"Dann gingen wir in die Sixtinische Kapelle, die wir hell und heiter, die Gemälde wohl erleuchtet fanden. Ich konnte nur sehen und anstaunen. Die innere Sicherheit und Männlichkeit des Meisters, seine Großheit geht über allen Ausdruck!"
So empfand Goethe auf seiner "Italienischen Reise" die Fresken in der Sixtinischen Kapelle. Anno 1786 war ihre Wirkung noch genauso überwältigend wie am 1. November 1512, als Michelangelo sie fertiggestellt hatte. Der englische Romancier Ross King schilderte das Ereignis:
"Als die Decke der Sixtinischen Kapelle enthüllt wurde, strömte ganz Rom zum Petersdom, um das atemberaubende Ergebnis einer vollkommen neuen Maltechnik zu bewundern. Einzig Papst Julius II., der das Mammutwerk in Auftrag gegeben hatte, wollte etwas mehr Gold in seiner Kapelle – mehr populär-bunte Ausschmückung. Aber der Künstler weigerte sich und entgegnete dem kirchlichen Oberhaupt: 'Die Menschen jener Tage trugen kein Gold. Sie waren nicht reich, sondern Heilige, die den Reichtum verachteten.'"
1508 hatte Julius II. das Deckenfresko bei Michelangelo bestellt. Die enorme Fläche von über 500 Quadratmetern war zu bewältigen. Der Papst wünschte sich zwölf Apostel in geometrisch-ornamentalem Schmuck. Michelangelo war das zu dürftig. Sein Entwurf sah Hunderte Figuren vor: die Geschichte der Genesis bis zur Sintflut. Dazu Propheten, Sibyllen und Vorväter Christi, eingefügt in ein Rahmenwerk mit Dutzenden nackter Genien und Heroen – ein kolossales Projekt. Es brachte Michelangelo an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Im Januar 1509 schrieb er an seinen Vater:
"Ich bin noch in großen Nöten, denn ich habe seit nun schon einem Jahr keinen Heller mehr vom Papst bekommen; ich bitte ihn auch um nichts, denn meine Arbeit geht nicht so voran, dass ich etwas beanspruchen dürfte. Die Arbeit ist eben schwierig und schlägt nicht in mein Fach. So verliere ich meine Zeit und erreiche nichts."
Umgeben von Konkurrenten, Neidern und Feinden arbeitete Michelangelo vier Jahre in der Sixtina. Sein Biograf Giorgio Vasari erzählt, wie mühselig die Mal-Arbeit, direkt unter der 20 Meter hohen Decke, war:
"Michelangelo beschloss, das Ganze Werk eigenhändig auszuführen, wobei er wochenlang zwischen Gerüst und Arbeitsfläche, meist schmerzhaft zurückgelehnt mit erhobenen Armen oder auf dem Rücken liegend, arbeiten musste."
Der eigenbrötlerische Künstler hielt zäh an seinem Konzept fest. Und tatsächlich sind die Sixtina-Deckenfresken Michelangelos einziges Großwerk, das er ganz nach seiner Vorstellung vollenden konnte. Den zentralen Platz unter den neun großen Bildfeldern mit Szenen aus der Genesis nimmt die "Erschaffung Adams" ein. Vasari sah sie so:
"Gott wird von einer Gruppe Putten umfangen, die zugleich das Gewicht der ganzen Welt zu tragen scheinen. Der eine Arm Gottes umgreift die Cherubim, der andere deutet auf Adam. Die majestätische Geste ist von berückender Schönheit in Haltung und Gliederung, die eher eine Neuerschaffung des Schöpfers mit Pinsel und Stift darstellt als nur Menschenwerk."
Die Unbekümmertheit, mit der Michelangelo männliche Nacktheit feierte, wurde schon zu seinen Lebzeiten als unsittlich empfunden. Übermalungen fanden noch Jahrzehnte später statt. Auch Regenwasser, Schmutz- und Ruß-Ablagerungen setzten den Fresken zu. Die Legende entstand, Michelangelo selbst habe einen geheimnisvollen Schleier darüber gelegt. Erst 1980 bis '94 entfernte man, was im Laufe der Jahrhunderte das Werk verdunkelt hatte. Und dabei kamen lichte, intensive Farben zum Vorschein. Chef-Restaurator Gianluigi Colalucci:
"Das Lösungsmittel hebt den Schmutz vom Untergrund ab, den der Restaurator dann mit einem Schwämmchen abnimmt. Das ist eine sehr sensible Methode zum Verstehen der Situation."
Warum fasziniert uns der neue, alte Glanz der Sixtinischen Fresken bis heute? Das saturnische Genie Michelangelos, stets mit sich im Zwiespalt, getrieben vom Gefühl der Unzulänglichkeit, wird durch sein malerisches Meisterstück blendend widerlegt und bestätigt.
