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Mexiko vor der Präsidentenwahl
Korruption, Gewalt und wenig Hoffnung

Geld oder eine Kugel in den Kopf? Die Mordraten in Mexiko schießen derzeit in die Höhe. Kurz vor den Wahlen lässt das organisierte Verbrechen die Muskeln spielen. Vielversprechende Ideen zur Verbrechensbekämpfung sind im Wahlkampf aber nicht in Sicht.

Von Anne-Kathrin Mellmann |
    Ein Tatort in Ciudad Juarez. Im ablaufenden Jahr verzeichnete das 123 Millionen Einwohner zählende Mexiko rund 30.000 Morde. Die Staatsgewalt scheint dagegen hilflos.
    Ein Tatort in Ciudad Juarez. Mehr als 120 Politiker wurden im Wahlkampf ermordet, mehr als 40 waren Kandidaten für politische Posten wie Bürgermeister. 29.000 Menschen starben im vergangenen Jahr nach Behördenangaben durch Gewalt. (picture alliance / dpa / Diego Aguilar Caudillo)
    Ein Mord zur besten Sendezeit: Ein Mann erschießt einen Bürgermeisterkandidaten. Der mexikanische Fernsehmoderator beschreibt die Bilder, die eine Überwachungskamera aufgezeichnet hat: "Er kam gerade von einer Diskussionsrunde in der Universität von Coahuila. Man sieht, wie sich der Mörder dem Kandidaten von hinten nähert. Ohne irgendetwas zu sagen, holt er die Waffe raus und schießt ihm direkt in den Kopf. Dann geht er weg. Gefasst wurde er nicht. Die Bilder sind schlimm."
    Bilder, die in Mexiko alltäglich sind. Mehr als 120 Politiker wurden im Wahlkampf ermordet, mehr als 40 waren Kandidaten für politische Posten wie Bürgermeister. 29.000 Menschen starben im vergangenen Jahr nach Behördenangaben durch Gewalt. Noch nie in der Geschichte war die Zahl so hoch. Doch die ersten Monate dieses Jahres haben alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt: Noch einmal stieg die Zahl der Morde um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Wahljahren nehme die Gewalt zu, sagen Experten, weil Wahlen Verunsicherung über künftige Machtkonstellationen auslösen.
    Und es geht um viel Macht: 3.406 politische Posten werden neu besetzt. Neben dem Präsidenten sind das Parlamentsabgeordnete, Senatoren und Bürgermeister. Die organisierte Kriminalität versucht, ihren Einfluss zu sichern. Wer nicht mitspielt oder zwischen die Fronten gerät, bekommt eine Kugel. Es trifft alle und im Wahlkampf besonders: Politiker, Bürgermeisterkandidaten, Journalisten und Priester.
    Drogenbanden stecken ihr Terrain ab
    Das sei das Metallgesetz, Silber oder Blei, bringt es der Soziologe Felipe Gaytán auf den Punkt. Silber steht für Geld, Blei für Kugeln. Vor allem in ländlichen Regionen Mexikos, in denen der Staat nicht mehr für die Sicherheit seiner Bürger sorgt, regiert die organisierte Kriminalität nach dieser einfachen Regel: Entweder du stehst auf unserer Seite, oder du stirbst.
    Oft gilt das auch für Geistliche. 26 starben in den vergangenen knapp sechs Jahren. Die Brutalität nimmt zu. Verbrecherbanden senden damit das Signal, dass ihnen nichts mehr heilig ist, wie Hochschullehrer Felipe Gaytán sagt.
    Dass im Wahlkampf mehr Geistliche, Bürgermeisterkandidaten und Journalisten ermordet werden als sonst, habe nicht das Geringste mit politischen Programmen oder Ideologien zu tun, sondern liege allein daran, dass die Drogenbanden ihr Terrain abstecken wollten.
    "Für sie ist wichtig, dass niemand gewählt wird, der ihre Machenschaften einschränkt. Sie fördern den, der ihnen nützlich ist, und die Kirche kann dabei behilflich sein. Wenn nicht, dann wird diese Person aus dem Weg geräumt. Ein Bischof im Bundesstaat Guerrero hat es geschafft, mit den Kartellen einen Deal auszuhandeln, damit sie im Wahlkampf keine Priester oder Bürgermeisterkandidaten mehr umbringen."

    Wirksame Strategien gegen die Unsicherheit fehlen. Auch die vier Präsidentschaftskandidaten präsentieren keine neuen Ideen. Als Chefin der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung analysiert Birgit Lamm die mexikanische Politik schon seit viereinhalb Jahren.
