Christiane Kaess: Über die Bildungspolitik, die Vorschläge von Martin Schulz, darüber wollen wir sprechen mit Michael Kretschmer. Er ist als stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender im Bundestag zuständig für das Thema Bildung. Guten Morgen, Herr Kretschmer
Michael Kretschmer: Guten Morgen.
Noch nie habe der Bund so viel für Bildung ausgegeben
Kaess: Schafft es nur die SPD, das so umstrittene Kooperationsverbot zu Fall zu bringen?
Kretschmer: Das Kooperationsverbot ist ein Ergebnis aus einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, wo auch die SPD beteiligt war, und ohne sie hätte es gar keine Mehrheit gegeben. Wir haben das aber vernünftig ausgelegt, glaube ich, denn noch nie hat der Bund so viel Geld für die Bildung ausgegeben, auch zur Unterstützung der Länder und Kommunen, wie in der Zeit von Angela Merkel, und das mit dieser Verfassungslage. Wir haben jetzt vor wenigen Monaten noch einmal das Grundgesetz geändert, um auch direkt an die Kommunen Geld zu geben für die Sanierung von Schulen. Das sind jetzt insgesamt sieben Milliarden Euro. Da wird ein bisschen ein Popanz aufgebaut und die Leute sollen sich davon nicht beeindrucken lassen. Wenn es eine Partei gibt, die wirklich für Bildung steht und da investiert, dann ist das die Union, und das werden wir auch in der nächsten Legislaturperiode ganz klar so machen, denn wir sehen ja, die niedrige Arbeitslosigkeit vor allen Dingen auch in der Jugend hängt damit zusammen, dass wir in den letzten zehn Jahren so massiv in Bildung investiert haben.
"Man kann, wenn man pragmatisch ist, handeln"
Kaess: Herr Kretschmer, Sie stellen das jetzt ein bisschen so dar, als stünden beim Kooperationsverbot Union und SPD Seite an Seite. Das scheint sich ja spätestens jetzt zu ändern, denn die SPD sagt, das Kooperationsverbot ist die große Entwicklungsbremse für das deutsche Schulwesen.
Kretschmer: Ja. Das eine ist, wenn immer nur über Zahlen und Milliarden-Beträge gesprochen wird. Ich rate auch uns sehr dazu, nicht zum Überbietungswettbewerb einzusteigen. Das andere sind alles technokratische Dinge, ob man ein Gesetz ändert oder nicht. Das Entscheidende ist doch, dass man den Willen hat, gemeinsam ein Ziel zu erreichen, und das hatten wir in den vergangenen Jahren. Ich sage noch einmal: Wir haben so viele Dinge auf den Weg gebracht, vom Schulausbau über eine Initiative zur Qualifikation der Lehrer. Wir haben insgesamt 15 Milliarden ausgegeben für Kitas und die frühkindliche Bildung. Das zeigt ja: Man kann, wenn man pragmatisch ist, handeln. Was hier die SPD immer wieder will ist, ihre eigenartigen bildungspolitischen Konzepte auf ganz Deutschland auszuweiten, wo man ja sagen muss, sie sind dafür regelmäßig abgewählt worden, zum Schluss in NRW und Schleswig-Holstein, und dass es da viele gibt die sagen, das ist jetzt nicht das Beispiel, was wir haben, wir wollen unseren eigenen Weg erfolgreich fortgehen. Und es kann auch nicht sein, dass immer nur einer Geld gibt und die Sachverantwortung dann von jemand anderem getroffen wird, dass nicht die besten Bildungskonzepte sich durchsetzen, sondern weiter immer ideologisch das weitergeht, obwohl bei Pisa und bei anderen man ja gesehen hat, dass das alles nicht zu einem Ergebnis führt. Das geht nicht.
