Christoph Heinemann: Das heitere Berufe-Raten ist vorerst beendet. Gestern hat Angela Merkel die Namen des CDU-Teils einer möglichen schwarz-roten Bundesregierung bekanntgegeben. Zwei Überraschungen: Die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Anja Karliczek soll Bildungsministerin werden und Jens Spahn rückt in die Ministerriege ein. Er ist als Bundesgesundheitsminister gesetzt. Damit hat Angela Merkel zwei Aufgaben gelöst: Die Ministerinnen und Minister sind jünger und die Kanzlerin hat auch einen Kritiker ihrer Migrationspolitik zu Amt und Würden verholfen.
Heute trifft sich die CDU zum Parteitag in Berlin. Die Delegierten stimmen über den Koalitionsvertrag ab und Annegret Kramp-Karrenbauer soll zur Generalsekretärin gewählt werden. Am Telefon ist der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und vormalige stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs, Guten Tag!
Michael Fuchs: Guten Tag, Herr Heinemann. Ich grüße Sie.
Heinemann: Herr Fuchs, einige Ihrer Parteifreunde vermissen das Konservative in der CDU. Können Sie das verstehen?
Fuchs: Ich weiß nicht. Man muss dann mal definieren, was konservativ ist.
Heinemann: Tun Sie's!
Fuchs: Konservativ ist zum Beispiel für mich, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt fahren und nicht zukünftige Generationen belasten mit Problemen, die wir heute zu lösen haben. Das hat Wolfgang Schäuble in den letzten vier Jahren bewiesen, dass das sehr konservativ umgesetzt wurde. Wir haben keine Neuverschuldung mehr.
Wir haben auch Planungen in der neuen Koalition, dass das so weitergeführt werden soll, und die Bundeskanzlerin ist immerhin die Bundeskanzlerin und hat die Richtlinienkompetenz. Sollte der eventuelle zukünftige Finanzminister Scholz da über die Stränge schlagen, dann wird sie ihn schon zurückweisen. Davon gehe ich einfach mal aus. Das sind für mich konservative Dinge, die zeigen, dass die CDU schon weiß, was sie will.
Ich halte es auch für notwendig und richtig, dass wir in dem Bereich Innen jetzt mit Horst Seehofer jemanden haben, der sehr deutlich machen wird, dass wir in dem Bereich Flüchtlinge etc. klare Linien haben. Da muss auch deutlich zurückgeführt werden. Diejenigen, die hier kein Bleiberecht haben, die müssen wieder in ihre Länder zurück, und auch das werden wir umsetzen. Das zeigt, dass die CDU schon noch weiß, was konservativ bedeutet.
"CDU wird Partei der Mitte bleiben"
Heinemann: Bleiben wir mal bei der Flüchtlingspolitik, Herr Fuchs. Was ist genau konservativ und was ist rechts?
Fuchs: Ich glaube, da sollte man sehr vorsichtig sein. Rechts ist die CDU mal mit Sicherheit nicht und da gehört sie auch nicht hin. Die CDU ist Partei der Mitte und das hat sie immer bewiesen und das wird sie auch bleiben.
Heinemann: Konkret in der Frage der Flüchtlingspolitik.
Fuchs: In der Frage der Flüchtlingspolitik geht es für mich um die Umsetzung der Gesetze, die wir haben, und das ist in den letzten Jahren (allerdings im Wesentlichen ja von den Ländern verursacht) nicht in dem Maße gemacht worden, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hätte, Herr Heinemann.
Beispiel: In Rheinland-Pfalz gibt es eine Integrationsministerin namens Spiegel, die sich weigert, Dinge, die Gerichte veranstaltet haben und die Gerichte verurteilt haben, umzusetzen. Das kann nicht der Fall sein und da ist die Bevölkerung mit Recht, ich sage mal, darüber erbost, und das kann nicht so weitergehen. Die Dinge müssen umgesetzt werden. Nur wir haben ja nicht die Macht in allen Bundesländern.
Heinemann: Ihr Hund ist auch erbost, hören wir gerade im Hintergrund.
Fuchs: Das ist so, ja.
Heinemann: Sie haben eben gesagt, Minister Scholz dürfe nicht über die Stränge schlagen. Der Wirtschaftsrat der Union sagt heute ganz klar, noch mehr Geld für allerlei Sozialprogramme (so wie im Koalitionsvertrag vorgesehen) – Ihr Hund ist schon wieder nicht einverstanden –, das geht schon mal gar nicht. Das ist überhaupt keine konservative, auch keine liberale Wirtschaftspolitik. Treibt die Union mit dem neuen Koalitionsvertrag nicht wieder komplett in die falsche Richtung?
Fuchs: Das glaube ich nicht. Ich meine, es sind eine ganze Reihe von Punkten auch im sozialen Bereich, die mir ein Stück weit zu weit gehen, ja. Aber ich meine, wir sind ja nun nicht alleine auf der Welt und wir müssen einen Koalitionsvertrag machen, und die Sozialdemokraten hatten noch ganz deutlich weitergehende Vorstellungen als das, was wir jetzt machen.
Aber trotzdem: Wir müssen sehr aufpassen, dass wir im sozialen Bereich nicht über die Stränge schlagen, denn die Kosten sind ja langfristig, und wenn man sieht, dass heute weit mehr als die Hälfte des Bundesetats bereits in den sozialen Bereich geht, dann muss man da sehr aufpassen. Ich hoffe, dass das dem neuen Wirtschaftsminister, auf den ich setze, gelingen wird.
Braucht Heimat ein Ministerium?
