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Mieterbund zu möglichen Enteignungen
"Es gibt einen Haufen rechtlicher Probleme"

Ein Volksbegehren in Berlin will Immobilienkonzerne enteignen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Ob das Land dies jedoch überhaupt könne, sei unklar, so Mieterbund-Chef Ulrich Ropertz im Dlf. Und je teurer die Vergesellschaftung werde, desto weniger Geld stehe für neue Wohnungen bereit.

Ulrich Ropertz im Gespräch mit Silvia Engels |
Wohnhäuser an der Lindenstraße in, Berlin-Kreuzberg
Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz fordert, Berlin müsse sich um Bestandsimmobilien kümmern und mehr bezahlbaren Wohnungraum schaffen. (Bildagentur-online)
Silvia Engels: In deutschen Städten sind die Mieten und die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Bundesweit haben Aktionsbündnisse deshalb heute zu Protest dagegen aufgerufen. Zentrum der Demonstration ist wohl einmal mehr Berlin, denn dort läuft nicht nur in diesen Minuten eine Kundgebung an, dort startet heute auch ein Volksbegehren, das vorsieht, Immobilienkonzerne, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, zu enteignen. Vor der Sendung sprachen wir nämlich mit Ulrich Ropertz. Er ist der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes. Der Verein sieht in dem Vorstoß, große Immobiliengesellschaften zu enteignen, Licht und Schatten, an ihn daher die Frage: Wo sieht er die Vorteile, wo die Nachteile?
Ulrich Ropertz: Wir sehen voller Interesse, dass es diese Initiative gibt, und wir können auch nachvollziehen, warum es diese Initiative gibt. Allerdings gibt es natürlich einen Haufen rechtlicher Probleme, die damit anfangen: Darf man überhaupt, darf das Land überhaupt und zu welchem Preis würde die Vergesellschaftung denn dann tatsächlich umgesetzt werden, das heißt, wie viel muss an die Unternehmen bezahlt werden, wenn man sie vergesellschaftet.
Keinerlei Rechtsprechung zu Artikel 15
Silvia Engels: Dann steigen wir direkt mal mit dem tieferen Blick ein. Die Erwartungen, wie viel das Land Berlin den enteigneten Gesellschaften zahlen müsste, die gehen weit auseinander. Die Initiatoren sprechen von ein bis zwei Milliarden, und der Rest werde über die Mieten dann nach und nach schon wieder hereinkommen. Der Berliner Senat schätzt dagegen Kosten von über 30 Milliarden Euro. Wie schätzen Sie das ein?
Ropertz: Ich könnte jetzt sagen, der Preis wird sich wahrscheinlich in der Mitte einpendeln, aber ich weiß es nicht. Es liegt einfach daran, dass nicht klar ist, ob zum Geschäftswert der Immobilien enteignet werden muss oder ob ein anderer Preis aufgerufen werden kann, möglicherweise auch ein symbolischer Preis. Es gibt keinerlei Rechtsprechung, wir haben keinerlei Erfahrungen mit dem Artikel des Grundgesetzes, der hier in Rede steht, Artikel 15, und ich bin mir sehr sicher, egal zu welchem Preis letztlich vergesellschaftet wird, die Gerichte werden sich mit dieser Frage in den nächsten Jahren dann auf jeden Fall noch beschäftigen – wenn es so weit kommt.
"Nächste Hürde ungefähr 200.000 Unterschriften"
Engels: Die Gerichte würden sich beschäftigen, heißt, es würde für die Mieter in absehbarer Zeit überhaupt keine Änderung stattfinden, einfach weil da ein Rechtsstreit über Jahre nicht entschieden würde?
Ropertz: Das kann passieren. Zunächst einmal muss man sagen, heute startet die Unterschriftensammlung, heute geht es darum, in den nächsten Tagen 20.000 Unterschriften zusammenzubekommen. Die nächste Hürde sind ungefähr 200.000 Unterschriften, und dann käme es tatsächlich zu einem Volksentscheid über ein konkretes Gesetz. Wenn dies dann auch die Mehrheit in Berlin finden würde, dann müsste der Berliner Senat, also das Land müsste dann vergesellschaften oder würde dann vergesellschaften. Das ist noch ein relativ weiter Weg, also von jetzt auf gleich ändert sich zunächst einmal nichts.
Es geht um zehn oder elf Unternehmen
Engels: Das ohnehin, aber nehmen wir mal an, der Weg wird so beschritten, wie Sie es gerade skizziert haben: Selbst dann, wenn das Land Berlin gezwungenermaßen diese Enteignungen auf den Weg bringen würde, selbst dann würden Sie noch weitere jahrelange juristische Auseinandersetzungen fürchten?
