In Agadez gibt es einen Aussichtspunkt. Das ist der Aussichtsturm am Hotel des Friedens, mitten in der Wüstenstadt gelegen. Agadez von oben: wenige asphaltierte Straßen. Auf den meisten Sandwegen wirbeln Staubwolken, die vom permanenten Wind aus der Wüste durch die Stadt geweht werden. Das sandfarbene Minarett der alten Moschee ragt aus den Beige-Tönen der Häuser heraus. 27 Meter hoch, aus Lehmziegeln gemauert, vor fast 500 Jahre gebaut. Drumherum die Altstadt.
Vom Turm aus muss man nicht weit blicken, um die Wüste zu sehen. Flach, sandig, staubig, endlos. Die Wüste umschließt die Stadt. Agadez war und ist eine Karawanserei. Ein Wüstenort, der vom Handel lebt.
Wie viele Menschen hier leben, darüber machen die Einheimischen unterschiedliche Angaben. 130.000 ist oft zu hören, etliche sagen, es seien mittlerweile 200.000 Menschen. Fest steht, dass viele Menschen nach Agadez kommen, die auf der Durchreise sind. Das habe Tradition, sagt der Bürgermeister von Agadez. Rhissa Feltou residiert in einem sehr schlichten Büro. Spärliche Einrichtung. Drei einfache Stühle, ein Schreibtisch mit der Staatsflagge von Niger darauf.
"Agadez ist das Zentrum von Niger. Die Kreuzung zwischen Schwarzafrika und Nordafrika."
Bürgermeister Rhissa Feltou trägt traditionelle Kleidung. Einen strahlend blauen Hosenanzug, den Kopf umschlungen von einem Toureg-Tuch, das auch den Mund bedeckt. Feltou stützt die Ellenbogen auf die Schreibtischplatte und versucht, seine Stadt zu beschreiben:
"Eine sehr alte Stadt, mit einer Kultur, die geprägt ist von der Durchreise, von der Migration. Eine Kreuzung für Menschen, die aus dem Süden früher mit Karawanen kamen. Heute kommen Autos und Flugzeuge. Agadez ist bekannt, weil es mal eine Etappenstadt der Rallye Paris – Dakar war. Damals, als wir pro Monat tausende Touristen hatten."
Heute werden Migranten statt Salz transportiert
Agadez als Kreuzung zwischen Schwarzafrika und Nordafrika. Das ist der zentrale Punkt. Früher sind von hier aus Kamelkarawanen Richtung Nordafrika gezogen. Beladen mit Salz, damals ein kostbares Gut. Heute ziehen nicht mehr Kamele durch die Wüste. Jetzt sind es Lastwagen, Pick-up-Transporter und Busse. Heute wird nicht mehr Salz transportiert. Jetzt sind es Migranten. Menschen aus Westafrika vor allem, die weiter Richtung Norden, nach Libyen, manche auch nach Algerien, wollen - ans Mittelmeer. In der Hoffnung, von dort aus ins reiche Europa zu kommen. Sie kommen in Bussen nach Agadez. Aus dem Senegal, aus Gambia, Burkina Faso oder aus Mali.
Abends um halb elf an einem der fünf Busbahnhöfe von Agadez. Ein Bus aus der nigrischen Hauptstadt Niamey biegt ein auf den sandigen Hof des Geländes. Junge Männer in weißen Blousons und schwarzen Jeans mischen sich unter die aussteigenden Fahrgäste. "Algerien, Algerien?", murmeln sie den übernächtigten Reisenden zu. "Libyen, Libyen?" Es sind Helfer der Migranten-Schleuser, die neue Kundschaft ködern.
Hier wird getuschelt, nicht geschrien. Obwohl es keine Kontrollen durch Polizei oder Militär gibt. Berge von Taschen, Rucksäcken und Kisten fallen aus dem Bauch des Busses. Reisende schauen sich orientierungslos in der Dunkelheit um. Andere treffen ihre Schleuser hier am Busbahnhof und verschwinden mit ihnen in der Nacht. Die Informationsketten über Mobiltelefon funktionieren effizient und diskret.