    "Was die Leute brauchen, ist jetzt eine Verbesserung der Situation. Die wollen wieder auf die Straßen gehen können und wissen, sie kommen abends wieder nach Hause. Und ich habe von keinem Kandidaten ein vernünftiges Mittel gesehen. Und andere schlagen dann die Todesstrafe für bestimmte Delikte vor. Aber wenn man eine Straflosigkeit von 98 Prozent hat, das heißt, es werden überhaupt nur zwei Prozent aller Delikte angezeigt und davon kommt nur ein Bruchteil vor Gericht, also dann bringt das höhere Strafmaß auch nichts, weil die Leute überhaupt nicht gefasst werden, die solch ein Delikt begehen. Also. Das ist auch nicht die Lösung. Ich glaube, da muss man wirklich einen konzertierten Ansatz haben, den die Regierung und die Parteien, aber vor allen Dingen auch aus der Zivilgesellschaft selber kommen muss. Das kann kein Präsident und kann keine Regierung alleine machen. Und ich denke, da muss auch von außen außen, von der internationalen Gemeinschaft einiges an Druck aber auch an Hilfe und Unterstützung kommen, damit das passiert."
    Journalisten gehen auf die Straße nach der Ermordung des Journalisten Javier Valdez - im Hintergrund ein Plakat des Opfers
    Journalisten gehen auf die Straße nach der Ermordung des Journalisten Javier Valdez. Er wurde bei Tageslicht in der Nähe seines Büros erschossen. (AFP / Julio Cesar AGUILAR)
    Justiz und Polizei sind korrupt und ineffizient
    Ein Grundproblem in Mexiko sind die schwachen Institutionen. Justiz und Polizei sind korrupt und ineffizient. Als der mit über 20 Prozentpunkten führende der vier Präsidentschaftskandidaten, der linke Andrés Manuel López Obrador, Spitzname AMLO, im Wahlkampf ankündigte, er wolle eine Amnestie für Bandenchefs, zerriss ihn der politische Gegner. In einem Spot treibt es José Antonio Meade, Kandidat der regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution/PRI, auf die Spitze.
    "Was hat AMLO jetzt schon wieder gesagt?"
    "Dass er die Narcos rauslassen und ihnen vergeben will, und was weiß ich noch. Stell' Dir vor, was das werden soll. Ich habe Angst."
    "Hab' keine Angst! Meade wird gewinnen."
    "Vertrau' mir! Ich werde Dein Präsident. Mit mir bleiben Verbrecher im Gefängnis. Und Mexiko wird in Frieden leben."
    José Antonio Meade, der laut Umfragen chancenlose Kandidat der Regierungspartei, will das schaffen, was Präsident Enrique Peña Nieto in den sechs Jahren seiner Amtszeit nicht gelungen ist: Mexiko befrieden.
    Alle Kandidaten versprechen wahllos das Blaue vom Himmel, blühende Landschaften, eine florierende Wirtschaft, die Armut senken. Dabei sind sie programmatisch kaum zu unterscheiden, wie der Schriftsteller Juan Villoro kritisiert.
    "Den Parteien fehlt eine klare Ideologie. Um an die Macht zu kommen, haben sie Allianzen geschlossen, die mit Prinzipien oder politischer Überzeugung nichts zu tun haben. So gibt es eine sogenannte "linke" Partei, die mit einer sogenannten "rechten" Partei paktiert. Die Parteien haben kein Programm und die Kandidaten keine genaue Idee, was sie tun werden. Leider hat sich die mexikanische Politik in einen Karneval verwandelt. Jeder tut, als ob er wüsste, was zu tun ist, aber letzten Endes bleibt alles beim Alten."
    Der mexikanische Autor und Journalist Juan Villoro
    Der Journalist Juan Villoro: "Leider hat sich die mexikanische Politik in einen Karneval verwandelt" (picture alliance / dpa / Sergio Goya)
    Die Armut wird von der Politik ausgenutzt
    Und es gibt keine Partei, die nicht tief in die Taschen greift, um Stimmen zu sichern. Die Beschwerden über den Stimmenkauf landen auch auf dem Schreibtisch von Pamela San Martín vom Nationalen Wahlrat. Sie weiß, dass alle Parteien schummeln. Besonders ärgert sie, dass im Wahlkampf Sozialprogramme missbraucht werden, dass damit also nicht die Armut gesenkt, sondern die Macht erhalten werden soll.