Ropertz: Ja, ich würde davon ausgehen, dass die Unternehmen, die vergesellschaftet werden sollen – es sind im Augenblick zehn oder elf Unternehmen, um die es geht –, die werden mit Sicherheit gegen eine derartige Vergesellschaftung/Enteignung prozessieren. Das haben sie auch schon angekündigt.
"Für Investorenlandschaft keinen Einfluss"
Engels: Sollten auf dem Immobilienmarkt tatsächlich Enteignungen stattfinden, dann hätte das verheerende Signalwirkung für Mietimmobilienbesitzer, so warnt heute das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft. Sehen Sie die Gefahr, dass aufgrund eines möglichen solchen Enteignungsweges am Ende keiner mehr Mietwohnungen baut?
Ropertz: Nein, ich halte das für falsch, ich halte das auch eigentlich für Unsinn, damit soll das Vorhaben von vornherein diskreditiert werden. Derartige Warnungen gehen, glaube ich, ins Leere. Man muss sich ja vorstellen, ein Großteil der Wohnungen, um die es geht – also in Berlin würde es um ungefähr 240.000, 250.000 Wohnungen gehen –, ein Großteil dieser Wohnungen waren ursprünglich kommunale Wohnungen, die das Land Berlin vor einigen Jahren verkauft hat. Also es ist nicht so, dass wir hier von einem Immobilienbesitz reden, den große Unternehmen aufgebaut haben, sondern die haben ehemalige kommunale Wohnungen aufgekauft. Und wenn man so will – das ist das etwas schönere Wort –, geht es in vielen Bereichen darum, diese Wohnungen zu rekommunalisieren, also sie wieder in den Schoß der öffentlichen Hand zurückzuführen, und ich glaube, das hat für die Investorenlandschaft in Berlin keinen Einfluss.
Höhe der Entschädigung fraglich
Engels: Das käme ja sehr auf den Preis an. Wenn dann ein Preis nur als Entschädigung gezahlt werden würde, der unter dem liegen würde, was die Gesellschaften damals bezahlt haben, dann wäre es ja schon ein verheerendes Signal, dass man eben mit Eigentumsverlust und auch mit Finanzverlust rechnen muss, wenn man in Wohnungen investiert, oder nicht?
Ropertz: Ja, aber ich glaube, die Diskussion geht eigentlich weniger darum, ob die Unternehmen den ursprünglich von ihnen gezahlten Kaufpreis realisieren können. Es geht, glaube ich, eher darum, klarzustellen, dass diese Unternehmen keinen Anspruch auf den aktuellen Wert der Immobilien haben. Das heißt, sie sollen und sie dürften nicht den Gewinn mitnehmen, den sie mit den Immobilien in den letzten Jahren gemacht haben. Das heißt, die Wertsteigerung der Immobilien, aus welchen Gründen auch immer, die in den letzten Jahren eingetreten ist, die sollte nicht mitgenommen werden. Ich denke, dass in Berlin alle ganz gut mit der Lösung fahren würden, wenn die Entschädigung für die vergesellschafteten Unternehmen in der Höhe ausfallen würde, wie sie ursprünglich die Wohnungen gekauft haben.
"Um die Wohnungsbestände kümmern"
Engels: Bleibt noch das Hauptargument der Gegner, das heißt, durch einen solch teuren Enteignungsvorstoß werde am Ende keine neue Wohnung entstehen. Was entgegnen Sie?
Ropertz: Ja, das ist das Standardargument, wenn irgendetwas passiert, dadurch werden keine neuen Wohnungen gebaut. Das Argument haben wir schon bei der Mietpreisbremse gehabt, auch da waren die Gegenargumente immer, es wird dadurch keine neue Wohnung gebaut. Das ist natürlich richtig, aber wir brauchen bezahlbare Wohnungen, und wir kommen an mehr bezahlbare Wohnungen über zwei Wege: Das eine ist der Neubau von bezahlbaren Wohnungen, sprich Sozialwohnungen – da passiert viel zu wenig, da muss viel, viel mehr passieren als bisher –, aber der zweite Weg, bezahlbare Wohnungen zu bekommen oder zu behalten, ist der, dass wir uns um die Wohnungsbestände kümmern. Wenn in den Wohnungsbeständen die Mieten hochgehen, aus welchen Gründen auch immer, verlieren wir Tausende, Zigtausende an bezahlbaren Wohnungen. Und das Ansinnen, diese Wohnungen bezahlbar zu halten, die heute noch von einem Großteil der Mieter zu bezahlen sind, ist aller Ehren wert und ist richtig. Auf der anderen Seite gibt es natürlich ein Problem: Je teurer die Vergesellschaftung kommt, desto weniger Finanzbedarf steht zur Verfügung für den Bau neuer Wohnungen. Ich denke, man muss beides machen, es geht darum, den goldenen Mittelweg zu finden.
Engels: Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.