Archiv

Michael Buthe im Haus der Kunst in München
Kunst ist Leben ist Kunst

Derzeit sind gleich zwei Ausstellungen von Michael Buthe in München zu sehen. Die eine, eine Retrospektive des extrovertierten Künstlers, war zuvor schon in Luzern und in Gent zu sehen. Die andere Schau zeigt Arbeiten Buthes aus der Sammlung Goetz.

Von Julian Ignatowitsch |
    Das Haus der Kunst in München
    Das Haus der Kunst in München (dpa / pa / Gebert)
    Der Prinz und sein Schloss. Ein Foto zeigt Michael Buthe, diesen Meister der Selbstinszenierung, in dem von ihm geschaffenen und so benannten "Tempel": Aufreizend lässig steht er da, ganz in Rot gekleidet, vor einer weiß-blauen Sternenwand. Sein Blick geht scheinbar wissend gen Erde, dort glüht ein Schälchen Weihrauch, die rechte Hand steckt in der Hosentasche, mit der Linken, in der sonst (auf anderen Fotos) die Zigarette glimmt, umfasst er eine Frau.
    Ingvild Goetz: "Michael war eine sehr außergewöhnliche Persönlichkeit. Jemand der immer wieder die Grenzen überschreiten musste im positiven Sinne und alles im Leben probiert hat und das künstlerisch umgesetzt hat. Klar, er ist der König! Wenn er kam mit seinen schönen Gewändern, dann verblasste alles um ihn herum."
    Sie, die Frau, das ist Ingvild Goetz, Sammlerin, Kuratorin und eine langjährige Freundin des so extrovertierten Künstlers, dem jetzt in München die beiden Ausstellungen gewidmet sind:
    Die erste in der Sammlung Goetz ist ein persönlicher Blick – eben der von Ingvild Goetz – auf den Mensch und den Mythos Michael Buthe, wie sie ihn erlebte, wie er sich (und andere) darstellte. Fotos: Buthe im Kreis der Freunde, beim Bau des erwähnten Tempels, die Hippie-Bewegung ist noch sehr präsent. Daneben Tagebuchskizzen von dämonischen Gestalten und fremden Welten: Hier ein Menschenaffe mit hervortretenden Pupillen und ausgestreckter Zunge, dort ein buntes Südseeidyll, das sich in abstrakten Linien auflöst. Gleich am Beginn der Ausstellung hängt eine gelbe Scheibe, umrandet von schwarzen Federn an der Wand: die Federsonne.
    Märchenerzähler und mystische Künstlerperson
    Hier lernt man ihn also kennen, den Sonnenkönig und Exoten Buthe, der zwischen Köln und Marrakesch lebte, der Reisen nach Indien, Schwarzafrika und in den Nahen Osten unternahm, der sofort fasziniert war von den Rätseln und Bräuchen des Orients und sie in seinen Werken bis ins Klischeehafte hinein verarbeitete. Sein Atelier wurde zum Märchenschloss, und er selbst trat als Märchenerzähler auf, nicht nur in seinen Bildern.
    "Michael konnte wunderbare Geschichten erzählen, manche stimmten, manche stimmten nicht. Man wusste nie, welche existieren wirklich und welche nicht. Von denen habe ich mich immer sehr verzaubern lassen. Und wenn dann jemand sagte: 'Das stimmt ja gar nicht', habe ich mich immer sehr geärgert, weil es egal war, ob sie stimmten oder nicht. Es war einfach Zauber, den er verbreitete."
    Ausgehend von der mystischen Künstlerperson Buthe begreift man dann auch die zweite, die große Schau im Haus der Kunst, eine Retrospektive, besser. Das Frühwerk der 60er-Jahre kommt reduziert und minimalistisch daher: Stoffbilder, feine Skizzen, weiche Farben hängen in Fetzen von der Wand. Es ist eine akademisch beeinflusste Kunst, die die zeitgenössische Askese der Minimal Art und Arte Povera wiedergibt.
    Der Umbruch folgt dann in den 70er-Jahren. Plötzlich leuchten die Farben auf großen Flächen: Blau, Rot, Gelb wie im – der Name verrät alles – Gemälde Marrakesch. Buthe arbeitet mit neuen Materialien und Techniken, mischt Wachs und Erde auf die Leinwand, collagiert Federn und Palmwedel dazu oder arbeitet direkt auf Türen und Fenstern. Überall funkeln Sterne, glänzt das Gold, leuchten Kupfer und Bronze. Der Künstler hat eine neue Welt entdeckt:
    "Er fand das ganz wichtig mit den Magiern, Wahrsagerinnen, Hexen und Gauklern zusammenzuleben, hat dort ein kleines Zelt aufgeschlagen, wo die lebten, um ganz in deren Welt einzutauchen – und das spürt man in den Werken."
    Natürlich ist Buthes Orientalismus, das besagt ja bereits der Begriff, ein Klischee, ein Zerrbild von einer verzauberten, sinnlichen, fremden Welt. In den 80er-Jahren treibt der Künstler dieses Motiv bis hin zum Kitsch. Das zweiteilige Gemälde "Fatimas letztes Geheimnis" oder die begehbare Installation "Taufkapelle mit Mama und Papa" testen die Grenzen aus und sind mit dem Verstand nur schwer zu erfassen.
    Spürbarer Buthe-Sog im Haus der Kunst
    Man muss ihn spüren, diesen magischen Buthe-Sog, der einen durch die Ausstellung zieht, mit all dem glitzernd-flirrenden Popanz und der Vorliebe fürs Okkulte und Schamanische. Dann im letzten Raum, bei der Installation "Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit", hat man das Gefühl, angekommen zu sein: Eine Kerzenspirale mit zwei Goldovoiden in der Mitte, darum herum 14 Ritzzeichnungen von menschlichen Silhouetten auf Kupfertafeln. Das Exaltierte, Parfümierte ist weg, das Magische geblieben – Orient und Okzident, Himmel und Erde, Traum und Realität scheinen vereint. Der Prinz ist zum König geworden, und sein Palast steht auch 22 Jahre nach seinem Tod noch in voller Pracht.