Heinemann: Das heißt, der sollte aufpassen auf den neuen Finanzminister?
Fuchs: So ist es, ja.
Heinemann: Herr Fuchs, benötigt Heimat ein Ministerium?
Fuchs: Na gut, in Bayern scheint das ja erfolgreich zu sein. Markus Söder hat ja eine erfolgreiche Politik damit gemacht. Für mich ist Heimat das, wo ich gerne bin. Das ist mein Deutschland, das ist mein Rheinland-Pfalz, das ist mein Koblenz. Das kann man betonen, muss man aber so, wie es Seehofer betont, vielleicht nicht tun.
Heinemann: Braucht Heimat kein Ministerium, Sie zumindest nicht in Ihrer Heimat?
Fuchs: Ich bin in meiner Heimat zufrieden und glücklich.
Heinemann: Sie haben Seehofer mehrfach angesprochen. Thomas de Maizière hat heute in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, Horst Seehofers künftiges Innenministerium mit den Bereichen zusätzlich Bauen und Heimat, das könnte für einen zu groß sein. Sehen Sie da ein Problem?
Fuchs: Ich gehe mal davon aus, dass Seehofer das packen wird, denn der weiß ja, wie es geht. Er hat ja nun schon auch ein Bundesministerium – damals, wenn ich das richtig erinnere, war er ja mal Gesundheitsminister – geführt. Und er war Ministerpräsident in Bayern. Er hat eine breite Erfahrung. Deswegen traue ich ihm das zu.
Heinemann: Muss ein Verfassungsminister nicht Jurist sein? Seehofer ist es nicht.
Fuchs: Das ist eine Frage. Aber ich meine, in dem Ministerium sind so viele schlaue Beamte und Staatssekretäre etc., die dieses juristische Manko, was Seehofer zwangsläufig, weil er die Ausbildung nicht hat, hat, ausgleichen werden. Da mache ich mir jetzt mal keine großen Sorgen.
"Hätte mir ein reines Digitalministerium gewünscht"
Heinemann: Das wird auf jeden Fall schon mal ein Minister mit Manko sein?
Fuchs: Nein, nein. Das Manko ist falsch ausgedrückt. Manko heißt nicht, dass er das nicht kann. Aber er kann es doch mit den Beamten, die er in diesem Ministerium hat, umsetzen. Davon gehe ich jetzt einfach mal aus, dass ihm da, falls er irgendwo Defizite haben sollte, geholfen wird. Aber er wird diese Defizite nicht haben oder das werden wir gar nicht zu spüren bekommen, weil die Vorbereitungen werden ja sowieso durch den Beamtenstab gemacht.
Heinemann: Herr Fuchs, zu den wichtigsten Aufgaben von Annegret Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin wird ein neues CDU-Grundsatzprogramm gehören. Was würden Sie gern festschreiben?
Fuchs: Dass wir die soziale Marktwirtschaft so weiterentwickeln, wie es notwendig ist, damit Deutschland so in der Vorderfront aller Industrienationen bleibt. Wir müssen dafür sorgen, dass wir in dem Weiterentwickeln zum Beispiel den gesamten Bereich Digitalisierung wesentlich mehr Priorität geben. Ich hätte mir sogar gewünscht, sage ich Ihnen – man darf ja auch einen Wunsch haben –, ein reines Digitalministerium zu bekommen und nicht das Digitale auf mehrere Ministerien verteilt. Aber ich wünsche mir, dass Annegret Kramp-Karrenbauer gerade in diesem Bereich, ich sage mal, Zeichen setzt.
Zum Beispiel ist es notwendig, dass wir sowohl das Arbeitsleben, das Arbeitsrecht etc. darauf abstimmen, aber auch dafür sorgen, dass wir in Deutschland beispielsweise einen deutlichen Schwerpunkt im Internet haben. Es kann nicht sein, dass wir auf dem Land, aber auch in vielen Städten – fahren Sie doch mal mit der Bahn – Internet haben, was so gut wie nicht funktioniert. Das ist einfach für ein Industrieland wie Deutschland fürchterlich rückständig, und hier ist allerhöchste Zeit, dass daran gearbeitet wird.
Rund 200.000 Neuankömmlinge pro Jahr verkraftbar
Heinemann: Ist denn der Schwerpunkt Digitalisierung die richtige Antwort auf Fragen der Bürgerinnen und Bürger? Viele empfinden Überfremdungsängste.
Fuchs: Ich glaube, dass die Überfremdung natürlich ein Problem ist, aber auch da hat ja der Koalitionsvertrag Richtungsweisendes gesagt. Wir haben ja jetzt auch quasi, man nennt das zwar nicht Obergrenze, sondern eine Schwankungsbreite von 180. bis 200.000, 220.000. Das erscheint mir für uns verkraftbar, vor allen Dingen bei der demographischen Entwicklung, die wir in Deutschland haben, vielleicht sogar notwendig.
Wir werden Veränderungen machen müssen. Wir dürfen die Deutschen nicht überfordern. Und ich weiß auch, dass die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin das sehr genau wahrnimmt.
Heinemann: Michael Fuchs, der ehemalige stellvertretende Fraktionschef der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Fuchs: Herr Heinemann, ich entschuldige mich für meinen Dackel, aber der wollte mit Ihnen reden.
Heinemann: Schönen Gruß an den Dackel und ich fürchte, Sie müssen jetzt viel aufräumen. Es klang nämlich so, als habe der ziemlich randaliert im Hintergrund. – Alles Gute Ihnen!
Fuchs: Okay.
Heinemann: Tschüss!
Fuchs: Danke – tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.