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Mietpreisbremse
"Mittel gegen überschießende Spekulationen"

Alleine eingesetzt löse eine Mietpreisbremse allenfalls wenige Probleme, sagte Ulrich Maly (SPD), Nürnbergs Oberbürgermeister und Präsident des Deutschen Städtetages, im DLF-Interview. "Sie muss immer kombiniert werden mit einer vernünftigen Begrenzung der Modernisierungsumlage und auch mit sozialem Wohnungsbau."

Ulrich Maly im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Christoph Heinemann: Eine gesetzliche Preisbremse soll Mieter nach Plänen der schwarz-roten Koalition besser vor überteuerten Mietverträgen und aufgezwungenen Maklerkosten schützen. Bundesjustizminister Heiko Maas legt jetzt einen Gesetzentwurf vor, der Kostensprünge vor allem in vielen Großstädten mit knappem Wohnungsangebot eindämmen soll. Bei einem Mieterwechsel soll die neue Miete demnach künftig maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen dürfen. Darüber hat meine Kollegin Stephanie Rohde mit Ulrich Maly (SPD) gesprochen, dem Oberbürgermeister von Nürnberg und Präsidenten des Deutschen Städtetages, und sie hat ihn gefragt, ob er jetzt Lust verspüre, ab 2015, wenn die neue Regelung gelten soll, selbst eine bezahlbare Wohnung in Berlin zu suchen und die Mietpreisbremse mal zu testen.
    Ulrich Maly: Ich glaube, in Berlin finde ich sie noch leichter als in Nürnberg, weil der Durchschnitt der Mieten dort ein bisschen geringer ist. Aber ich denke, das ist nicht die Antwort, die Sie erwarten. Die Mietpreisbremse, das ist völlig klar, ist nicht die Lösung aller Probleme. Aber sie kann dämpfend dort wirken, wo allzu wilde Spekulation die Preise hochtreibt. Damit klar ist, worüber wir reden: Wir reden nur über den Fall einer bereits bestehenden Immobilie, wo jemand auszieht, der Vermieter nicht modernisiert und ein neuer einzieht. Und wenn dann Größenordnungen von 20, 30 Prozent – und das gibt es in Großstädten und auch in Universitätsstädten – draufgeschlagen werden, leistungslos sozusagen, dann verändert das tatsächlich soziale Strukturen, und deshalb ist die Mietpreisbremse, wohl dosiert und auch zeitlich begrenzt eingesetzt, ein Mittel gegen allzu überschießende Spekulation, nicht um das Niveau insgesamt zu begrenzen (dazu müssen wir den Markt an anderer Seite fluten, nämlich mit neuen Wohnungen), aber um allzu spekulative Entwicklungen in den hippen Stadtteilen ein bisschen abzugrenzen.
    Stephanie Rohde: Warum gilt die Mietpreisbremse eigentlich nicht bundesweit, wenn sie so sinnvoll ist?
    Maly: Weil wir bundesweit ein völlig unterschiedlichen Wohnungsmarkt haben. Wir haben in Teilen der Republik, auch in großen Städten Leerstände und sinkende Mieten und in anderen Städten haben wir eben diese Hotspots, wo wirklich nach jedem Quadratmeter gekehrt wird, und deshalb ist eigentlich der Instrumenteneinsatz, so wie er jetzt geplant ist, nämlich der Bund gibt nur eine allgemeine Ermächtigung, die jeweiligen Länder setzen die dann um und die Städte entscheiden dann, ob sie sie anwenden und wie lange – auch wir in der Stadt können die ja auch zoniert anwenden, wir müssen das nicht in jedem Quartier machen -, denke ich, schon das Mittel der Wahl, um wirklich gezielt mit diesem Instrument zu arbeiten.
    Mietpreisbremse müsse "wohl dosiert" werden
    Rohde: Wenn die Mietpreisbremse nur für fünf Jahre gilt – das ist ja gerade geplant -, warten dann Investoren nicht einfach ab und investieren eben nicht in Neubauten und verschärft sich dann nicht das Problem noch mehr?