Vor dem Busbahnhof hätten sich die neu angekommenen Migranten erzählen lassen können, was ihnen auf der Route durch die Wüste Richtung Algerien oder Libyen blühen kann.
Gefährliche Fahrt auf dem Pick-up
Auf dem Vorplatz sitzt ein junger Mann aus Ghana im Sand: erschöpft, das Gesicht schmerzverzerrt. Er ist an diesem Tag auf einem Pick-up-Transporter aus Libyen zurückgekommen. Der Ghanaer erzählt, der Chauffeur sei viel zu schnell gefahren. Der Pick-up sei ins Schleudern geraten, mehrere Männer seien vom Wagen gestürzt. Einer sei gestorben. Die Leiche liegt jetzt am Busbahnhof. Immerhin: Der Fahrer hat angehalten, er nahm den Toten und den verletzten Ghanaer wieder mit. Der Mann zeigt seine Schürfwunden, sein dick geschwollenes Knie. Er kann nicht mehr gehen. Am Tag darauf soll er ins Aufnahmezentrum der Internationalen Organisation für Migration in Agadez gebracht werden, zu einem Arzt. Der Migrant ist am Morgen darauf aber verschwunden.
Viele andere bleiben. Sie stranden in diesem Aufnahmezentrum. Azaoua Mahaman organisiert die Arbeit:
Hier kommt nur hin, wer gar nicht mehr weiter weiß. Die Migranten müssen klar sagen, dass sie nach Hause zurückkehren wollen. Das sei die Bedingung, um aufgenommen zu werden, betont Azaoua Mahaman:
"Das ist ein Zentrum für Migranten, die in Schwierigkeiten sind. Menschen, die aus Libyen oder Algerien zurückgekehrt sind und nichts mehr haben. Sie brauchen Hilfe: medizinische Hilfe, Essen und psychologische Betreuung."
Mehr als 300 Menschen sind momentan hier. Schreiende Kinder, stille, erschöpfte Männer und Frauen. Hier landen die, die aufgegeben haben. Diejenigen, die zurück in ihr Heimatland wollen. Die Internationale Organisation für Migration hilft ihnen dabei. Alles beruht auf Freiwilligkeit. Wer will, kann jederzeit wieder gehen. Hier gibt es keine Polizei, keine Gendarmerie, kein Militär.
Enttäuschte Migranten
Eine junge Frau steht auf dem Platz des Aufnahmezentrums. Ein Kleinkind auf dem Arm, das andere hängt am Rock der Mutter. Der Vater steht mit versteinertem Gesicht daneben. Ihr Name sei Sahara, sagt sie. Wahrscheinlich ist das nicht ihr richtiger Name, aber Migranten geben nur ungern ihre Identität preis.
Sahara stammt aus dem Süden von Niger, aus der Region Zinder. In ihrem Dorf Dauschili kümmert sich der Rest ihrer Familie um weitere fünf Kinder. Sahara und ihr Mann wollten nach Algerien.
200 Euro habe sie Schleusern für den Transport zahlen müssen. Als sie in Algerien ankommt, fanden weder sie noch ihr Mann Arbeit. Also blieb ihnen nichts anderes übrig als zu betteln. Nach knapp vier Wochen griff die algerische Polizei zu: Sahara und ihre Familie landeten in einem Lager; sie wurden abgeschoben. Es ist das Ende ihres Traumes von einem Job in Algerien.
"Ich wollte ja nicht nach Algerien, um reich zu werden. Ich wollte nur etwas tun, um meiner Familie zu helfen. Aber jetzt habe ich gar nichts mehr."
Im Aufnahmezentrum in Agadez werden sie und ihr Mann registriert. Die Helfer nehmen Kontakt zur Familie in Dauschili auf. Die Internationale Organisation für Migration organisiert und bezahlt den Transport nach Hause. Was sie dort tun wird? Sahara weiß es nicht.
Draußen, in den Straßen von Agadez brummt unterdessen das Geschäft mit tausenden Migranten weiter. Mit denen, die noch Träume, Kraft und – vor allem – noch Geld haben. Davon leben Männer wie Afagag.
