Das vielköpfige Ensemble bringt in deftiger Kostümierung das Kondensat der Binnengeschichten von Michael Ende in turbulente Bewegung: prachtvoll ausgestopfte Bäuche und Busen, vier Vogelstrauße mit Reitern, ein Monster von Felsbeißer und ein wandelndes Irrwindlicht, der Glücksdrachen Fuchur als Papier-Großtat, die uralte Schildkröte Morla wie ein Pizza-Ofen, die Hofschranzen der kränkelnden Kindlichen Kaiserin mit hohen weißen Ägypter-Hüten; überhaupt Kopfschmuck von der Pickelhaube bis zum Punk-Hahnenkamm erfüllen den Rahmen, der sich hinter der letzten Seite des unendlichen Buchs auftut.
Michael Schulz, Oberspielleiter in Weimar, sorgt für zwei Stunden pralles Bühnentreiben, in dessen Mittelpunkt sich Marietta Zumbüldt als Atréju bewegt, als grünhäutiger und wuschelköpfiger Retter der von den weißen Wolken des Nichts bedrohten Fantasy-Welt. In der Bühnen-Version entpuppt sich die mit viel schöner Cantilene begabte Parsifal-Figur als Kindliche Kaiserin, in die sich Balthasar verliebt und damit endgültig in die unendliche Geschichte involviert. Da spätestens tendiert der Versuch eines modernen Märchens zum heillosen Kitsch.
Formal gesehen hat Siegfried Matthus ein Werk in der Tradition der Opéra comique geschaffen, das mit seinen gesprochenen Mono- und Dialogen, aber auch durch die Nummern-Struktur auf das vor-romantische Musiktheater verweist. Die Partitur ist generell von den Stimmen her und tonal konzipiert (das ganze Unternehmen auf die sang- und klangvolle Vokal-Behandlung hin ausgerichtet); Vocalisen durchziehen die musikalische Wegbegleitung durch Fantásien. Längere Partien lichter Musik, die sich auf die hohen Holzbläser stützen, werden von den kurzen Schreckmomenten kontrastiert, die mit dem Werwolf Gmork des Wegs kommen. Aufgehoben im Matthus-Tonsatz findet sich manches Erbstück aus dem Fundes dessen, was vor 1989 als "neue Kammermusik der DDR" galt. Überhaupt kann es einem so vorkommen, als lebe deren Geist fort mit dieser Oper, die gerne die Nachfolge von Humperdincks "Hänsel und Gretel" antreten würde - als modern-individualisiertes Märchen im Kleid einer kunstgewerblich schönen Musik.