Kommunen seien massiv entlastet worden
Kaess: Aber, Herr Kretschmer, wir brauchen ja bloß die Zustände an Schulen anschauen. Es geht über arg renovierungsbedürftige Schultoiletten oder Turnhallen bis hin zu viel zu großen Klassen, zu viele Unterrichtsausfälle und so weiter und so weiter. Diese Unterfinanzierung, das ist doch ein klarer Hinweis, dass die Länder die Probleme nicht alleine stemmen. Hätte das Kooperationsverbot nicht längst schon fallen müssen?
Kretschmer: Der Bund unterstützt die Länder und er unterstützt vor allen Dingen die Kommunen. Das ist ja auch ein Ergebnis unserer Politik der letzten Jahre, diese massive Entlastung der Kommunen.
Kaess: Aber das reicht doch bisher nicht. Stellen Sie das denn in Abrede, dass das nicht reicht?
Kretschmer: Ich stelle in Abrede den Befund, dass wir die Kommunen nicht unterstützen. Das tun wir in hohem Maße und wir werden das auch in der nächsten Zeit tun. Zur Wahrheit und Sachverhaltsaufklärung gehört auch dazu, dass von den ersten dreieinhalb Milliarden Euro zur Unterstützung von Schulbauten in den Kommunen bisher 400 Millionen abgeflossen sind, ein Bruchteil, zehn Prozent, und das hängt damit zusammen, dass es gar keinen Planungsvorlauf gibt, dass die Kommunen nicht so schnell sind. Deswegen gilt jetzt, in Ruhe einen Pfad aufzuzeigen über die nächsten 10, 15 Jahre, wo der Bund auch weiterhin Verantwortung übernehmen wird und auch weiter unterstützen wird. Aber man muss jetzt gar nicht mehr Geld in das System hineinschütten; es kann gar nicht abfließen. Es braucht jetzt erst einmal Ruhe und Verlässlichkeit. Das ist das, was die Union auch den Kommunen in Zukunft geben wird.
"Die Kommunen können sich auf den Bund verlassen"
Kaess: Aber ist das, was Sie gerade gesagt haben, nicht ein weiteres Argument dafür, die Kommunen weiter zu unterstützen, wenn sie auch mit dieser Aufgabe offenbar überfordert sind?
Kretschmer: Die Kommunen können sich auf den Bund verlassen und vor allen Dingen dann, wenn CDU/CSU regiert. Das haben wir gezeigt und diesen Weg gehen wir weiter. Und es ist sehr im Interesse der Städte und Gemeinden und Landkreise in Deutschland, dass wir das aber auf einem Weg machen, dass nicht Bundesgeld an die Länder fließt und dort von den Finanzminister mit klebrigen Händen im Haushalt hängen bleibt, sondern dass es tatsächlich da ankommt, wo es hin muss. Deswegen brauchen wir wirklich belastbare Vereinbarungen. Das haben wir beispielsweise mit dem Bildungsgipfel 2008 zwischen Bund und Ländern und Kommunen auch getan. Damals haben wir uns vereinbart, mit spezifischen Maßnahmen die Schulabbrecherquote zu reduzieren, die Durchlässigkeit im System zu verbessern. All das ist geschehen und das ist das, worüber ich jetzt auch gerne lieber diskutieren möchte, als über zwölf Milliarden Euro, die im Zweifel gar nicht reichen. Es werden möglicherweise sogar mehr sein. Wir müssen über bildungspolitische Ziele sprechen.
Ziel: Bildungssystem wie in Bayern oder Sachsen
Kaess: Ja genau, Herr Kretschmer. Dann gehen wir mal weg von den Finanzen und sprechen über das einheitliche Bildungsniveau, das da ja auch eine Forderung ist und hier wichtig ist in diesem Zusammenhang. Sie haben selbst einmal gesagt, ich zitiere Sie da: "Dass ein Hauptschüler in Bayern ein höheres Bildungsniveau erzielt als ein Realschüler in Bremen, ist Realität." Ist das denn auch wünschenswert?
