Der Saal im Frankfurter DGB-Haus ist gut gefüllt. Rund 100 Menschen sind zum ersten Treffen der Initiative "Mietentscheid" Frankfurt gekommen. Plakate werden aufgehängt mit Sprüchen wie: "Ein Leben lang hart gearbeitet? Mieterhöhung kommt bestimmt". Oder "Für ne gute Wohnung zahlst Du gerne mehr? Hier sind auch die schlechten unbezahlbar." Auch die alte Hassliebe zur Nachbarstadt wird bemüht, um die Wohnungsnot deutlich zu machen: "Wohnraum in Frankfurt? Gibt es nur noch in Offenbach." Der Politikwissenschaftler Alexis Pasadakis von Attac ist der Sprecher des "Mietentscheids" Frankfurt am Main:
"Was wir zurzeit in Frankfurt erleben, ist eine krasse Verdrängung von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen. Diese Verdrängung führt zu Verzweiflung bei vielen Menschen. Der geförderte Wohnungsbau wurde viele Jahre lang vernachlässigt, sowohl von Sozialwohnungen als auch von Mittelschichtswohnungen. Und deshalb sind wir der Überzeugung, dass rasch zusätzlich viele zusätzliche geförderte Wohnungen geschaffen werden müssen. Und deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die ABG in Zukunft zu 100 Prozent geförderten Wohnbau errichtet."
Sozialer Wohnungsbau stark vernachlässigt
Bisher ist lediglich rund 40 Prozent des Wohnungsbestandes der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG geförderter Wohnbau. ABG-Chef Frank Junker teilt dem Deutschlandfunk auf Nachfrage mit, dass er zurzeit prüfe, die Quote des geförderten Wohnbaus in seinem Unternehmen auf 50 Prozent zu erhöhen. Dieser Vorschlag kommt aus der SPD. Sieghard Pawlik ist der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Rathaus von Frankfurt am Main. Er äußert sich zu der neuen Initiative "Mietentscheid" Frankfurt am Main, die weit über die SPD-Forderungen hinausgeht:
"Das öffentliche Interesse an dieser Entwicklung betrachte ich als positiv. Weil es eine Ermutigung für alle in der Stadt ist und ich hoffe auch darüber hinaus, sich den brennenden Problemen des Wohnungsverlustes für Menschen, des Herausdrängens, steigender Mieten engagierter vielleicht noch als in der Vergangenheit anzunehmen."
Bedenken in der Frankfurter Kommunalpolitik
Die SPD sieht die "Mietentscheid"-Initiative jedoch kritisch, weil sie der städtischen Wohnungsbaugesellschaft auch in Zukunft ermöglichen will, Gewinne zu machen, um damit auch Wohnraum auf dem freien Markt anzubieten. Dieser Markt soll nicht komplett Spekulanten überlassen werden. Wenn die ABG nur noch Sozialwohnungen baue, könne sie keine Gewinne mehr machen und verschwände vom freien Wohnungsmarkt, argumentieren die Sozialdemokraten der Mainmetropole.
Die Frankfurter Grünen, die mit SPD und CDU die Stadt regieren, sehen das ähnlich. 100 Prozent geförderter Wohnraum würde eine "soziale Durchmischung" bei großen Baugebieten erschweren, ergänzt Manuel Stock, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Frankfurter Rathaus. Doch auch die grüne Hochschulgruppe trägt die Initiative "Mietentscheid" mit. Manuel Stock:
"Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es dieses Begehren gibt, ihr müsst mehr bezahlbares Wohnen bauen, das geht bis tief in die Mittelschicht rein. Ich glaube aber, viele die dort unterschreiben werden, ich gehe davon aus, dass die viele Unterschriften bekommen, werden sich nicht wirklich den Text durchlesen. Ich glaube, es ist einfach ein Signal an die Politik, ihr müsst mehr bezahlbare Wohnungen bauen. Darum geht es und das Signal ist ja richtig."
Albrecht Kochsiek ist der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, dem Frankfurter Rathaus. Er befürchtet, dass der "Mietentscheid" vor allem diejenigen ABG-Mieter verunsichert, die aktuell in einer frei finanzierten, aber vergleichsweise günstigen Wohnung des kommunalen Wohnungsunternehmens leben:
"Wir stellen uns schützend vor diese Leute, wir sagen: Auch diese Menschen sind schützenswert, die nicht unter die Förderkriterien fallen, aber im frei finanzierten Wohnungsbau bei der ABG für 7,98 Euro im Durchschnitt, das ist deutlich unter dem Mietpreis von 10,28 Euro über die gesamte Stadt gesehen im Durchschnitt und diese Leute wollen wir schützen und vor die stellen wir uns und denen helfen wir."
Unterschriftensammlung für Bürgerbegehren
Die Gruppen des Mietentscheids Frankfurt am Main bestreiten jedoch nicht, dass auch Mittelschichten preiswerten Wohnraum brauchen. Das zeigen schon die Plakate, die sie gestern Abend bei ihrer Auftaktveranstaltung präsentierten: "Adler fliegen hoch. Mieten fliegen höher" - ist auf einem zu lesen. Das gilt für Mieter aller Einkommensschichten.
"Und die Leute fangen an, immer weiter außerhalb von Frankfurt Wohnraum zu suchen. Mittlerweile wohnen die in Offenbach oder anderen Städten."
"Wichtig ist, dass diese Debatte jetzt losgeht, dass die jetzt auch medial aufgegriffen wird und dass das auch breit diskutiert wird. Weil in den letzten Jahren - das ist ja nichts Neues, dass sich die Mieterinnen und Mieter viele Wohnungen nicht mehr leisten können."
"Dass wir insgesamt die Situation haben, dass in Frankfurt wie auch in ganz Hessen der soziale Wohnungsbau kaum noch eine Rolle spielt."
Deswegen wird es wohl kein Problem sein, die 15.000 Unterschriften zu sammeln, die nötig sind, damit die Stadt das Bürgerbegehren offiziell juristisch prüft.