Bezahlbare Mieten auch für Normalverdiener - für dieses Ziel trat Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD Mitte dieses Jahres auf die Bremse, genauer gesagt auf die Mietpreisbremse. Seit dem 1. Juni ist das entsprechende Gesetz in Kraft. Seither können die Bundesländer Gebiete mit "angespanntem Wohnungsmarkt" ausweisen, um dort bei Neuvermietungen große Preissprünge zu unterbinden.
Eine ganz ähnliche Stoßrichtung also wie die Reformvorschläge des Justizministers, die in dieser Woche bekannt wurden. Laut einem Eckpunktepapier sollen Vermieter Umbau- oder Modernisierungskosten künftig nur noch in deutlich begrenztem Umfang weitergeben können. Mieter müssten dann nicht mehr wie bislang bis zu elf Prozent der Kosten mittragen, sondern nur noch maximal 8 Prozent. Im Verbund mit weiteren Maßnahmen sollen so unverhältnismäßige Mietsteigerungen verhindert werden. Doch das Vorhaben steht noch am Anfang der politischen Debatte - anders als die Mietpreisbremse, die seit einem halben Jahr Gesetz ist:
Mit ihrer Hilfe sollen ganz gezielt zu hohe Mieten in einzelnen Städten und Gemeinden ausgebremst werden. Wo die Länder es für nötig halten, dürfen Neumieten dann nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. In zehn Bundesländern wird die Verordnung bereits umgesetzt.
Den Auftakt machte Berlin, Anfang Juni führte das Land die Mietpreisbremse ein. Baden-Württemberg hingegen erprobt das Instrument gerade erst seit wenigen Wochen, in 68 Städten und Gemeinden gilt hier nun die neue Regelung. Unter anderem in Tübingen. Denn in Universitätsstädten ist die Suche nach bezahlbaren Wohnungen besonders schwierig. Kurz vor Semesterbeginn ist der Mangel nicht zu übersehen.
"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns den Wohnraum klaut".
An einem Freitagnachmittag ziehen rund 80 Mitglieder des neu gegründeten Tübinger Bündnisses gegen Wohnungsnot durch die Innenstadt. Sie fordern mehr sozialen Wohnungsbau und die Einführung des Zweckentfremdungsverbots.
Nur in drei Städten Deutschlands lebt es sich laut Mietspiegelindex von 2014 teurer als in Tübingen. Im Schnitt bezahlt man in Tübingen für eine Zweizimmerwohnung mittlerweile etwa 10 Euro pro Quadratmeter.
Ein junger Mann, der am Rand der Kundgebung steht, ärgert sich:
"Das Problem bei der Mietpreisbremse ist, dass sie zig Ausnahmen hat, es gibt schon Leute, die gesagt haben, das ist für Uni-Städte wie Tübingen, da wird das kaum eine Auswirkung auf den Wohnungsmarkt haben. Und weil so Sachen wie das BAföG nur gering gestiegen sind, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Das wird leider nichts Grundsätzliches an der Problematik ändern."
CDU hat sich mit Forderungen nach Ausnahmen durchgesetzt
Viel Erfahrung haben die Tübinger mit der Mietpreisbremse allerdings noch nicht, die Verordnung trat schließlich erst zum November in Kraft. Lange haben die Koalitionspartner im Bund über die Einführung der Mietpreisbremse gestritten. Einige Vermieter sollen die Zeit genutzt haben, um die Mieten noch schnell zu erhöhen oder sich von einem unliebsamen Mieter zu trennen.
"Ich habe das selbst auch zu spüren bekommen, als ich mit meiner WG irgendwann einmal von unserem Vermieter gekündigt wurde, vom Zeitmietvertrag, der uns eigentlich gesagt hatte, dass wir da länger wohnen bleiben dürfen. Dann haben wir beim Mieterbund erfahren, der hat so eine Masche schon einmal ähnlich abgezogen und hat im Prinzip die Miete dadurch verdoppelt gehabt. Wir haben dann gemerkt, auf dem Wohnungsmarkt hier in Tübingen selbst, gibt es kaum noch etwas, was wir uns leisten können und sind mit unserer WG zumindest jetzt nach Dusslingen, also in einen Vorort, gezogen."
