Studien zum Placebo-Effekt gibt es viele. Aber meistens sind es keine Kranken sondern gesunde Studienteilnehmer, denen Mediziner unter kontrollierten Bedingungen einen Schmerz zufügen, der dann durch ein Placebo gelindert werden soll. Die Placeboforscher um Ted Kaptchuk von der Harvard Universität wollten es besser machen. Sie untersuchten den Placeboeffekt an Migränepatienten.
"Wir wollten jeden Patienten mit sich selbst vergleichen – und zwar insgesamt sieben Mal. Weil es sich immer um dieselbe Person handelte, brauchten wir uns um Variablen, wie beispielsweise die genetische Ausstattung gar nicht zu kümmern. Dafür waren die Migränepatienten einfach ideal. Denn die Migräne kommt regelmäßig und dann kann man die verschiedenen Therapieoptionen ausprobieren und ihre Wirkung vergleichen. Das macht diese Studie so stark."
Beim ersten Durchgang blieb die Migräneattacke unbehandelt. Dann verabreichten die Ärzte ihren Patienten bei den nächsten sechs Migräneattacken dreimal ein Placebo und dreimal ein hochwirksames Migränemedikament. Dabei erfuhren die Studienteilnehmer aber nur je einmal die Wahrheit über die dargereichte Pille, also dass sie ein Placebo beziehungsweise ein echtes Medikament erhielten. Jeweils einmal machten die Mediziner falsche Angaben. Bei der Placebogabe sagten sie, es handele sich um ein wirksames Medikament und bei der Medikamentengabe, die Tablette sei ein Placebo. Außerdem gab es für Placebo und echtes Medikament noch jeweils einen Durchgang bei denen die Mediziner den Patienten mitteilten, sie wüssten gar nicht, ob es sich um ein Placebo oder ein wirksames Medikament handelt. Die Auswertung der Studiendaten zeigte, dass die Information, die mit der Tablette verabreicht wurde, die Wirksamkeit extrem beeinflussen kann.
Ted Kaptchuk: "Das beste Beispiel, das wir in dieser Studie haben, ist folgendes: Wir gaben den Patienten das echte Medikament und sagten, es handele sich um ein Placebo. Dadurch konnte wir den reinen pharmakalogischen Effekt des Medikaments messen ohne den Einfluss, den Erwartungen und alles andere auf die Wirksamkeit haben. Diese Ergebnisse haben wir dann mit dem Durchgang verglichen, bei dem die Patienten das Placebo erhielten und wir ihnen sagten, es sei ein echtes Medikament. Es gab keinen Unterschied in der Wirksamkeit. Die pharmakologische Wirkung eines Migränemedikaments ist also nur so gut wie die eines guten Placebos."
Wenn die Patienten dagegen dachten, das echte Medikament sei ein Placebo, wirkte es nur halb so gut. Aber auch ein anderes Ergebnis überraschte Ted Kaptchuk und seine Kollegen: Selbst wenn sie ihren Patienten sagten, dass es sich um ein Placebo handelte, konnte die Pille ohne Wirkstoff die Kopfschmerzen der Migränepatienten ein wenig lindern. Die Forscher vermuten nun, dass es so etwas wie einen körpereigenen "Erinnerungs-Effekt" gibt, der bei der Einnahme einer Tablette automatisch eine Schmerzlinderung auslöst. Ted Kaptchuk jedenfalls ist sich nach der Auswertung aller Daten sicher: Verabreicht ein Arzt ein Medikament, zählt jedes Wort.
"Wie vermitteln wir Optimismus, ohne zu übertreiben oder gar zu betrügen? Darüber denkt vermutlich jeder Arzt aufs Neue nach, wenn er einem Patienten gegenübersitzt. Das sollte aber nicht nur als private Überlegung eine Rolle spielen. Wir müssen darüber in einem größeren Rahmen gemeinsam als Ärzte einen Dialog führen. Was sagen wir unseren Patienten? Das sind eben nicht nur Worte, es sind Worte die eine Wirkung haben."