Lukratives Geschäft für Schleuser
Wir fahren raus aus Agadez, ein paar Kilometer in die Wüste hinein. "Links seht ihr einen Container an der Straße stehen", hatte Afagag am Telefon gesagt, "dann müsst ihr rechts abbiegen." Am Rande der Sandpiste tauchen einige Häuser auf. Es sind Neubauten. Schlicht, traditionell gebaut, aber schmuck. Wir kommen an und stehen sofort mitten in einer kleinen Familienidylle. Afagags Frau hat gestern ein Baby geboren, alle Frauen der Siedlung sind da, um zu helfen und zu feiern. Es wird gegessen und Tee getrunken.
Afagag ist ein höflicher, freundlicher Mann. Das weiße Touareg-Tuch ist um den Kopf geschlungen, er trägt ein dunkelgraues Jackett über dem weit geschnittenen elfenbeinfarbenen Hosenanzug der Touareg. Hier lebt nur ein Teil seiner Familie. Seine zweite Frau wohnt in einem anderen Haus, direkt in Agadez. Ruhig erklärt Afagag, woher der offensichtliche Wohlstand für ihn, seine zwei Frauen und die fünf Kinder stammt. Afagag ist Schleuser. Und seinen richtigen Namen, den kann er nicht nennen. Er muss vorsichtig sein. Seit Mai 2015 ist das Schleusergeschäft in Niger offiziell strafbar.
"Es sitzen jetzt schon Leute im Gefängnis deswegen. Darum ist es super wichtig zu verheimlichen, dass man da selbst mit drin steckt."
Aus Sicherheitskreisen in Agadez ist zu erfahren, dass bisher 26 Schleuser in der Region Agadez verhaftet worden sind. Seit im Mai 2015 das neue Gesetz gegen den Handel mit Migranten in Kraft getreten ist. Aber dieselbe Quelle sagt auch: Die Verhaftungen nützen nicht viel. Die Schleuser steuern aus dem Knast heraus per Mobiltelefon weiterhin ihre Geschäfte. Gute Verbindungen und ein paar Geldscheine fürs Gefängnispersonal machen es möglich. Insofern bleibt Afagags Risiko einigermaßen begrenzt. Denn er weiß, wen er und seine Mitarbeiter schmieren müssen, damit es weitergeht:
"Die Polizei nimmt Geld von den Migranten. Die Nationalgarde nimmt auch Geld von den Migranten. Die Leute vom Zoll auch. Auch wenn es per Gesetz verboten ist – sie nehmen das Geld."
Handel mit Migranten geht weiter
Aus Sicherheitskreisen ist zu hören, dass auch zehn Polizisten festgenommen worden sind - wegen Korruption. Der blühende Handel mit den Migranten geht dennoch weiter. Nicht mehr offen und für alle sichtbar, sondern abends und nachts, in den Außenbezirken von Agadez. Es ist die lukrativste Einkommensquelle in der Stadt. Neben dem Schmuggel von Marihuana, Kokain oder Waffen. Und diese Geschäfte, die seien natürlich mit dem Migrantentransport verknüpft - das sagt Giovanni Loprete. Der Italiener leitet die Mission der Internationalen Organisation für Migration, IOM. Die IOM arbeitet seit Jahren in Niger. Und sie hat viele, sehr viele Informationen gesammelt:
"Die Migrantentransporte laufen auf Routen, auf denen auch Drogen und Waffen geschmuggelt werden. Sie fahren in Gegenden, in denen Al Kaida im Maghreb aktiv ist. In der Nähe Libyens ist es der sogenannte Islamische Staat. Im Süden Boko Haram. Das heißt, dieser Korridor ist sehr gefährlich."
Transporte werden überfallen. Auf der Rückfahrt von Libyen werden Waffen mitgenommen. Was genau in der Wüste zwischen Agadez und libyscher Grenze alles passiert, ist nicht zu kontrollieren. Giovanni Loprete weiß allerdings, dass allein 2015 mehr als 3.200 Migranten bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, ertrunken sind. Und Loprete vermutet viele weitere Opfer auf den Routen durch die Sahara.
"Es gibt viele weitere Tote in der Wüste, über die nicht berichtet wird, die oft nie gefunden werden. Die Migrantenkonvois werden oft von Terroristen oder Banden angegriffen. Oder die Pick-up-Transporter haben eine Panne oder einen Unfall. Nach zwei Tagen sind die Gestrandeten tot, weil es einfach zu heiß ist. Die Transporter sind nicht sicher."