Mit der neuen Mietpreisbremse soll es derartige Auswüchse auf dem Wohnungsmarkt und Tricksereien der Vermieter eigentlich nicht mehr geben. Doch die Regelung kommt nicht immer zur Anwendung. Denn am Ende der Diskussion über die Gestaltung des Gesetzes hatte sich die CDU mit ihren Forderungen nach verschiedenen Ausnahmen bei der Deckelung von Mieten durchgesetzt. So gilt das Instrument beispielsweise nicht bei Neubauten oder grundsanierten Wohnungen. Robert Göötz, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, glaubt, durch die lange Diskussion habe der Druck auf dem Wohnungsmarkt noch einmal spürbar zugenommen, auch in Tübingen:
"Mit den Ankündigungseffekten haben wir jetzt eher das Gegenteil erreicht. Nämlich, dass sie Bestandsmieten, und da sind auch betroffen die Schwellenhaushalte, jetzt eine höhere Durchschnittsmiete zu bezahlen haben."
Die Stadt Tübingen sei ein Beispiel von vielen. Der Mieterbund Reutlingen-Tübingen allerdings widerspricht dieser Darstellung. Geschäftsführer Thomas Keck:
"Es mag sein, dass das eine oder andere Mieterhöhungsverlangen gekommen ist, aufgrund der Mietpreisbremse, das kann ich nicht ausschließen. Flächendeckend ist dies mit Sicherheit nicht geschehen. Das hätten wir beim Mieterbund mitbekommen."
Noch sei es zu früh, die Wirkung der Mietpreisbremse für Baden-Württemberg zu beurteilen, meint Thomas Keck vom Mieterbund. Die Regelung sei jedoch auch nur eine flankierende Maßnahme, sie allein könne die Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht bereinigen:
"Die Situation ist sehr, sehr angespannt. Die Mietpreisbremse wird nicht die Auswirkungen haben, die man ihr am Anfang zugesprochen hat. Sie ist in der Großen Koalition von der CDU ganz bewusst weitgehend verwässert worden. Sie gilt nicht für Neubauten, die Ausnahmetatbestände sind sehr weitreichend. Das wird dazu führen, dass sie in ihrer Wirksamkeit sehr eingeschränkt ist."
"Ein Tropfen auf den heißen Stein"
Dazu kommt eine weitere Schwierigkeit: So warnte der Mieterbund jüngst vor einer neuen Wohnungsnot. Aufgrund der hohen Zuwanderung von Flüchtlingen werde sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt dramatisch verschärfen. Das gelte besonders für Ballungsräume und Universitätsstädte. Der Mietwohnungsbau müsse jetzt schnell angekurbelt werden.
Im Tübinger Rathaus kennt man diese Befürchtungen. Mit Hochdruck arbeitet Baubürgermeister Cord Soehlke zurzeit an einem Wohnungsneubauprogramm:
"Es ist ja nun genau Aufgabe von Wohnungspolitik, nicht zwei oder drei Gruppen, die es sowieso schwer haben auf dem Wohnungsmarkt gegeneinander auszuspielen. Wir haben uns deshalb entschieden, dass wir für die Flüchtlinge ein eigenes Programm machen werden."
Soehlke betont, das Wohnungsbauprogramm solle später dem gesamten Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Eine Neiddebatte will man in der Stadt unbedingt vermeiden.
Der Winter naht, Tausende Menschen in Deutschland sind obdachlos, ihnen läuft wortwörtlich die Zeit davon. Auch in Berlin regt sich Protest. Mit einer tickenden Uhr wollen die rund 100 Demonstranten vor dem Brandenburger Tor auf die Missstände in der Wohnungspolitik aufmerksam machen. Sie haben Schlafsäcke und Isomatten auf dem kalten Pflaster verteilt, legen sich auf den Boden, als wollten sie dort schlafen.
Zu dem Flashmob, also dem spontanen Menschenauflauf, hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe aufgerufen. Der Verein will auf die prekäre Lage wohnungsloser Menschen aufmerksam machen. In den vergangenen zwei Jahren habe sich deren Zahl drastisch erhöht, sagt Geschäftsführer Thomas Specht. 335.000 Menschen lebten in Deutschland auf der Straße. In den kommenden drei Jahren werde die Zahl auf eine halbe Million Menschen steigen. Die Mietpreisbremse sei im Kampf gegen die Wohnungsnot nur ein Tropfen auf den heißen Stein, so Specht.
