Wer dieses Gemeinschaftswerk über die "liquiden Grundlagen des Buchstabenrausches" für nichts als einen höheren Primanerscherz ohne tieferen Sinn hält und die Erwartungen enttäuscht sieht , die der gewichtige Titel "Literatur und Alkohol" samt den beiden Autorennamen Michael Krüger und Ekkehard Faude spontan geweckt haben, der mache einen Ausflug ins Internet. 107 000 Eintragungen findet dort, wer mit dem Schlagwort "Alkoholismus" googelt, und schon unter den ersten zehn,die ich überprüft habe, werden zwei Tests angeboten, die die Frage beantworten :" Bin ich Alkoholiker ?"
Gefährde ich meine Gesundheit, meine sozialen Beziehungen und meinen Arbeitsplatz mit meinem Alkoholkonsum? Es gibt Konflikt-, Gelegenheits- und Suchttrinker, auserdem Gewohnheits- und Quartalssäufer. Die Tests fragen nicht nur danach, wie viel man trinkt, sondern auch, wie oft man an Alkohol denkt ,wobei das Denken noch schlimmer punktet als das Trinken selbst. Alkoholismus zähle zu den grössten gesellschaftlichen Problemen in Deutschland, wird weiter behauptet- offenbar ganz so schlimm, wie Globalisierung, Hartz IV oder die Rechtschreibreform. Jeder Deutsche konsumiere pro Jahr zehn Liter reinen Alkohols; der Trend gehe von Bier und Hochprozentigem zum Wein bei Erwachsenen- während die Jugendlichen sich mit süssen Mixgetränken- Alkopops genannt - allmählich an den Sprit gewöhnen....
Auf die Diagnosen und Katastrophenszenarien schliessen sich im Internet Myriaden von Hilfsangeboten an. Alkoholismus ist eine Krankheit, für die man sich nicht schämen muss, wird überall suggeriert, wenn man sich denn selbst als Kranken und Hilfsbedürftigen outet, der der Gesellschaft und der eigenen Gesundheit schadet. Vielleicht ist die Zeit ja nicht mehr fern, wo auf Wein- und Schnaps nicht nur hohe Steuern lasten, sondern auf den Flaschen auch Warnungen erscheinen, wie seit Neuestem auf den Zigarettenpackungen: Alkohol macht einsam- Ihre Leber geht kaputt- Sie werden impotent...Kinder von Alkoholikern sind leichter und dümmer...Jedes Glas Wein tötet 3 Millionen Ihrer Hirnzellen...Ein Rausch senkt die Lebenserwartung um vier Wochen... Wo bitte bleibt das Positive, beim ,nun ja -Alkoholismus?
Niemand fragt, was Alkohol für alle und jeden, sei er Indianer, Schriftsteller oder Busschaffner einfach unwiderstehlich macht.So viele Probleme kann es ja gar nicht geben, wie Menschen die gern trinken! Das Büchlein von Michael Krüger und Ekkehard Faude bringt einen jedenfalls auf Fragen, die eine auf Gesundheit, Kassenbeiträge und Prävention fixierte Gesellschaft öffentlich gar nicht mehr stellt. Kann es denn ein Lebensziel sein, gesund zu leben und zu sterben ? Wer sich seiner Gesundheit opfert, der wird es doch schon aus Zeitgründen nicht weit bringen.
Und damit Prost- denn natürlich ist auch mein Schreiben von einem Glas Rotwein begleitet, das neben dem Keyboard steht. Nichts ist nämlich so gut löslich in Alkohol wie das Überich, samt allen dort sedimentierten Konventionen und Ängsten , die einen so oft davon abhalten, frei und selbständig zu denken! Oder zu handeln!Oder eben zu schreiben. Wie vollends eine Welt aussähe, die keinen Alkohol mehr kennte- man mag es sich nicht ausmalen. Die Gesellschaft eines Menschen, der nie ein Buch gelesen hat, ist nur mit Alkohol erträglich, lautet eine Einsicht der beiden Autoren. Aber auch Menschen, die Bücher schreiben, halten Nichtschriftsteller ohne schlecht aus- umso schlechter, je später die Nacht... Damit ist schon angedeutet, dass sich die Pioniere der kritischen Alkoholismusforschung Faude und Krüger auf die Bedeutung des Alkohols für die Literaturproduktion und - rezeption beschränken. Dabei machen sie wundersamen Gebrauch von den modernen Methoden , mit denen unser Hirn tagtäglich mehr in die Irre geführt wird als je vom schlechtesten Alkohol: Umfragen und Statistiken ohne Ende.
