"Hello, my name is Anika, may I speak with Jasina?...Hello, may I speak with Sonia? …pudria hablar con Sona Diaz?" Kein Blick hebt sich, wenn man mitten im Stadtteil Queens von der Straße die schmale Stiege in das enge Büro im ersten Stock hinaufsteigt. Unverwandt schauen fünf Frauen an weißen Plastiktischen auf die Bildschirme der mitgebrachten Laptops. Ein spezielles Computerprogramm spuckt den Freiwilligen eine Telefonnummer nach der anderen aus - alles Wählerinnen und Wähler, die alle irgendwann irgendwo Sympathien für die demokratische Partei zu Protokoll gegeben haben.
In den letzten Tagen vor der Wahl gibt es nur ein Ziel: so viele wie möglich zu erreichen, an den Termin am 6. November zu erinnern und um ihre Stimme für Alexandria Ocasio-Cortez zu bitten.
Kompromisslos linke Politik
Wo bis vor kurzem noch ein Rechtsanwalt seine Dienste angeboten hat, quellen jetzt wackelige Regale mit bedruckten T-Shirts über, mit Kisten von Flyern in Englisch, Spanisch, Koreanisch und Chinesisch. Die Wände sind mit Plakaten von Alexandria gepflastert, mit Zeitungsartikeln und Wochenplänen für den Straßenwahlkampf. Wer will, findet in einer Ecke heißes Wasser, Plastikbecher, löslichen Kaffee und Milchpulver.
Zeit für ein Gespräch? Eine junge Frau im lila Ocasio-Shirt schüttelt entschieden die schulterlangen blonden Locken. Gerade hat sie Nachschub die Treppe hinaufgeschleppt: Haushaltspapier, Süßigkeiten, Badreiniger. Und ist jetzt schon auf dem Sprung zu einem anderen Termin. In der ganzen Welt mag Alexandria viel Aufmerksamkeit bekommen, sagt sie noch im Gehen, aber hier in ihrem Bezirk nicht. Hier gingen die Leute selten zur Wahl. Also müssen sie in den letzten Tagen an diesen entscheidenden Termin erinnert werden.
Auf Stelzen rattert alle paar Minuten ein Zug der Subway die 31. Straße in Queens hinunter.
"Do you have a moment to talk about the upcoming election?" José Grassa hält Passanten ein Plakat mit dem Foto von Alexandria Ocasio-Cortez entgegen. Und einen Flyer mit ihren wichtigsten Forderungen: Krankenversicherung für alle, Abschaffung der Studiengebühren, eine staatliche Beschäftigungsgarantie. Mit der Kandidatin verbinden ihn Wurzeln in Lateinamerika. Wie sie setzt auch der 30-Jährige auf kompromisslos linke Politik.
Keine Macht mehr den Großkonzernen! Der antikapitalistische Zungenschlag hat auch Julia Morrisson angesprochen.
Nie zuvor hat sich die Ärztin für eine politische Kampagne als Freiwillige im Straßenwahlkampf gemeldet. Geradezu inspiriert hat sie vor allem die Haltung der jungen Frau, die aus kleinen Verhältnissen stammt und sich auch von schwierigen Lebensumständen nicht hat unterkriegen lassen.
Für Julia Morrisson vertritt Alexandria Ocasio-Cortez das gute, menschliche, soziale Amerika. Jung, weiblich, Latina und aus der Arbeiterschicht - ihre erfolgreiche Kandidatur ist allerdings auch eine Kampfansage an das Establishment der demokratischen Partei. Mit ziemlicher Sicherheit wird Ocasio-Cortez bald jüngste Abgeordnete mit Kongress in Washington sein. Wie weit aber dort ihre Revolution tragen wird bleibt offen.