So empfand Goethe auf seiner "Italienischen Reise" die Fresken in der Sixtinischen Kapelle. Anno 1786 war ihre Wirkung noch genauso überwältigend wie am 1. November 1512, als Michelangelo sie fertiggestellt hatte. Der englische Romancier Ross King schilderte das Ereignis:
"Als die Decke der Sixtinischen Kapelle enthüllt wurde, strömte ganz Rom zum Petersdom, um das atemberaubende Ergebnis einer vollkommen neuen Maltechnik zu bewundern. Einzig Papst Julius II., der das Mammutwerk in Auftrag gegeben hatte, wollte etwas mehr Gold in seiner Kapelle – mehr populär-bunte Ausschmückung. Aber der Künstler weigerte sich und entgegnete dem kirchlichen Oberhaupt: 'Die Menschen jener Tage trugen kein Gold. Sie waren nicht reich, sondern Heilige, die den Reichtum verachteten.'"
1508 hatte Julius II. das Deckenfresko bei Michelangelo bestellt. Die enorme Fläche von über 500 Quadratmetern war zu bewältigen. Der Papst wünschte sich zwölf Apostel in geometrisch-ornamentalem Schmuck. Michelangelo war das zu dürftig. Sein Entwurf sah Hunderte Figuren vor: die Geschichte der Genesis bis zur Sintflut. Dazu Propheten, Sibyllen und Vorväter Christi, eingefügt in ein Rahmenwerk mit Dutzenden nackter Genien und Heroen – ein kolossales Projekt. Es brachte Michelangelo an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Im Januar 1509 schrieb er an seinen Vater:
"Ich bin noch in großen Nöten, denn ich habe seit nun schon einem Jahr keinen Heller mehr vom Papst bekommen; ich bitte ihn auch um nichts, denn meine Arbeit geht nicht so voran, dass ich etwas beanspruchen dürfte. Die Arbeit ist eben schwierig und schlägt nicht in mein Fach. So verliere ich meine Zeit und erreiche nichts."
Umgeben von Konkurrenten, Neidern und Feinden arbeitete Michelangelo vier Jahre in der Sixtina. Sein Biograf Giorgio Vasari erzählt, wie mühselig die Mal-Arbeit, direkt unter der 20 Meter hohen Decke, war:
"Michelangelo beschloss, das Ganze Werk eigenhändig auszuführen, wobei er wochenlang zwischen Gerüst und Arbeitsfläche, meist schmerzhaft zurückgelehnt mit erhobenen Armen oder auf dem Rücken liegend, arbeiten musste."
Der eigenbrötlerische Künstler hielt zäh an seinem Konzept fest. Und tatsächlich sind die Sixtina-Deckenfresken Michelangelos einziges Großwerk, das er ganz nach seiner Vorstellung vollenden konnte. Den zentralen Platz unter den neun großen Bildfeldern mit Szenen aus der Genesis nimmt die "Erschaffung Adams" ein. Vasari sah sie so:
"Gott wird von einer Gruppe Putten umfangen, die zugleich das Gewicht der ganzen Welt zu tragen scheinen. Der eine Arm Gottes umgreift die Cherubim, der andere deutet auf Adam. Die majestätische Geste ist von berückender Schönheit in Haltung und Gliederung, die eher eine Neuerschaffung des Schöpfers mit Pinsel und Stift darstellt als nur Menschenwerk."
Die Unbekümmertheit, mit der Michelangelo männliche Nacktheit feierte, wurde schon zu seinen Lebzeiten als unsittlich empfunden. Übermalungen fanden noch Jahrzehnte später statt. Auch Regenwasser, Schmutz- und Ruß-Ablagerungen setzten den Fresken zu. Die Legende entstand, Michelangelo selbst habe einen geheimnisvollen Schleier darüber gelegt. Erst 1980 bis '94 entfernte man, was im Laufe der Jahrhunderte das Werk verdunkelt hatte. Und dabei kamen lichte, intensive Farben zum Vorschein. Chef-Restaurator Gianluigi Colalucci:
"Das Lösungsmittel hebt den Schmutz vom Untergrund ab, den der Restaurator dann mit einem Schwämmchen abnimmt. Das ist eine sehr sensible Methode zum Verstehen der Situation."
Warum fasziniert uns der neue, alte Glanz der Sixtinischen Fresken bis heute? Das saturnische Genie Michelangelos, stets mit sich im Zwiespalt, getrieben vom Gefühl der Unzulänglichkeit, wird durch sein malerisches Meisterstück blendend widerlegt und bestätigt.