Wie verhalten sich Buchproduktion und Buchabsatz zum Alkoholkonsum ? Trinken Leser mehr oder weniger als ihre Lieblingsautoren ? Könnte man Rot- und Weissweinverbrauch genauso wie die Bevorzugung von Hochprozentigem mit nationalen Stileigentümlichkeiten korrelieren ?
Verglichen mit diesen von Michael Krüger favorisierten Forschungsmethoden im Haupttext mutet der doppelt so umfangreiche Anmerkungsapparat von Ekkehard Faude , auch wenn er keine Wünsche nach Ablenkung und Irreführung unerfüllt lässt, fast altmodisch an. Wer genau hinschaut, erkennt aber die utopischen Potentiale der Differenzierung durch Fußnoten und eine Beweisführung durch Literatur, die oft genug noch nicht existiert, auch wenn sie es eigentlich längst müsste. Hat Carl Zuckmayer Cognac-Vögel gesehen und lyrisch verherrlicht- obwohl die Ornithologen diese Vögel bisher nicht ausfindig machen konnten ? Und ob es die second-hand-ivresse nicht doch schon gibt, obwohl ich noch nichts von ihr gelesen habe ?
Einen Schwurbel von befreiender Albernheit löst dieses wahrlich unzeitgemässe Plädoyer für den Alkoholismus beim Leser auf jeden Fall aus. Und allzu nüchterne Aufklärer könnten von der verspielten Gelehrsamkeit der Autoren doch immerhin den Zweifel lernen, ob nicht der Rausch dem Wahn, das Wohlgefühl der Gesundheit vorzuziehen sei.
Michael Krüger / Ekkehard Faude: "Literatur und Alkohol"
(Libelle Verlag)
Gefährde ich meine Gesundheit, meine sozialen Beziehungen und meinen Arbeitsplatz mit meinem Alkoholkonsum? Es gibt Konflikt-, Gelegenheits- und Suchttrinker, auserdem Gewohnheits- und Quartalssäufer. Die Tests fragen nicht nur danach, wie viel man trinkt, sondern auch, wie oft man an Alkohol denkt ,wobei das Denken noch schlimmer punktet als das Trinken selbst. Alkoholismus zähle zu den grössten gesellschaftlichen Problemen in Deutschland, wird weiter behauptet- offenbar ganz so schlimm, wie Globalisierung, Hartz IV oder die Rechtschreibreform. Jeder Deutsche konsumiere pro Jahr zehn Liter reinen Alkohols; der Trend gehe von Bier und Hochprozentigem zum Wein bei Erwachsenen- während die Jugendlichen sich mit süssen Mixgetränken- Alkopops genannt - allmählich an den Sprit gewöhnen....
Auf die Diagnosen und Katastrophenszenarien schliessen sich im Internet Myriaden von Hilfsangeboten an. Alkoholismus ist eine Krankheit, für die man sich nicht schämen muss, wird überall suggeriert, wenn man sich denn selbst als Kranken und Hilfsbedürftigen outet, der der Gesellschaft und der eigenen Gesundheit schadet. Vielleicht ist die Zeit ja nicht mehr fern, wo auf Wein- und Schnaps nicht nur hohe Steuern lasten, sondern auf den Flaschen auch Warnungen erscheinen, wie seit Neuestem auf den Zigarettenpackungen: Alkohol macht einsam- Ihre Leber geht kaputt- Sie werden impotent...Kinder von Alkoholikern sind leichter und dümmer...Jedes Glas Wein tötet 3 Millionen Ihrer Hirnzellen...Ein Rausch senkt die Lebenserwartung um vier Wochen... Wo bitte bleibt das Positive, beim ,nun ja -Alkoholismus?