    "Fast alle Beschwerden zeigen, dass die großen sozialen Unterschiede ausgenutzt werden. Die Parteien profitieren beim Stimmenkauf von der extremen Armut. Das bedeutet nicht, dass diese Bürgerinnen und Bürger dumm und nicht in der Lage sind, darüber nachzudenken, wer ihre Stimme verdient. Sie handeln aus reiner Notwendigkeit."
    Das mexikanische Armenviertel Tierra Colorada ohne Wasserleitungen.
    Das mexikanisches Armenviertel Tierra Colorada - Leben ohne Wasserleitungen. (Anne-Katrin Mellmann)
    Etwa die Hälfte der Mexikaner lebt in Armut. Die soziale Ungleichheit ist eines der größten Probleme des G-20-Mitglieds, das bisher keine Regierung lösen konnte oder lösen wollte, denn alle Parteien nutzen sie für sich aus. Wieder erlebt Mexiko einen Wahlkampf, in dem alle Kandidaten versprechen, die große Armut zu bekämpfen. Andrés Manuel López Obrador will der Kandidat der Armen und Ausgegrenzten sein.
    "Das Wort hat der Mann, der Frieden will, unser nächster Präsident"
    Schon seit bald anderthalb Jahrzehnten wird Lopez Obrador von seinen Wahlkampfhelfern als baldiger Präsident angekündigt. Schon zum dritten Mal ist er Kandidat.
    López Obrador ist für viele die letzte Hoffnung
    Liebe werde mit Liebe vergolten, gibt er sich volksnah. Das kommt gut an bei den Bewohnern der Stadt Atlixco im Hochland des Bundestaates Puebla. Als Blumenstadt in ewigem Frühling ist sie bekannt; einen Blumenkranz haben sie ihrem ewigen Kandidaten Lopez Obrador, alias AMLO, auf den Kopf gesetzt.
    Von der Wut vieler Wähler, der Enttäuschung, der Politikerverdrossenheit und der weitverbreiteten Apathie ist in diesen Momenten des Wahlkampfes nichts zu spüren.
    Der charismatische López Obrador ist für viele die letzte Hoffnung, für andere wenigstens das kleinere Übel. Nachdem es die beiden bisher regierenden Parteien nicht geschafft haben, Ungleichheit und Unsicherheit zu bekämpfen, gelingt es möglicherweise ihm. Gern übersehen seine Anhänger dabei, dass seine Partei Morena mit einer konservativ-evangelikalen Partei kooperiert. Aber allein die Möglichkeit von Veränderungen reicht vielen schon aus.
    Die Möglichkeit, dass er nicht korrupt ist oder zumindest weniger korrupt als der klassische Machtpolitiker im Land, gibt Hoffnung, dass er sich um die mehr als 50 Millionen armen Mexikanern kümmern wird.
    Schreckgespenst eines zweiten Venezuela oder Kuba an der Wand
    "Heute unterstützen mehr Leute unsere Bewegung, wir sind besser organisiert, und es gibt mehr Interesse an einer wahren Wende, an einer Umgestaltung des Landes."
    Transformation, Umgestaltung, lautet López Obradors Schlachtruf. Aber wie genau er Mexiko umkrempeln will, lässt der Kandidat offen. Seine Gegner malen - wie schon in früheren Wahlkämpfen - das Schreckgespenst eines zweiten Venezuela oder Kuba an die Wand.
    Ein namhafter Unternehmer und einer der reichsten Männer Mexikos hat seine Arbeiter per Whatsapp sogar vor Jobverlust gewarnt, sollte der Kandidat von Morena gewinnen. Die Angstkampagne verfängt dieses Mal allerdings kaum: die Umfragen sehen López Obrador bei rund 50 Prozent.
    Für den Schriftsteller Juan Villoro ist klar: Wer López Obrador wählt, hat genug von der regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution PRI, von Gewalt und Unsicherheit.
    "Egal, wer die Wahl gewinnt: Viel wird sich nicht ändern. Es ist übertrieben, sich vor López Obrador zu fürchten. Noch übertriebener ist es aber, alle Hoffnungen auf ihn zu setzen. Ohne die Mehrheit im Kongress - mit vielleicht gerade drei Bundesstaaten, die seine Partei gewinnt -, wird es schwer für ihn, ein so großes Land wie Mexiko mit 31 Bundesstaaten zu regieren. Das könnte er per Dekret, aber da gibt es klare Grenzen. Als López Obrador Bürgermeister von Mexiko-Stadt war, unterschied er sich nicht wesentlich von seinen Vorgängern der PRI, der Partei der Institutionalisierten Revolution. López Obrador hat Allianzen mit völlig gegensätzlichen Sektoren gebildet. Das schränkt seinen Spielraum stark ein."