"Sie wird etwas preisdämpfend sein, allerdings ist der Umfang der einbezogenen Wohnungsbestände relativ klein, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass es mehr als ein kleiner Baustein in einem Konzept gegen Wohnungsnot ist. Wir fordern darum einen nationalen Wohnungsgipfel, der ein ganzes Spektrum von Maßnahmen diskutieren müsste und der muss ganz schnell kommen."
Berlin: Gesamtes Stadtgebiet zum "angespannten Wohnungsmarkt" erklärt
Vor allem Metropolen wie Berlin müssten insgesamt mehr auf den Neubau von Sozialwohnungen setzen, ist Specht überzeugt. So sieht es auch der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm. Die Mietpreisbremse wirke in einem eher hohen Preissegment. Wer nur geringe Mieten zahlen kann, für den habe die Mietpreisbremse nichts zu bieten, kritisiert Andrej Holm:
"Wir bräuchten so eine Art Verwertungsbremse und keine Mietpreisbremse. Wiedereinführung von Gemeinnützigkeit könnte ein Moment sein. Dass man sagt, jenseits von profitorientierten Eigentümern gibt es auch Wohnbauträger, die anders ticken. Die dem allgemeinen Interesse, dem Wohninteresse, dem Stadtentwicklungsinteresse unterworfen sind per Satzung. Das sind die großen Schritte und da traut sich im Moment bis auf wenige kleine Oppositionsstimmen auch niemand ran."
Zumindest traute sich Berlin als erstes Bundesland an die Mietpreisbremse heran. Hier wurde das gesamte Stadtgebiet zum "angespannten Wohnungsmarkt" erklärt, und das obwohl das Gesetz vor allem innerhalb der CDU heftig umstritten war. Ein erstes Resümee fiel sogar recht positiv aus. Schon einen Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes gab etwa das Internetportal Immobilienscout24 bekannt: Die mittleren Kaltmieten in Berlin seien im Juni im Vergleich zum Vormonat um mehr als drei Prozent gesunken. Dieser Rückgang sei ungewöhnlich stark, betonte ein Sprecher des Unternehmens. In den anderthalb Jahren zuvor waren die Mieten dagegen um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte monatlich angestiegen. Der starke Abfall im Juni könne also nur eine Folge der Mietpreisbremse sein. So interpretiert es auch Berlins Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup:
"Es ist auch noch zu früh, ein abschließendes Urteil zu fällen, aber ich glaube man kann sagen, dass die Dynamik der Mietentwicklung bei der Neuvermietung nicht mehr nach oben geht. Die Vermieter wissen jetzt, dass sie nur zehn Prozent mehr als die Vergleichsmiete nehmen dürfen. Und insofern glaube ich, dass die Mietpreisbremse gedämpft hat. Aber sie ist kein Allheilmittel."
Tatsächlich hat dieser erste Effekt aber offenbar sechs Monate später schon nachgelassen. Die mittleren Kaltmieten sind wieder leicht angestiegen. Und ein Blick auf die Seiten der einschlägigen Immobilienportale zeigt: Unverhältnismäßig hochpreisige Mietangebote gibt es nach wie vor auch in Berlin. Für den Berliner Baustaatssekretär Lütke Daldrup ist darum das beste Mittel gegen den Mietpreisanstieg ohnehin der Wohnungsneubau:
"Denn nur wenn wir das Angebot vergrößern, vor allem das Angebot von preisgünstigem Wohnraum, haben wir eine Chance, den Markt zu entlasten. Wir werden in den nächsten zehn Jahren den kommunalen Wohnungsbestand von 300.000 Wohnungen heute auf 400.000 erhöhen. Das wird im Wesentlichen durch Neubau geschehen. Also das geht jetzt kräftig voran, wir werden dann Jahr für Jahr 6.000, 7.000 Wohnungen neu bauen."
Mieterbund zeichnet düsteres Bild für die nächsten Jahre
Der nun einsetzende Bauboom soll also zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen - neben der Mietpreisbremse. Doch damit Letztere wirksam werden kann, sind zunächst viele Städte und Gemeinden gefordert. Sie müssen einen Mietspiegel vorlegen. Der wurde bislang anhand der örtlichen Vergleichsmieten der vergangenen vier Jahren bestimmt. Nach dem Willen von Justizminister Maas aber soll der Durchschnittswert künftig auf Grundlage der vergangenen zehn Jahre bestimmt werden. Mieter könnten dann mit einer niedrigeren Vergleichsmiete rechnen. Allerdings verfügen laut Süddeutscher Zeitung zurzeit überhaupt nur 62 Gemeinden in ganz Deutschland über einen Mietspiegel. Das macht es Vermietern und Mietern schwer, den angemessenen Mietpreis zu ermitteln.