Niemand fragt, was Alkohol für alle und jeden, sei er Indianer, Schriftsteller oder Busschaffner einfach unwiderstehlich macht.So viele Probleme kann es ja gar nicht geben, wie Menschen die gern trinken! Das Büchlein von Michael Krüger und Ekkehard Faude bringt einen jedenfalls auf Fragen, die eine auf Gesundheit, Kassenbeiträge und Prävention fixierte Gesellschaft öffentlich gar nicht mehr stellt. Kann es denn ein Lebensziel sein, gesund zu leben und zu sterben ? Wer sich seiner Gesundheit opfert, der wird es doch schon aus Zeitgründen nicht weit bringen.
Und damit Prost- denn natürlich ist auch mein Schreiben von einem Glas Rotwein begleitet, das neben dem Keyboard steht. Nichts ist nämlich so gut löslich in Alkohol wie das Überich, samt allen dort sedimentierten Konventionen und Ängsten , die einen so oft davon abhalten, frei und selbständig zu denken! Oder zu handeln!Oder eben zu schreiben. Wie vollends eine Welt aussähe, die keinen Alkohol mehr kennte- man mag es sich nicht ausmalen. Die Gesellschaft eines Menschen, der nie ein Buch gelesen hat, ist nur mit Alkohol erträglich, lautet eine Einsicht der beiden Autoren. Aber auch Menschen, die Bücher schreiben, halten Nichtschriftsteller ohne schlecht aus- umso schlechter, je später die Nacht... Damit ist schon angedeutet, dass sich die Pioniere der kritischen Alkoholismusforschung Faude und Krüger auf die Bedeutung des Alkohols für die Literaturproduktion und - rezeption beschränken. Dabei machen sie wundersamen Gebrauch von den modernen Methoden , mit denen unser Hirn tagtäglich mehr in die Irre geführt wird als je vom schlechtesten Alkohol: Umfragen und Statistiken ohne Ende.
Wie verhalten sich Buchproduktion und Buchabsatz zum Alkoholkonsum ? Trinken Leser mehr oder weniger als ihre Lieblingsautoren ? Könnte man Rot- und Weissweinverbrauch genauso wie die Bevorzugung von Hochprozentigem mit nationalen Stileigentümlichkeiten korrelieren ?
Verglichen mit diesen von Michael Krüger favorisierten Forschungsmethoden im Haupttext mutet der doppelt so umfangreiche Anmerkungsapparat von Ekkehard Faude , auch wenn er keine Wünsche nach Ablenkung und Irreführung unerfüllt lässt, fast altmodisch an. Wer genau hinschaut, erkennt aber die utopischen Potentiale der Differenzierung durch Fußnoten und eine Beweisführung durch Literatur, die oft genug noch nicht existiert, auch wenn sie es eigentlich längst müsste. Hat Carl Zuckmayer Cognac-Vögel gesehen und lyrisch verherrlicht- obwohl die Ornithologen diese Vögel bisher nicht ausfindig machen konnten ? Und ob es die second-hand-ivresse nicht doch schon gibt, obwohl ich noch nichts von ihr gelesen habe ?
Einen Schwurbel von befreiender Albernheit löst dieses wahrlich unzeitgemässe Plädoyer für den Alkoholismus beim Leser auf jeden Fall aus. Und allzu nüchterne Aufklärer könnten von der verspielten Gelehrsamkeit der Autoren doch immerhin den Zweifel lernen, ob nicht der Rausch dem Wahn, das Wohlgefühl der Gesundheit vorzuziehen sei.
Michael Krüger / Ekkehard Faude: "Literatur und Alkohol"
(Libelle Verlag)