu lassen und keiner würde es merken. Er meinte später aber dann, dass es nur ein Witz gewesen sei. Außerdem wurde mein Telefon angezapft."
Alle elf Stunden ein Angriff auf Journalisten
Mexiko gehört zu den gefährlichsten Ländern für Journalisten weltweit. Allein in diesem Jahr sind bereits sechs Reporter ums Leben gekommen. In mehr als 90 Prozent der Fälle gehen die Täter laut "Artículo 19" straffrei aus.
Die Organisation setzt sich für die Pressefreiheit in Mexiko ein. Die permanente Angst führe zur Selbstzensur, erklärt der Sprecher, Leopoldo Maldonado. Eine Zensur, die auch während den Vorgängerregierungen unter Enrique Pena Nieto und Felipe Calderón herrschte. Alle elf Stunden gebe es einen Angriff auf Journalisten. In den ersten sechs Monaten in diesem Jahr seien es 406 gewesen.
"Die Anzahl der Angriffe ist weiter gestiegen. Das hat auch mit der politischen Haltung der Regierung zu tun, die es versäumt, Journalisten zu schützen, obwohl es seit 2012 ein entsprechendes Gesetz gibt, um Menschenrechtsverteidiger und Journalisten zu schützen. Dafür muss ein entsprechender Mechanismus entwickelt werden, aber dafür fehlt der politische Wille und auch das Budget dafür wird nicht freigegeben." Immer wieder hätte López Obrador deutlich gemacht, dass Kritik gegen die Regierung und ihr politisches Projekt nicht erwünscht sei.
López Obrador weist Kritik zurück
Vor wenigen Tagen haben sich 650 mexikanische Intellektuelle, Künstler und Journalisten mit einem offenen Brief an den Präsidenten gewendet, unter anderem hat auch der Filmemacher Arturo Ripstein hat unterschrieben. Sie werfen ihm vor, mit verbalen Angriffen auf die Presse Hass und eine Spaltung der mexikanischen Gesellschaft zu bewirken. Die Demokratie sei in Gefahr.
Auch der Politik-Analyst und Journalist Ruben Aguilar hat den Brief unterstützt. Er befürchtet die Rückkehr zu einem autoritären Führungsstil wie zu PRI-Zeiten: "Wir müssen uns dagegen wehren – alle Bürger und Bürgerinnen, die sich darüber bewusst sind, was freie Meinungsäußerung bedeutet, aber auch ihre Abwesenheit. Für diese Meinungsfreiheit müssen wir kämpfen, sie steht auf dem Spiel, sie ist ernsthaft in der Krise."
Der linkspopulistische mexikanische Präsident weist jegliche Kritik von sich: "Diese Gruppe, die diesen Brief unterschrieben hat, hat immer ein neoliberales System unterstützt. Jetzt sind sie beleidigt, obwohl sie sich eigentlich entschuldigen müssten, weil sie zugeschaut haben, wie das Land ausgebeutet wurde. Hier wird niemand zensiert. Wir werden immer alle Freiheiten garantieren. Diese Regierung ist nicht autoritär."
"Diskurs des Hasses"
Die Journalistin Gabriela Martínez sieht das Verhalten von López Obrador auch kritisch. Dennoch hätte sie den Brief nicht unterschrieben. "Der Antrieb für diesen Brief scheint mir aus einer politischen Unzufriedenheit der Opposition heraus entstanden zu sein. Es ist eine politische Kritik und eben nicht eine Analyse seiner Fehler. Es lässt sich wirklich nicht abstreiten, dass es einen Diskurs des Hasses gibt. Andrés Manuel López Obrador muss etwas ändern – er befördert den Hass, und das als Präsident. Das hat natürlich gravierende Konsequenzen."
Aber genau darüber ist die mexikanische Gesellschaft gespalten: Mittlerweile wurde ein weiterer Brief publiziert, unterschrieben von rund 34.000 Unterstützern des mexikanischen Präsidenten.