Das King George Inn ist angeblich das älteste Gasthaus in den Vereinigten Staaten überhaupt, errichtet 1681 im Städtchen Bristol am Ufer des Delaware. Heute markiert der Fluss die Grenze zwischen den Bundesstaaten New Jersey und Pennsylvania. Damals war Bristol ein wichtiger Zwischenstopp für Reisende zwischen New York und Philadelphia. Heute entscheiden die Menschen in den Außenbezirken der Großstadt eines der spannendsten Rennen um einen Sitz im Abgeordnetenhaus in Washington D.C.
Wer an diesem Abend im King George erscheint, will dem Demokraten Scott Wallace helfen, das Mandat im ersten Wahldistrikt von Pennsylvania von den Republikanern zurückzuerobern. Lisa Beth Weber etwa, für sie steht fest: Nächsten Dienstag steht nicht weniger auf dem Spiel als die ethischen und moralischen Grundpfeiler der amerikanischen Demokratie: "Our morals, our ethics, our values, our democracy is at stake. I know that sounds big – but it is big!"
Multimillionär als demokratischer Hoffnungsträger
Wie viele Frauen im George Inn ist sie vor allem eines: Wütend auf einen Präsidenten, den sie seit seiner Wahl vor zwei Jahren als sexistischen Rüpel erlebt hat, als Lügner und Hetzer. Es ängstigt Lisa Beth, wohin der Mann im Weißen Haus das Land führt. Sie will dafür kämpfen, dass so etwas wie gesunder Menschenverstand in die amerikanische Politik zurückkehrt: "I’m realy realy afraid for this country and what we’re leading to with someone like Donald Trump in the White House. So we have to do everything we can to get sanity back and save our democracy!"
"Can everybody hear me? Hello everybody! Good evening! Welcome to beautiful Bristol Borogh King George two Inn…" Der Mann, der all diese Erwartungen erfüllen soll, lächelt mit gesenktem Blick als ihn ein Parteifreund begrüßt: "…we are here today for Scott Wallace. And Scott Wallace is going to win this race next week!"
Viele Jahre hat Scott Wallace in Washington für demokratische Senatoren gearbeitet, mit Aktiengeschäften hat er später ein Vermögen verdient. Erst in diesem Sommer ist er in die Politik gegangen. Jetzt schlendert er in Sakko und weißem Hemd durch den Raum, schüttelt Hände und sagt, worum es bei den Wahlen unter dem Strich geht: Um ein tief empfundenes Gefühl von Anstand: "Es geht um die Hoffnung, dass wir es besser machen können als jetzt; die Hoffnung, dass Regierungspolitik wieder auf der Seite der arbeitenden Menschen steht - und nicht auf der Seite der Reichen und der großen Konzerne."
Republikaner auf Anti-Trump-Kurs
Es wird für Scott Wallace nicht einfach sein, die über 600.000 Wähler im Bezirk mit diesem Argument auf seine Seite zu ziehen. Denn sein Konkurrent um das Amt - der republikanische Kongressabgeordnete Brian Fitzpatrick betont in jedem Interview, dass Scott Wallace selbst Multimillionär ist, mit Immobilien auf der ganzen Welt. Während er selber in einer bescheidenen Ein-Zimmer-Wohnung lebe.: "I’m living in a one bedroom condo. He’s got properties all over the planet. I think he’s worth about several hundred million Dollars."
Wichtiger noch: Brian Fitzpatrick ist nach zwei Jahren im Kongress alles andere als ein Jünger von Donald Trump. Im Abgeordnetenhaus arbeitet er in einer Gruppe mit Parlamentariern der Demokraten zusammen. Er hat dagegen gestimmt, Obamas Gesundheitsreform zu zerschlagen. Er hat sich gegen Trumps Einwanderungsbann für Muslime ausgesprochen. Und er ist für strengere Waffengesetze, für mehr Kontrollen für Waffenbesitzer: "That starts with universal background checks, gun violence restraining orders, no fly no buy…"
Buhlen um die Wählergunst
Eine ganze Reihe von Initiativen kann er aufzähle, die in seinen Augen möglich machen, das Recht auf Waffenbesitz mit dem Bedürfnis nach Sicherheit der Menschen in Einklang zu bringen. All das findet Anklang in einem Landstrich in Pennsylvania, der von der Mittelschicht geprägt ist. Wo Trumps ungebremster Nationalismus viele als unamerikanisch anwidert. Wo die hasserfüllte Sprache im Weißen Haus viele anekelt.
Deshalb hat Brian Fitzpatrick den Spieß umgedreht und seinen demokratischen Kontrahenten Scott Wallace in einer ganzen Reihe von aggressiven TV-Spots selber als Radikalen dargestellt:
"I’m Brian Fitzpatrick and I approve this message! ‚Post 9/11, Bucks County, Pennsylvania: Brian Fitzpatrick receives FBI-deployment orders to Irak as an Al-Kaida-Interrogator…’"
Scott Wallace hätte Terroristen mittelbar mit Geld geholfen – während er selbst nach den Anschlägen von 2001 als FBI-Agent im Irak Terroristen bekämpfte. Die Unterstellung läuft im Spot auf eine simple Botschaft hinaus: Fitzpatrick hat die Nation verteidigt, Scott Wallace Terroristen - entscheiden Sie selbst!
"…Brian Fitzpatrick defended the Nation, Scott Wallace defended Terrorists – you decide!"
Scott Wallace hat die Vorwürfe alle strikt zurückgewiesen. Und musste dafür viel Geld für eigene Fernseh-Spots ausgeben. Darin versucht er, Fitzpatrick doch irgendwie in die Nähe von Donald Trump zu rücken. Etwa weil er gegen das Recht auf Abtreibung ist:
"I’m running against this guy because we need an independent Congressman who will stand up to this other guy. Fitzpatrick and Trump both want to make Abortion illegal…"
Millionen Dollar für einen Sitz im Abgeordnetenhaus
Acht bis neun Millionen Dollar sind bisher insgesamt in diesen Wahlkampf geflossen, heißt es – für einen einzigen Sitz im Abgeordnetenhaus. Damit zählt die Auseinandersetzung im ersten Distrikt von Pennsylvania zu den teuersten im ganzen Land. Und Geld sammeln müssen die Kandidaten bis zum Wahltag. Für den Abend im George Inn in Bristol hat jeder Gast Geld für die Eintrittskarte bezahlt, freiwillig und nach eigenem Ermessen. Manche 10 Dollar, andere 300 gegeben. Aber jeder weiß, dass erwartet wird, dass im Laufe der Veranstaltung noch ein Scheck über eine möglichst hohe Summe noch dazu kommt.
Denn den Umfragen zufolge ist völlig offen, wer in diesem Bezirk am nächsten Dienstag die Nase vorn haben wird. Nicht mal eine Tendenz trauen sich die Propheten zu. Für Amtsinhaber Brian Fitzpatrick geht es dann darum, sein Mandat für die Republikaner zu verteidigen. Für Scott Wallace für die Demokraten darum, künftig in Washington weiteren Schaden zu begrenzen.