Der Streit zwischen der australischen Regierung und dem Internetriesen Facebook hat einen Konflikt offengelegt, der schon seit Jahren zwischen den Verlagen und Online-Plattformen wie Facebook ausgetragen wird. Die Presseverlage mit ihren nachrichtlichen Inhalten wollen finanziell beteiligt werden, wenn ihre Artikel veröffentlicht werden und damit Geld verdient wird.
Nachdem Facebook in Australien die Nachrichteninhalte zuletzt sogar gesperrt und damit den Konflikt weiter verschärft hatte, gibt es nun eine Annäherung – mit dem Ergebnis, dass die Verlage offenbar finanziell beteiligt werden.
In Europa könnte nun eine Allianz aus vier Verlagsgruppen sowie dem US-Unternehmen Microsoft eine neue Vergütungsstruktur voranbringen. Sie ließen sich dabei von der geplanten Gesetzgebung in Australien inspirieren, hieß es.
Die EU-Länder wollen bis Juni eine Überarbeitung von Urheberrechten abschließen, mit denen sich Medienkonzerne um eine Bezahlung durch digitale Plattformen bemühen können.
Magdalena Neubig: Das Geschehen rund um das australische Mediengesetz wird auch in Europa sehr interessiert verfolgt. Denn auch europäische Presseverlage möchten die großen Tech-Firmen gerne zur Kasse bitten – und das offenbar in Zusammenarbeit mit einem weiteren Tech-Riesen: Microsoft. Der Software-Hersteller hat gestern verkündet, dass er in Zusammenarbeit mit europäischen Verlegern ein Bezahlsystem für Verlagsinhalte im Netz entwickelt. Über diesen Vorstoß habe ich vor der Sendung mit Alexander Fanta gesprochen. Er ist der Brüssel-Korrespondent von Netzpolitik.org und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Digitalpolitik der Europäischen Union. Warum muss es aus Sicht der Verlage solch ein Bezahlsystem geben?
Alexander Fanta: Also, Medien überall auf der Welt hatten in den vergangenen Jahrzehnten große wirtschaftliche Probleme. Bislang haben sie ihr Geschäft mit Online-Werbung finanziert. Dieses Geschäftsmodell hat sich aber als nicht nachhaltig erwiesen. Ein Grund dafür ist die Dominanz bei Online-Werbung von Google und Facebook. Die Konzerne haben vielfach die Einnahmen an sich gezogen, monopolisieren den Markt. Und das stellt die Verlage vor große Probleme. Deswegen suchen Verlage seit mehr als einem Jahrzehnt in vielen Ländern, auch in Deutschland, auch in Frankreich danach, dass Google und Facebook ihren Anteil zahlen müssen an der Produktion von Nachrichteninhalten.
Neubig: An dieser speziellen Allianz sind ja nicht nur die Verlage beteiligt, sondern eben auch Microsoft selbst. Und das ist natürlich kein Verleger, sondern ebenfalls ein großer Digitalkonzern. Was verspricht sich denn Microsoft von diesen Bezahlsystem?
Fanta: Microsoft hat bisher im Online-Nachrichten-Ökosystem wenig Rolle gespielt. Also wenn man Nachrichten findet, dann tut man das meistens auf Facebook oder auch über Google, über die Suche. Microsoft versucht mit diesem Schritt in den Journalismus hinein, seine Suchmaschine Bing besser zu positionieren, sie relevanter zu machen für Nachrichtenkonsumenten. Und deswegen hat Microsoft hier vorgeprescht mit einer Lösung, die auch zu anderen Strategien des Konzerns passt.
Neubig: Was die Europäische Union betrifft, da gibt es ja eben bereits das Urheberrecht, was auch überarbeitet wurde. Es gibt das Leistungsschutzrecht, was eben verhindern soll, dass beispielsweise Suchmaschinen Geld mit Inhalten verdienen, die sie eigentlich gar nicht selbst produziert haben. Reicht das ihrer Meinung nach aus?
Fanta: Also, ich glaube, alle diese Schritte, die versuchen, die Konzerne zum Zahlen zu bewegen, das Leistungsschutzrecht, aber auch das australische Gesetz, sind bestenfalls ein Heftpflaster auf einer Wunde. Denn diese Gesetze ändern nichts am Geschäftsmodell der Firmen, sie ändern nichts daran – an dieser Quasi-Oligopolstellung von Google und Facebook am Werbemarkt. Was diese Gesetze allenfalls bewirken, ist: im Fall vom Leistungsschutzrecht schafft das einen gefährlichen Präzedenzfall dafür, selbst für kürzeste Texte Urheberrechtsentgelte zu fordern. Das ist eine Bedrohung für die Art, wie das Netz funktioniert. Für die Medien selbst bleibt aber, wie wir jetzt gesehen haben, in Frankreich, aber auch in Australien, bleiben eigentlich nur Häppchen übrig, also vielleicht im Fall von einem einzelnen Verlag einem einzelnen Medium, eine Million oder zwei. Aber das wird nicht das Geschäftsmodell-Problem des Journalismus lösen.
Neubig: Das heißt, die Verlage haben durchaus Recht, wenn sie jetzt fordern, dass es da noch andere Bezahlsysteme geben muss und sie sich jetzt selbst auf den Weg machen, da Lösungen zu suchen?
Fanta: Also, ich glaube, die europäische Politik ist gefordert, eine systematische Lösung finden. Die systematische Lösung sollte das Geschäftsmodell von Google und Facebook in den Blick nehmen und sagen, was davon ist legitim, was davon ist illegitim. Es gibt mittlerweile einige EU-Abgeordnete, die fordern, dass man personalisierte Werbung verbieten soll, also Werbung, die auf Basis von unseren persönlichen Daten zugeschnitten wird auf uns. Das ist das, was Google und Facebook im Netz machen. Das setzt aber auf universelle Datensammlung. Das heißt: alle Daten, die Google oder Facebook von uns sammeln, ob auf ihren Plattformen oder woanders, die werden dann genutzt, um Werbung auf uns zuzuschneiden. Und da wird halt die Frage geweckt: Ist das mit unserem Datenschutz vereinbar? Aber auch: Ist das mit unseren europäischen Werten vereinbar? Und die größere, die weitere Frage ist: Was macht das mit dem Journalismus, wenn Werbung hauptsächlich über diese Plattformen funktioniert? Und ich glaube, das ist eine Frage, wo wir erst am Anfang stehen, die überhaupt zu beantworten.
Neubig: Gab es denn Reaktionen aus der europäischen Politik eben auf diese Ankündigung von Microsoft, in Kombination mit den Verlagshäusern so ein Bezahlsystem entwickeln zu wollen?
Fanta: Ich glaube in Europa begrüßt man es grundsätzlich, dass es Ansätze gibt, das Geschäftsmodell-Problem des Journalismus im Netz zu lösen. Ich glaube, in Brüssel wird das, was in Australien gerade passiert, sehr genau beobachtet. Für abschließende Betrachtung ist es, glaube ich, zu früh. Aber ich glaube grundsätzlich, wenn die Unternehmen bereit sind, mit der Politik zu arbeiten, um Lösungen zu finden, wird das schon als Schritt nach vorne gesehen.