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MH370
Spurensuche in Toulouse

Im französischen Toulouse-Balma wird das Flugzeugwrackteil untersucht, das am Strand von La Réunion angespült wurde und möglicherweise vom verschollenen Flug MH370 stammt. Die Auswertung wird Zeit in Anspruch nehmen. Nicht zuletzt die Angehörigen der verschollenen Maschine hoffen nun auf Erkenntnisse über das, was vor über einem Jahr passiert ist.

Von Ursula Welter | 05.08.2015
    Vier Männer tragen ein Wrackteil.
    Die Flügelklappe einer Boing 777 war in der vergangenen Woche auf La Réunion entdeckt worden. (picture alliance/dpa/Raymond Wae Tion)
    Ein Strand im Nordosten der Insel La Réunion, französisches Territorium im Indischen Ozean, Gendarmen umkreisen und begutachten ein etwa zwei Meter langes Wrackteil, es ist der 29. Juli 2015. "Gegen 9 Uhr an dem Tag habe ich das Stück gefunden", schildert der Mann, der am Strand auf den Gegenstand gestoßen war. Ein Gegenstand, der womöglich helfen kann, das Geheimnis um das Verschwinden des Flugzeugs Malaysia Airlines 370 von Kuala Lumpur nach Peking zu lüften.
    "Es gibt drei Hypothesen"
    "Eines der größten Geheimnisse der Lufttransportgeschichte", wie der frühere Air-France-Pilot Gérard Feldzer Anfang März im Sender France Info sagte. Da war es gerade ein Jahr her, dass die Boeing 777 von den Radarschirmen verschwunden war. In Kuala Lumpur am 08.03.2014 planmäßig gestartet, 239 Menschen an Bord, verliert sich die Spur der Maschine, sie sendet keine Signale mehr, auch die Datentransponder schweigen.
    "Es gibt drei Hypothesen", meint der Pilot Feldzer, "Selbstmord, Attentat, mechanisches Problem."
    Aber Beweise für das ein oder das andere gibt es bislang nicht, die Suchregionen wurden mehrfach gewechselt, zwölf Nationen sind permanent an der Suche beteiligt, Satellitenaufnahmen werden ausgewertet, auch Frankreich schickt Militär- und Luftfahrtexperten, denn vier Franzosen waren an Bord - mal tauchen Kerosinfelder auf, mal werden Wrackteile auf hoher See entdeckt, aber keine haltbare Spur ist darunter, immer wieder falscher Alarm - dass das Flugzeug noch lange flog, ohne Signale zu senden, das vermuten die Experten recht bald. Es wird rund um Malaysia gesucht, dann vor den Küsten Australiens, die Spur verliert sich aber im Indischen Ozean.
    Und jetzt das Wrackteil am Strand von La Réunion, weit westlich. Der Meereskundler Roland Troadec zeigt Journalisten des französischen Fernsehens den Küstenstreifen:
    "Angesichts der subäquatorialen Strömung, der starken Bewegung des Meeres, ist die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Gegenstände hier angespült werden, sehr, sehr gering." - "Die Insel ist in diesem Ozean nicht größer als ein Stecknadelkopf, das ist wirklich außergewöhnlich, dass ein Wrackteil hier anlandet."
    Frankreich untersucht das Wrackteil
    Das Wrackteil befindet sich inzwischen im französischen Mutterland. Da La Réunion französisches Überseegebiet ist und da die französische Justiz bereits Verfahren eingeleitet hatte, weil Landsleute an Bord der verschollenen Maschine waren, zog Paris nun auch diese Untersuchung an sich.
    Mit den malaysischen und den australischen Behörden wurde das weitere Vorgehen bei einer Sitzung im französischen Justizministerium am Montagnachmittag koordiniert. Ab heute richten sich alle Augen auf das Forschungszentrum DGA-TA (Centre générale de l'armement-techniques aéronautiques DGA-TA), einem Speziallabor, das dem Verteidigungsministerium untersteht.
    "Wir werden vom Flugzeugbauer die Pläne anfordern, die Ausmaße und das Material des Stückes überprüfen", erklärte der frühere Direktor der Forschungseinheit, Pierre Bascary, als das zwei Meter lange Wrackteil noch mit einem Sondertransporter auf dem Weg von La Réunion nach Toulouse war, in den östlichen Vorort Balma, in dem das militärische Spezialinstitut angesiedelt ist:
    "Anhand des Stücks lässt sich sagen, ob es ein Feuer an Bord gab, ob es eine Explosion gab, all das wird untersucht werden, und damit wird es Anhaltspunkte geben, in welchem Zustand das Flugzeug auf das Wasser aufgeschlagen ist", sagt der Luftfahrexperte Bertrand Vilmer im französischen Fernsehen.
    Das Institut nahe Toulouse wurde 1949 gegründet. Das dazugehörige Labor ist eines der wichtigsten Zentren für Prüfungen dieser Art in der zivilen und militärischen Luftfahrt, es befasst sich mit "Analysen von Material, Einzelteilen und Systemen nach Unfällen und Zwischenfällen in der Luftfahrt", wie die Internetseite verrät. In Fällen wie diesen, in denen alle Fragen offen sind, werden die Experten in Balma von der französischen Behörde für Luftsicherheit, der BEA, mit der Analyse beauftragt.
    Auswertung wird Zeit in Anspruch nehmen
    In diesem Fall wird nun zunächst geklärt werden, ob der Gegenstand, wie von den malaysischen Behörden bereits öffentlich gesagt, tatsächlich von einer Boeing 777 stammt - nur ein Flugzeug dieser Bauart ist derzeit weltweit verschollen: der Flug MH370 Kuala-Lumpur/Peking vom 8. März 2014. Danach, und deshalb wird die Auswertung in Toulouse-Balma Zeit in Anspruch nehmen, geht es an die Detailarbeit, die Wissenschaftler werden sich mit chemischen und mikroskopischen Verfahren Millimeter für Millimeter vornehmen.
    Die Angehörigen der 239 Verschollenen bangen mit, sie wollen vor allem Gewissheit. An den Stränden von La Réunion suchen die Bewohner unterdessen weiter nach Beweisstücken, Schatzsuchern gleich. Gerüchte schießen ins Kraut, ein Mann hält ein Metallstück hoch, vielleicht das Teil einer Flugzeugtreppe?
    Der Fischer sagt, wir halten die Augen offen, schauen in alle Richtungen, mit der Strömung wird bestimmt noch etwas angespült, sehr bald schon.