Der CDU-Politiker Grosse-Brömer betonte im Deutschlandfunk, dass viele Bürger bei den Wahlen auch ihre Unterstützung für die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht habe. Eine "gewisse Minderheit" habe aber Sorgen und Ängste, und von diesen Menschen hätten offensichtlich viele der AfD ihre Stimme gegeben - einer "Protestpartei ohne inhaltliche Kompetenz", wie der CDU-Politiker sagte.
Grosse-Brömer räumte ein, dass die Bundesregierung vielleicht noch deutlicher machen müsse, was sie in der Flüchtlingskrise schon erreicht habe. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass der Ansatz von Bundeskanzlerin Merkel, nach einer europäischen Lösung zu suchen, "in letzter Konsequenz" von den Bürgern "goutiert" werde.
Kritik äußerte er an den Bundesländern. Diese hätten bereits beschlossene Maßnahmen wie eine vereinfachte Abschiebung von Asylbewerbern und die Zahlung von Sach- statt Geldleistungen bisher nicht umgesetzt. Da gebe es noch Defizite.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Als kleine Bundestagswahl sind die drei Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt bezeichnet worden. Im Duell Klöckner gegen Dreyer in Rheinland-Pfalz hat die SPD-Frau Dreyer die Nase vorn. In Baden-Württemberg, da fährt der Grüne Winfried Kretschmann mehr als 30 Prozent ein, ein für einen Grünen historisch gutes Ergebnis. Und in Sachsen-Anhalt bleibt die CDU mit Reiner Haseloff stärkste Kraft. Aber klare Schlussfolgerungen, die sind ausgesprochen schwierig, denn die Erfolge von der SPD in Rheinland-Pfalz und Grün in Baden-Württemberg, die sind kontrastiert vom Triumph der AfD und flankiert von Einbrüchen der Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Darüber sprechen wir in den kommenden Minuten. Am Telefon ist Michael Grosse-Brömer, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.
Michael Grosse-Brömer: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Aus den vor einigen Wochen ja noch sicher geglaubten Wahlsiegen für Klöckner und Wolf ist jetzt doch nichts geworden. Wer trägt die Verantwortung dafür?
Grosse-Brömer: Nun, wir haben festgestellt, dass die Bevölkerung in Deutschland nicht zuletzt aufgrund der Flüchtlingskrise teilweise große Unterstützung für die Politik der Bundesregierung gezeigt hat und auf der anderen Seite es eben doch auch eine gewisse Minderheit gibt, die sich Sorgen und Ängste macht, und die haben sich offensichtlich in weiten Teilen dazu entschieden, auch einer Protestpartei die Unterstützung zu geben, und nicht nur den Parteien, die sich da intensiv schon mit der Lösung einer Problematik beschäftigen, die weltweit vorhanden ist und möglicherweise nicht allein in Deutschland zu lösen ist. Insofern war das eine besondere Situation, die nicht nur landespolitisch zu bestimmen ist, sondern durch eine überragende Krise, an deren Lösung wir nach wie vor arbeiten.
"Alle etablierten Parteien haben Federn gelassen"
Schulz: Ihre Partei wird sich jetzt natürlich zu der Frage positionieren müssen, ob das ein Votum gegen die Flüchtlingspolitik war von Angela Merkel, was die CSU schon mal bejaht. Jetzt habe ich noch nicht verstanden, wie Sie das sehen.
Grosse-Brömer: Nun, man könnte da vielleicht Herrn Gauland von der AfD zitieren. Der hat mal gesagt, die Flüchtlingskrise ist ein Geschenk des Himmels. Keine Frage: Wenn man Protestpartei ist ohne inhaltliche Kompetenz, dann wartet man natürlich darauf, dass man ein Thema bekommt, wo weite Teile zustimmen zu dem, was man versucht, nämlich insbesondere die Kanzlerin, eine europäische Lösung zu finden, auf der anderen Seite aber auch weite Teile der Bevölkerung verunsichert sind und möglicherweise eine nationale Lösung bevorzugen. Wenn man so eine Ambivalenz in der Bevölkerung vorhanden hat, dann wird sie sich auch bei Wahlen wiederspiegeln, und deswegen glaube ich nach wie vor, dass wir auch noch deutlicher machen müssen, was wir schon erreicht haben, aber dass der Versuch, eine europäische Lösung auch nach wie vor hinzubekommen, in letzter Konsequenz auch goutiert werden wird. Möglicherweise waren die Landtagswahlen jetzt noch zu einem Zeitpunkt, wo man zwar sieht, dass die Flüchtlinge längst nicht mehr in dem Umfang nach Deutschland kommen, wie das vorher der Fall war, aber gleichwohl noch nicht die Lösung der Krise erkennbar ist, und infolgedessen hat man sich auch entschieden, noch mal AfD zu wählen und nicht CDU oder SPD, denn wir haben ja alle als sogenannte etablierte Parteien im Deutschen Bundestag ein Stück weit Federn gelassen, so wie wir auch den einen oder anderen Erfolg bei den Wahlen haben konnten.