Tübingen hingegen hat einen Mietspiegel, die Durchschnittsmiete ist relativ einfach zu bestimmen. Im Internet steht ein Online-Berechnungsformular zur Verfügung. Für die Beurteilung müssen Größe, Lage, Alter des Gebäudes, der Grundriss, die Wohnungsausstattung sowie die energetische Beschaffenheit der Wohnung angegeben werden.
In Tübingen sind die Voraussetzungen für die Mietpreisbremse also im Prinzip vorhanden. Der Immobilienexperte Robert Göötz allerdings ist sich schon heute sicher, dass das Instrument nicht wirken wird. Seiner Meinung nach werden Menschen aus dem Umland in die Städte ziehen, da die Mieten generell etwas sinken dürften. Die einkommensschwachen Haushalte allerdings würden dadurch an die Stadtränder oder auf das Land gedrängt.
"Durch die Mietpreisbremse entsteht nicht eine neue zusätzliche Wohnung. Das heißt, das Ziel, Wohnraum, bezahlbaren Wohnraum für die eher einkommensschwächeren Haushalte zu schaffen, wird durch die Mietpreisbremse null Komma null befördert."
Schon bald, darüber sind sich nahezu alle Experten einig, werde es trotz der Mietpreisbremse zu extremen Spannungen auf dem Wohnmarkt kommen. Thomas Keck vom Mieterbund Reutlingen-Tübingen zeichnet ein sehr düsteres Bild schon für die nächsten Jahre:
"Ich befürchte, dass die Dinge eskalieren werden. Dass es keine nachhaltigen Entlastungen in Wohnungsmärkten gibt, trotz der zusätzlichen 500 Millionen Euro, die der Bund jetzt locker macht. Das sind alles halbherzige Sachen. Das Grundproblem wird nicht gelöst. Die Kommunen werden sich weiter vernachlässigt fühlen und alleingelassen, weil die Maßnahmen nicht ausreichen."
"Wir gehen jetzt auf Immoscout, weil das am meisten benutzt wird. So, jetzt schauen wir mal Mietwohnungen, 50 Quadratmeter für 6 Euro, 300 Euro, ... null Treffer, haben wir schon einmal null Treffer. "
Zu viele Ausnahmen
Sabine Speck sitzt in ihrem Maklerbüro in Berlin-Wilmersdorf und prüft bei einem Internet-Immobilienportal die Mietangebote. Die Suche für einen Kunden nach einer 2-Zimmer-Wohnung in Berlin-Wilmersdorf für sechs Euro pro Quadratmeter bleibt erfolglos.
"Also hier haben wir nix, so jetzt gehen wir mal in einen anderen Stadtbezirk vielleicht... Hier Mahlsdorf, Clausdorf, Hellersdorf, sechs Treffer, da wird es schon etwas günstiger, aber auch noch keine sechs Euro."
Laut Mietspiegel liegt die durchschnittliche Vergleichsmiete für ganz Berlin zurzeit bei 5,84 Euro pro Quadratmeter netto kalt. Ein Witz, meint Sabine Speck. Wer eine neue Wohnung suche, bekomme für diesen Preis so gut wie nichts innerhalb der Metropole. Da helfe auch die Mietpreisbremse nichts. Das Gesamtangebot sei in den vergangenen Monaten geschrumpft, so die Maklerin. Für sie der bislang einzige erkennbare Effekt des Gesetzes:
"Viele vermieten gar nicht oder bieten einfach zum anderen Preis an und bekommen Mieter dafür. Also ich kenne keinen Fall, der zu den angegebenen Mietpreisbremsenwerten vermietet hat. Im Gegenteil, die waren alle froh, dass sie was gefunden haben, also wir haben keinen Fall, wo sich ein Kunde aufgeregt hat oder das eingeklagt hätte."
