Archiv

Mietpreise in Berlin
Möblierte Zimmer zu Fantasiepreisen

Wohnen in Berlin war lange Zeit verhältnismäßig günstig, doch in den letzten Jahren sind die Miet- und Immobilienpreise rasant angestiegen. Besonders Menschen, die es aus anderen Ländern nach Berlin zieht, fallen auf Wuchermieten herein. Und sie können sich kaum dagegen wehren.

Von Thomas Franke |
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Australier Marcus Woodfield zeigt sein spärlich möbliertes Zimmer (Deutschlandradio / Thomas Franke)
Ein Plattenbau der billigsten Sorte in einem Industriegebiet nicht weit vom Bahnhof Ostkreuz. Drei Stockwerke, grau verkleideter Beton, eintönige Fensterreihen. Die Szeneviertel in Friedrichshain-Kreuzberg sind 15 Minuten mit dem Fahrrad entfernt. Die Musik kommt vom Technoclub direkt hinter dem Haus. Hier wohnt Marcus Woodfield, 22 Jahre und letztes Jahr im September aus Australien nach Berlin gekommen.
15 Zimmer gibt es auf dem Flur, dazu zwei Bäder und eine Gemeinschaftsküche. Vier solcher Flure gibt es in der Platte, dazu kommt eine Etage mit Büros.
Am Ende des Flurs, vorletzte Tür links, kommen wir in das Zimmer. Alles Furnier. Ein wirklich sehr billiger Sperrholzschrank mit einem kleinen Sperrholzschreibtisch. Eine Rigipswand, durch die man alles hören kann, wahrscheinlich. Und dazu ein Bett, was vielleicht ...
"That‘s not a meter…"
Dünne Wände, billiges Mobiliar, Gemeinschaftsküche und -bad
"Ich zahle 450 Euro für das Zimmer. Es ist schätzungsweise acht Quadratmeter groß. Die Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite kosten 500 Euro. Die haben vielleicht zwei Quadratmeter mehr."
Marcus Woodfield ist freier Graphikdesigner und hat sich seinen Traum erfüllt, in Berlin zu leben. Um sich das leisten zu können, jobbt er in einer Kneipe.
"Es gibt so viele Möglichkeiten in dieser Stadt. Du kannst Spaß haben. Es ist aufregend. Und du bekommst super viel Energie. Ich kann mit diesem Zustand noch ein bisschen länger leben."
Den DJ aus dem Technoclub nebenan gibt es kostenlos dazu.
Strenge Regeln fürs Heizen und Lüften
"Wir dürfen die Heizung nicht verstellen. In den kalten Monaten in diesem Klima hier reicht es nicht. Das Fenster dürfen wir im Winter nur jeweils für fünf Minuten öffnen."
So steht es in der Hausordnung. Mit derartigen Regeln sind Mietervertretungen immer öfter befasst. Das Problem gibt es in allen deutschen Großstädten, besonders in Köln, München und Hamburg, erläutert Joachim Oellerich vom Berliner Mieterverein.
"Die Wohnungsmarktenge führt dazu, dass Wohnungen auf alle mögliche Weise verwertet werden. Und eine Verwertungsform ist, möblierte Wohnungen zu vermieten. Angefangen von der Aufteilung von einzelnen Zimmern in kleine Zimmer, also da werden in größere Zimmer Rigipswände eingefügt und dann aus größeren Zimmern zehn Quadratmeterzimmer gemacht. Und der Mietpreis ist so um die 500 Euro. Bei solchen Zimmern."
Das ganze klingt sittenwidrig, ist es aber nicht.
"Statthaft ist es schon. Es sind ja nicht normale Wohnungen, sondern es sind möblierte Wohnungen. Und für möblierte Wohnungen gelten eben besondere Bedingungen."
Deshalb sind die Mieter solcher Unterkünfte auch weitgehend rechtlos. Es gelte der Vertrag, den die Mieter unterschrieben haben, erläutert Mieterberater Oellerich.
Kaum Rechte für Mieter möblierter Wohnungen
Und was Marcus Woodfield erzählt, sei bei weitem noch nicht die Spitze.
"Ich hab hier ein Angebot, in der Revaler Straße, Zimmer mit der stolzen Größe von 8,4 Quadratmetern wird hier vermietet für 469 Euro. Das sind also mehr als 55 Euro pro Quadratmeter."
Marcus Woodfield zeigt die Küche. Ein großer Tisch, Sofas, Waschmaschine, Herd, Schränke. Anfangs habe er immer für kurze Zeit über die Onlineplattform Airbnb gemietet.
"Aber man braucht Stabilität und kann nicht immer von Haus zu Haus ziehen."
Die Stadt Berlin versucht, der Preisexplosion etwas entgegen zu setzen. Doch das dauert. Aktuell plant der Senat, Wohnungen zu bauen, doch stehen hohe Grundstückspreise dem massenhaften Bau von Sozialwohnungen im Weg. Und so akzeptieren gerade Ausländer Preise wie in Manhattan, nur um in Berlin zu leben. Marcus Woodfield erzählt von ein paar Kratzern an der Wand nach einer Party. 500 Euro hätten sie bezahlen müssen.
Vermieter bestreitet die Vorwürfe
"Die zu reparieren kostet nicht 500 Euro."
Das sei so nicht richtig, teilt der Vermieter auf mehrfache Nachfrage per Mail mit und verweist auf die Hausordnung.
"Im letzten Jahr hat dicht am Haus ein Auto gebrannt. Und danach haben wir angefangen, sehr ernsthafte Fragen zu stellen, wie die Feuergefahr des Gebäudes eingestuft ist. Wie ist der Evakuierungsplan? Nichts davon wurde uns gesagt."
Darauf angesprochen verweist der Vermieter in der gleichen Mail auf die beiden Treppenaufgänge.
"Nachdem wir danach gefragt hatten, hat es Monate gedauert, bis sie etwas gemacht haben. Es gibt jetzt einen Rauchmelder im Hausflur. Wenn die Treppe brennt… Dann gehen wir im Flammen auf."
Der Vermieter lässt den Vorwurf nicht gelten. Es seien ausreichend Rauchmelder an den optional wichtigen Stellen vorhanden, Reparaturen würden zeitnah ausgeführt und die Vermietung befinde sich im gesetzlichen Rahmen. Die Vorwürfe der Mieter und die Nachfragen des Deutschlandfunks weist er zurück.