    Freund der Unternehmen
    López Obrador hat sich längst mit Unternehmerverbänden und Investmentbanken verständigt. Eine wirtschaftsfeindliche Politik ist von ihm nicht zu erwarten. Als Bürgermeister der Millionenmetropole Mexiko-Stadt hatte er zwischen 2000 und 2005 bewiesen, dass er ein Freund der Unternehmer ist: Er investierte in gigantische Infrastrukturprojekte - der Stadtautobahn hat er ein zweites Stockwerk aufsetzen lassen.
    Das marode historische Zentrum vertraute er dem reichsten Mexikaner Carlos Slim an, der es mit Milliardeninvestitionen aufpolierte. Wenn AMLO gefragt wird, wie er das Land verändern und woher er das Geld für die Armutsbekämpfung nehmen will, antwortet er gebetsmühlenartig:
    "Ich bin gegen Korruption. Ich stelle mich der Mafia, der Macht entgegen, die keine moralischen Skrupel hat. Um die zu bekämpfen, muss ich konsequent sein. Ich habe keinen Besitz, auch wenn das diesen Korrupten unglaublich erscheint, ich habe keine Bank-Schecks, keine Kreditkarte. Ich bin nicht korrupt."

    500 Milliarden Pesos koste die Korruption das Land jährlich, etwa 22 Milliarden Euro. Seine einfache Rechnung: Er beseitigt die Korruption, behält dadurch diese 500 Milliarden Pesos, mit denen er dann seine vielfältigen Wahlversprechen erfüllt. Und die neue Präsidenten-Boeing verkauft er wieder und verzichtet auf die Hälfte seines Gehaltes.
    Der ewige Kandidat der Linken: Andrés Manuel López Obrador
    Der ewige Kandidat der Linken: Andrés Manuel López Obrador, genannt AMLO (picture alliance / dpa / Alex Cruz)
    Die Wiedergeburt Mexikos verspricht López Obrador, Populismus nennen das seine Gegner. Sie halten ihm Kungeleien mit befreundeten Unternehmern und undurchsichtige Wahlkampffinanzierung vor. Da jedoch alle im Glashaus sitzen, sind die Steinwürfe überschaubar. In einer der drei Fernsehdebatten, als sich die vier Kandidaten gegenseitig vorwerfen, korrupt zu sein, geht Ricardo Anaya von der konservativen Partei der Nationalen Aktion López Obrador frontal an und fragt ihn, ob er seine Kandidatur zurückzöge, wenn er Beweise für dessen korruptes Verhalten liefere.
    "Ich bin nicht korrupt wie Du", kontert Lopez Obrador wörtlich.
    "Kultur der Korruption"
    Die Stiftungschefin Birgit Lamm hält es für unwahrscheinlich, dass López Obrador wirklich gegen die "Mafia der Macht", wie er sie nennt, vorgehen wird. Er habe zu viele Politiker um sich geschart, die unter Korruptionsverdacht stehen.
    "Ich glaube nicht, dass das realistisch ist, weil das in vielen Bereichen einfach die Art und Weise ist, wie man in Mexiko außerhalb der Familie Geschäfte macht. Es geht darum, persönliche Loyalitäten zu pflegen; es geht darum, Gefallen zu tun oder darum, persönlich zu profitieren, und das ist schon fast eine Kultur. Also, man muss nicht selber korrupt sein, aber jeder in diesem Land, auch ich, wir alle, leben in einer Kultur der Korruption. Das zu ändern, ich glaube, da reicht nicht der Präsident, sondern das muss einfach ein Mentalitätswechsel in der Bevölkerung sein. Da gibt es Ansätze, aber die kommen aus der Zivilgesellschaft. Wo wirklich Leute auf die Straße gehen und sich dafür einsetzen, Transparenz zu schaffen und Korruption nicht mehr in der Weise zuzulassen, wie sie bisher passiert."
    So ist die sechsjährige Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto von einem Korruptionsskandal überschattet: Ein Unternehmen, das von lukrativen Aufträgen profitiert hatte, als Peña Nieto noch Gouverneur war, schenkte dessen Frau eine Sieben-Millionen-Dollar-Villa. Angeblich hatte sie dem Unternehmen das Anwesen abgekauft.
