"Was für eine Rakete war es? Was hat sie mit den Menschen an Bord gemacht? Endlich erfahren wir, was wirklich passiert ist. Es wird schrecklich sein, das zu hören, manche von uns wollen es gar nicht so genau wissen. Aber es ist wichtig, nur so kommen wir in unserer Trauer weiter, nur so können wir die Verluste bewältigen."
Es wird ein schwerer Tag werden für die Hinterbliebenen, darüber ist sich auch Evert van Zijtveld im Klaren, Vorsitzender der Stiftung "Flugzeugabsturz MH 17". Der Niederländer und seine Frau haben bei dieser Katastrophe ihre beiden Kinder Robert-Jan und Frederique verloren, 18 und 19 Jahre alt sind sie geworden. Die beiden waren mit den Großeltern, die ebenfalls ums Leben kamen, auf dem Weg in die Ferien nach Indonesien. "Die Reise war ein Geschenk von Oma und Opa", so van Zijtveld:
"Bislang waren wir auf Spekulationen angewiesen. Von denen wurden wir regelrecht überspült. Doch der Abschlussbericht, der ist objektiv. Jetzt geht es um Tatsachen."
Vier Fragen will die Sicherheitsbehörde OVV in ihrem Abschlussbericht klären:
Erstens: Warum flog die MH17 über Konfliktgebiet?
Zweitens: Warum mussten die Angehörigen zum Teil bis zu vier Tage warten, bis sie sicher wussten, dass es tatsächlich ihre Eltern, Kinder oder Enkel waren, die sich an Bord befanden?
Drittens: Inwiefern haben die Passagiere etwas von der Katastrophe mitbekommen und gelitten?
Viertens: Was ist die Absturzursache?
Laut Zwischenbericht vom letzten Herbst können menschliches und technisches Versagen sowie ein Terroranschlag ausgeschlossen werden: Das Flugzeug sei während des Fluges in mehrere Teile zerbrochen, so der OVV-Vorsitzende Tjibbe Joustra damals. Eine große Anzahl von Objekten müsse die Maschine mit hoher Geschwindigkeit von außen durchbohrt haben.
Strafrechtliche Ermittlungen laufen seit Monaten
Alles weist also darauf hin, dass die Boeing von einer Buk-Rakete abgeschossen wurde. Aber wo war sie stationiert? Und von wem wurde sie bedient? Waren es prorussische Separatisten, die die Rakete von den Russen bekommen hatten? Oder wurde sie, wie die russische Regierung behauptet, von ukrainisch kontrolliertem Gebiet aus abgeschossen?
Die Schuldfrage aber wird heute noch nicht geklärt. Das ist Aufgabe eines internationalen Expertenteams unter niederländischer Leitung. Die strafrechtlichen Ermittlungen laufen seit Monaten und sollen Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Mehr als 100 Zeugen wurden bereits verhört, Radarbilder, Telefonmitschnitte und Satellitenaufnahmen ausgewertet, berichtet der leitende Staatsanwalt Fred Westerbeke:
"So wie bei allen strafrechtlichen Ermittlungen brauchen wir auch in diesem Falle Menschen, die alles aus nächster Nähe miterlebt haben. Menschen, die bereit sind auszusagen. Das kann Risiken mit sich bringen. Es wird uns noch einige Zeit kosten, Zeugen zum Reden zu bewegen und die Wahrheit auf den Tisch zu bekommen. Die Suche nach Menschen, die mehr wissen, ist noch in vollem Gange."
Die mutmaßlichen Täter hätten die Niederlande am liebsten vor ein UN-Tribunal gebracht, das mit einer entsprechenden Resolution speziell zu diesem Zweck hätte eingerichtet werden können. Auch die vier anderen betroffenen Länder Malaysia, Australien, Belgien und die Ukraine wären damit einverstanden gewesen. Doch die Russen haben ein Veto eingelegt.
Als Alternative wird Den Haag nun höchstwahrscheinlich versuchen, zusammen mit den vier anderen Ländern ein eigenes Tribunal, also ohne UN-Resolution, einzurichten. In einem neutralen Land. Dieses Gericht müsste dann aus Vertretern der betroffenen Länder zusammengesetzt werden.
Den Angehörigen der Opfer ist es egal, in welcher Form den mutmaßlichen Tätern der Prozess gemacht wird. Hauptsache, sie werden zur Rechenschaft gezogen, sagt der Vorsitzende der Stiftung MH17 Evert van Zijtveld:
"Das ist der nächste Schritt. Es wäre eine Schande, wenn sie straffrei davon kämen."
Eines allerdings steht jetzt schon fest: Das bilaterale Verhältnis zwischen Moskau und Den Haag wird sich weiter verschlechtern. Obwohl es heute in den Niederlanden gar nicht um die Schuldfrage geht, will Russland in Moskau seine eigene Simulation des Absturzes präsentieren und russische Experten zu Wort kommen lassen. Die sollen beweisen, dass die Ukraine dafür verantwortlich ist, dass Flug MH17 mit fast 300 Menschen an Bord vom Himmel geschossen wurde.