Schulz: Es gab aber auch eine ganz interessante Zahl, die die Meinungsforscher gestern veröffentlicht haben, nämlich dass sie die AfD-Wähler gefragt haben, ob sie es gut fänden, wenn sie die CSU hätten wählen können, und das ist auf große Resonanz gestoßen von mehr als 50 Prozent zumindest in zwei Ländern. Jetzt sprechen Sie von der AfD als Protestpartei. Aber habe ich was verpasst? Die CSU, die ist ja keine Protestpartei, sondern Ihre Schwesterpartei.
Grosse-Brömer: Keine Frage! Deswegen unterstützt die CSU ja auch eine europäische Lösung. Und jedenfalls wenn ich für meine Fraktion im Deutschen Bundestag spreche, habe ich ja mit den Kollegen von der CSU Asylpakete fast einstimmig unterstützt und auch beschlossen. Wir in der Fraktion diskutieren über 95 Prozent der sogenannten Flüchtlingspolitik nicht. Wir diskutieren nur einen Unterschied, ob man national eine Lösung noch finden soll, quasi Grenzen schließen sollte, oder ob weiterhin der Versuch unternommen werden soll, auch auf europäischer Ebene Lösungen zu finden, die nachhaltiger, tragfähiger sind, und da gibt es zwischen der CSU, weiten Teilen der CSU und der CDU auch noch Unterschiede. Die werden ja auch häufig genug noch mal deutlich in der Öffentlichkeit. Aber dabei wird häufig vergessen, dass auch eine ganz breite Übereinstimmung auch mit der CDU/CSU oder zwischen der CDU/CSU besteht, was die Flüchtlingspolitik und deren Lösung betrifft. Wenn Sie Asylpakete ansprechen, dann sehen wir das.
Schulz: Herr Grosse-Brömer, wenn die Unterstützung so groß ist aus der CSU, dann frage ich mich doch, warum die CSU droht, nach Karlsruhe zu ziehen gegen die Kanzlerinnen-Politik und warum Horst Seehofer zuletzt in einem Interview sich noch offengehalten hat, ob die CSU die Kanzlerin 2017 überhaupt unterstützen wird.
Grosse-Brömer: Ja, da warten wir mal ab. Ich bin mir relativ sicher, dass die CSU mit mir gemeinsam der Auffassung ist, dass die Versuche der Kanzlerin nach wie vor sinnvoll sind, eine europäische Lösung anzustreben. Denn das würde natürlich auch nationale Lösungen häufig überflüssig machen.
Aber ich muss noch mal auf die Übereinstimmungen hinweisen, denn die bestehen sehr wohl, auch gerade was die Umsetzung der Asylpakete im Deutschen Bundestag betrifft. Da haben wir natürlich auch in den Ländern noch Defizite. Vereinfachte Abschiebungen, Sachleistungen statt Geldleistungen, das sind natürlich auch alles Komponenten, die man in den Ländern schon hätte umsetzen können, die möglicherweise auch eine etwas bessere Zustimmung und vielleicht auch etwas weniger Angst bei gewissen Bevölkerungsgruppen dann hervorgerufen hätte. Da sind wir in weiten Teilen mit der CSU auch gemeinsamer Auffassung.
Schulz: Michael Grosse-Brömer, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, heute in den "Informationen am Morgen" hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen ganz herzlich.
Grosse-Brömer: Vielen Dank, Frau Schulz.