    Das ist unglaubwürdig, weil die Dame ihren Lebensunterhalt vor der Ehe mit dem Präsidenten als Seifenoperndarstellerin bestritten hatte. Als dieser klare Fall eines Interessenskonfliktes aufflog, veranlasste Peña Nieto selbst eine Untersuchung - vorgenommen von handverlesenen Experten, die zu dem wenig überraschenden Ergebnis gelangten, dem Präsidenten sei nichts vorzuwerfen. Solange solche Beispiele Schule machen, solange Straflosigkeit herrscht, kann Korruption weiter gedeihen.
    AMLO ist eine Überraschungstüte
    Der Kandidat Andrés Manuel López Obrador will deshalb auch mit den schwachen Institutionen aufräumen: "Wir werden diese Spinnweben, die sie uns in die Köpfe gesteckt haben, herausreißen. Sie wollen, dass wir ihre Institutionen respektieren. Aber die an ihren Spitzen stehen, haben keinen Respekt vor dem Volk und der Verfassung. Deswegen sage ich, auch wenn das meinen Gegnern nicht gefällt 'Zum Teufel mit euren Institutionen!'"

    Ist AMLO, also Andrés Manuel López Obrador, ein mexikanischer Trump, der verspricht, das Establishment vom Hof zu jagen? Oder populistisch wie seine Gegner, die von unrealistischen Benzinpreissenkungen bis zum Grundeinkommen alles versprechen, was Stimmen bringt?
    Mexikos Präsident Peña Nieto am 9. November 2016.
    Mexikos Präsident Peña Nieto hat wohl keine Chance auf eine Wiederwahl (dpa / picture-alliance / Jorge Nunez)
    AMLO ist eine Überraschungstüte. Das Bündnis, für das er antritt, enthält Strömungen von progressiv-links bis konservativ-religiös. Die Partei Soziale Begegnung ist gegen Homo-Ehe und Abtreibung. AMLOs Weltanschauung sei religiös geprägt, meint Religionswissenschaftler Felipe Gaytán. Es sei klar herauszuhören, dass AMLO zu den Adventisten gehöre.
    "Er hat seinen Glauben nie offen gezeigt. In der Regel sind mexikanische Politiker katholisch oder gehören den Freimaurern an. Die Adventisten bereiten sich auf die zweite Ankunft des Messias vor und sehen es deshalb als ihre moralische Aufgabe an, die Welt zu verbessern. Auch deshalb ist sein Diskurs nicht politisch, sondern basiert auf moralischen Werten. Er spricht vom "guten Volk" und sieht sich selbst als der Messias. Seit einigen Jahren wird er der "Messias der Tropen" genannt. Für ihn steht das religiöse Prinzip über dem politischen."
    Kaum Erwartungen an nächsten Präsidenten
    Andrés Manuel López Obrador setzt auf den starken Glauben der Mexikaner. Immer mehr wenden sich evangelikalen Gemeinden zu, aber noch sind mehr als 80 Prozent katholisch. Ansprechend-positiv klingt für sie der Name von AMLOs Partei: Morena - die Dunkelhäutige. Das steht in Mexiko nur für eine: die Heilige Jungfrau von Guadalupe, Schutzpatronin des Landes. Eine heilbringende, liebliche Morena.
    Das Gegenteil des derzeitigen PRI-Präsidenten Enrique Peña Nieto, der als korrupt und unfähig wahrgenommen wird. Seine Zustimmungswerte dümpeln nur noch im einstelligen Bereich.
    Die Lebensbedingungen der Mexikaner haben sich nicht verbessert. Auch wegen des weiterhin ungerechten Bildungssystems, das nur Reichen auf Privatschulen Karrierechancen gibt, bestehen Ungleichheit und Armut fort. Die katastrophale Sicherheitslage, Straflosigkeit, Armut, soziale Ungleichheit und Korruption sind Mexikos größte Probleme geblieben.
    Ein "Weiter so" sollte es mit niemandem geben, doch trauen die Mexikaner ihren Politikern kaum noch Veränderungen zu. Vertrauensverlust und Politikerverdrossenheit haben ein verheerendes Ausmaß angenommen. Einige wählen nur, weil sie dafür bezahlt werden. Wer auch immer Präsident Mexikos wird - und das ist das Traurigste - die Erwartungen an ihn sind nicht hoch.