Sabine Speck vermittelt im Moment kaum noch Mietwohnungen, dafür verkauft sie sehr viel. Und so lange die Zinsen so günstig bleiben, werde sich daran vorerst auch nichts ändern. Es gebe im Moment einfach zu viele Mechanismen, die die Mietpreisbremse aushebelten, glaubt die Maklerin. In Potsdam diskutieren derzeit Abgeordnete aller Parteien, ob man nicht teureren Wohnraum für die zahlreichen Flüchtlinge anmieten sollte. Von zehn bis elf Euro pro Quadratmeter ist die Rede. Das sei immer noch billiger als sie pauschal für 50 Euro am Tag in Hotels unterzubringen. Die Mietpreisbremse wäre damit für Potsdam eigentlich ad absurdum geführt. Zum Glück werde solch ein Vorgehen noch nicht für Berlin erwogen, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Von der Mietpreisbremse ist er insgesamt enttäuscht:
"Das Signal ist sehr klar, wir liegen im Bereich acht, neun Euro bei den Angebotsmieten und das ist auf jeden Fall deutlich mehr als das, was die Mietpreisbremse zulässt."
Es gebe zu viele Ausnahmen, die sie aushebeln. Darum stagnierten die Angebotsmieten auf den Internetportalen oder stiegen sogar wieder an, sagt Wild. Der Verein hat in den vergangenen Wochen mehrere Angebote überprüft. Nur selten sei die Mietpreisbremse berücksichtigt worden. Diesen Umstand könne man auch nicht mit den zahlreichen Ausnahmeregelungen rechtfertigen, die der Gesetzgeber zulasse. Nach Schätzungen des Mietervereins gelten diese Ausnahmen nur für etwa jede dritte Berliner Wohnung. Oft sorgen sie aber für Unsicherheit auf Mieterseite:
"In Anbetracht dieser Ausnahmeregelungen ist es eben für die Mieter sehr schwer zu erkennen, ob der geforderte Mietzins denn nun zulässig ist ja oder nein."
Das größte Manko des Gesetzes sei die fehlende Transparenz, so Reiner Wild.
Vermieter in schriftlicher Form rügen
Sein Fazit nach einem halben Jahr Mietenregulierung: Die Bremse zieht nicht der Staat, die müssen die Mieter schon selber ziehen. René Lutter ist einer der wenigen in der Metropole Berlin, der sich das traut.
"Guten Tag ... Schön dass Sie hierhergekommen sind, dass wir mal Ihre Miete überprüfen im Rahmen unserer Aktion Mietpreisüberprüfung..."
Der Student will von Mietervereins-Beraterin Wibke Werner wissen, ob er und sein Partner womöglich zu viel Miete zahlen. Im August haben sie den Vertrag über eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Neukölln abgeschlossen. 46 Quadratmeter für insgesamt 540 Euro Kaltmiete. Schon bei Vertragsabschluss hatten René Lutter und sein Freund das Gefühl, von der skandinavischen Immobilienfirma über den Tisch gezogen zu werden. Unterschrieben haben sie trotzdem, weil sie nichts anderes auf dem Berliner Wohnungsmarkt bekommen konnten. Trotz Suchanzeigen und mehr als 20 Wohnungsbesichtigungen.
Der 24-Jährige hat genau aufgelistet, welche Sondermerkmale auf seine Mietwohnung zutreffen und somit den Quadratmeterpreis in die Höhe treiben: hochwertiges Laminat, moderne Küche und Bad, Isolierverglasung. Oft aber würden Vermieter zu kräftig draufschlagen, meint Wibke Werner vom Berliner Mieterverein.
"Und so haben wir zusammen addiert eine zulässige Wiedervermietungsmiete von 436 Euro 63 und was fordert ihr Vermieter? ... 540 Euro ... also liegt drüber, und zwar rund 23 Prozent."
René Lutter nickt verärgert. Sein Vermieter hat sich nicht an das geltende Recht gehalten. Er will ihn nun in schriftlicher Form rügen. Nur so kann er einen Teil seiner Miete später zurückfordern. Ein bisschen mulmig sei ihm dabei schon zumute, gibt er zu, aber dank der Mietpreisbremse sei das Recht ja auf seiner Seite.
"Angesichts der sehr sehr hohen Miete, die wir zurzeit zahlen, denke ich mal, ist das auf jeden Fall auch aussichtsreich, sich da zu beschweren und stark zu machen für Mieterrechte."