Kretschmer: Das ist das Ergebnis von Pisa, und jeder normale Mensch hätte daraus gefolgert, dass jetzt dringend auch in Bremen und in NRW und in anderen SPD-regierten Ländern der Schuss gehört wird und man ein Bildungssystem ähnlich wie in Bayern oder in Sachsen versucht aufzusetzen. Das ist nicht passiert.
Kaess: Das will Martin Schulz ja. Er will einheitliche Standards.
Kretschmer: Ja, aber bitte doch nicht auf dem Niveau von Bremen nach Möglichkeit.
Kaess: Das hat er nicht gesagt.
Kretschmer: Ja. Aber das ist doch die Sorge, die die meisten haben.
Und wenn man sich SPD-Politik der letzten zehn Jahre anschaut, ist diese Angst ja auch nicht unberechtigt. Denn schauen Sie: Gerade ist in NRW eine Regierung abgewählt worden dafür, dass sie die Gymnasien geschwächt hat, dass sie Inklusion nicht orientiert an den hilfsbedürftigen Kindern, sondern aus ideologischen Gründen macht, und all das geht nicht. Natürlich brauchen wir ein Mehr von Gemeinsamkeit und natürlich brauchen wir auch mehr Vergleichbarkeit im System. Das ist übrigens auch etwas, was wir mit jeder Maßnahme, wo wir Geld gegeben haben an die Länder, auch mit durchgesetzt haben. Als letztes ein Thema, wo ich immer gedacht habe, das kann doch nicht so lange dauern, warum ist das so schwierig, dass die Länder untereinander die Lehrerbildung anerkennen. Das haben wir in dieser Legislaturperiode gemacht und den Weg müssen wir weitergehen. Aber auch da hat die SPD natürlich schlechte Karten, denn die CDU/CSU-Kultusminister haben ja in den letzten Jahren mehrere Versuche unternommen, gemeinsame Staatsverträge, gemeinsame Bildungsstandards vorzulegen. Diejenigen, die da nicht mitgemacht haben, waren die SPD-geführten Länder.
"Wir haben für mehr Vergleichbarkeit gesorgt"
Kaess: Aber, Herr Kretschmer, wenn ich Sie da richtig verstehe, dann stimmen Sie durchaus der Einschätzung zu, dass Martin Schulz da wahrscheinlich vielen Eltern aus dem Herzen spricht, wenn er um einheitliche Standards sich bemüht in den verschiedenen Bundesländern, gleiche Leistungsstandards, gleiche Schulabschlüsse, die vergleichbar sind. Das würde Umzüge erleichtern, die Bewerbungen für Studium oder Berufsausbildung. Da hätten wir dann auch mehr Gerechtigkeit. Warum hat die Union dann ein so wichtiges Thema hier immer schleifen lassen?
Kretschmer: Ich weiß nicht, ob wir mehr Gerechtigkeit haben, wenn alle so schlechte Chancen hätten wie beispielsweise in Bremen.
Kaess: Aber das ist ja nicht das, was der Vorschlag beinhaltet.
Kretschmer: Natürlich ist das doch die Wahrheit. Man muss sich nur mal anschauen, wer hat in den letzten Jahren in Deutschland was bewegt. Unsere Bilanz ist ganz klar. Wir haben denen geholfen, die es schwer hatten, auch auf der kommunalen Ebene mit einem Finanzpaket. Wir haben für mehr Vergleichbarkeit gesorgt in der Bildung, gemeinsam mit den Kultusministern, die dazu willens waren, beispielsweise durch die Bildungsstandards, und diesen Weg werden wir weitergehen. Aber es kann doch keinen Weg nach unten geben im Bildungsniveau. Das kann nicht sein.
Kaess: Die Meinung von Michael Kretschmer war das, stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender im Bundestag und als solcher zuständig für das Thema Bildung. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
Kretschmer: Auf Wiederhören.
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