    Maly: Kann so sein. Wenn ein Investor an einem einzigen Quadratmeter hängt, dann ist es durchaus möglich. Deswegen ist das Instrument auch zeitlich begrenzt. Wenn man dauerhaft Mieten begrenzt, dann gibt es entweder Schattenmieten, illegale Aufzahlungen, oder die Investitionen gehen runter. Das wissen wir auch. Darum haben wir gesagt, das ist ein Instrument, das ist ein bisschen wie beim alten Paracelsus: Wenn zu viel angewandt wird, ist es Gift, wenn es wohl dosiert ist, ist es Medizin. Es wird die Kunst der jeweiligen Städte sein, aus diesem durchaus für Investoren als giftig empfundenen Instrument dann doch die Medizin zu machen.
    Rohde: Aber das heißt, dass die Mietpreisbremse in einigen Städten auch kontraproduktiv sein kann?
    Maly: Ja, wenn sie falsch angewandt wird natürlich. Und wenn sie zu lange angewandt wird – darum ist es durchaus auch sinnvoll, sie zu begrenzen -, dann gießen Sie praktisch Gebäudestrukturen und Sozialstrukturen in Kunstharz, und das ist nie gut in einer Stadt, weil eine Stadt lebt immer von der Veränderung und natürlich muss man auch Investoren wieder Anreize geben. Nur es geht darum, ihn daran zu hindern, eine Wohnung, an der er nicht eine Schraube verbessert hat, 30 Prozent teurer zu machen. Das halte ich für legitim.
    Rohde: Aber ist es dann nicht sinnvoller, einfach günstigen Wohnraum zu schaffen, statt die Mietsteigerungen künstlich zu verlangsamen?
    "Nur über die Angebotsseite wird man den Markt auch entspannen"
    Maly: Beides. Mietpolitik und Wohnungspolitik ist nie entweder oder, sondern sowohl als auch, und da gibt es auch ein paar Elemente, da sind ohne Zweifel wir als Städte gefordert. Wir müssen Wohnraum bereitstellen, wir müssen Flächen bereitstellen, wir müssen darüber nachdenken, das tun fast alle Großstädte, diese Flächen auch ein Stück runterzusubventionieren, denn die Baupreise und die Finanzierungspreise sind fix, also kann man eigentlich nur über die Bodenpreise arbeiten. Und nur über die Angebotsseite wird man den Markt auch entspannen. Die Mietpreisbremse alleine eingesetzt in einer Stadt löst nur ganz wenig Probleme. Sie muss immer kombiniert werden mit einer vernünftigen Begrenzung der Modernisierungsumlage und auch mit sozialem Wohnungsbau und mit der Bereitstellung von zusätzlichen Flächen und möglicherweise sogar mit der bewussten Subventionierung dieser städtischen Flächen, damit am Ende eine ordentliche Quadratmetermiete rauskommt. Nur in der Kombination macht es Sinn.
    Rohde: Lassen Sie uns noch ganz kurz zum Ende über die Maklercourtagen sprechen. Die müssen jetzt ja die Vermieter und nicht mehr die Mieter zahlen. Aber wird das nicht de facto dann doch so sein, dass der Mieter anbietet, das zu zahlen, weil er dann bessere Chancen auf eine Wohnung hat?
    Maly: Ich weiß es nicht. Die Befürchtung hätte ich schon auch. Dort, wo die Märkte so heiß sind, dass man sozusagen bereit ist, auch noch Champagner-Flaschen über die Türschwelle zu rollen, nur um den Mietvertrag zu kriegen, wird es Umgehungstatbestände geben. Auf der anderen Seite ist es ein Stück auch Schutzgrad der schwächeren Mieter, dass die, wenn sie ohnehin umziehen müssen und die Kaution hinterlegen, nicht auch noch die Maklergebühr zahlen müssen. Das muss man ein bisschen beobachten, wie sich das in Wirklichkeit einspielt. Ich halte es vom theoretischen Denkmodell her für richtig, bin aber wie Sie nicht ganz überzeugt, wie es in der Praxis wirkt. Aber das werden wir in ein, zwei Jahren wissen.
    Heinemann: Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) im Gespräch mit meiner Kollegin Stephanie Rohde.
    //Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nich