Migranten kennen die Risiken
Natürlich wissen das auch die Fahrer der Pick-ups. Und Schleuser wie Afagag. Aber für die ist das Geschäft zu lukrativ, um darauf Rücksicht zu nehmen. Die Migranten kennen die Risiken, sagt Afagag. Und: Sie fahren doch freiwillig. Sie werden ja nicht gezwungen.
Bevor der Transport Richtung Libyen startet, verstecken sich die Migranten in sogenannten Ghettos. Hinter den Mauern dieser Höfe am Stadtrand von Agadez kassieren die Ghetto-Betreiber Geld für Unterkunft, Essen und Wasser. Aber das eigentliche Geschäft ist der Transport. Für die Fahrt von Agadez nach Libyen nimmt Afagag 300 Euro - pro Passagier. Auf der Ladefläche eines Pick-up-Transporters drängen sich dann 25 Migranten zusammen. Macht zusammen 7.500 Euro. Das ist eine Goldmine. Das weiß auch der Bürgermeister von Agadez, Rhissa Feltou.
Immer schon seien Migranten durch Agadez gekommen, sagt der Bürgermeister, das sei gar nichts Neues. Nur, dass ihre Zahl ungeheuer angestiegen sei auf etwa 120.000 pro Jahr. Für Agadez ist das eine neue Einkommensquelle. Früher war es der Tourismus, da haben die Geschäftsleute der Stadt mit Wüstentouren und Touareg-Romantik für westliche Reisende gehandelt. Dann kamen allerdings die Touareg-Aufstände. Es gab Tote, Touristen wurden entführt, Lösegelder erpresst. Damit sei das Reise-Geschäft tot gewesen, sagt Bürgermeister Feltou. So habe das angefangen mit dem Migrantentransport.
Den hat die Zentralregierung von Niger jetzt verboten. Der Bürgermeister von Agadez hält davon wenig. Feltou meint, die Regierung von Niger habe ein traditionelles Gewerbe unnötig kriminalisiert:
"Ich denke das. Den Transport von Menschen gibt es doch schon seit Karawanen die Wüste durchqueren. Heute halt auf moderne Weise. Und natürlich gibt es dabei auch Risiken. Aber all das sind Beschäftigungen, die bisher nie von der Zentralregierung verboten wurden."
EU unterstützt Migranten-Aufnahmenzentren
Der Bürgermeister weiß natürlich genau, dass die Europäische Union mit auf dieses Gesetz gedrängt hat. Weil die EU davon träumt, die Migration aus Westafrika Richtung Europa einzudämmen, wenn nicht gar zu stoppen. Deshalb unterstützt die Europäische Union Aufnahmezentren für Migranten in Agadez. Sie zahlt für zum Beispiel für Informationskampagnen, die über die Risiken auf den Migranten-Routen aufklären. Bürgermeister Feltou leuchtet das alles nicht ein. "Wovon soll Agadez dann leben?", fragt er.
Gibt es also einen Interessenkonflikt zwischen Europäischer Union, dem Staat Niger und der Region Agadez?
"Das weiß ich nicht. Aber: Es gibt vielleicht einen unterschiedlichen Ansatz (lacht)."
Es ist offensichtlich: Bürgermeister Rhissa Feltou hält die Pläne der EU bisher jedenfalls für unausgegoren.
Im September 2015 war Federica Mogherini, die Außenbeauftragte der Europäischen Union, in Agadez. Mogherini machte sehr deutlich, warum sie in ihrer Amtszeit als erstes afrikanisches Land ausgerechnet Niger und die Region um Agadez besuchte. Die Europäische Union hat gleich ein ganzes Bündel von Interessen im Niger. Das ärmste Land der Welt liegt im Zentrum verschiedener Bedrohungen: Im Nachbarland Mali operieren diverse Terrorgruppen. Im Nachbarland Nigeria wütet Boko Haram, die Terrormiliz, die immer häufiger auch Anschläge im Süden von Niger verübt. Und im Nachbarland Libyen versucht der sogenannte Islamische Staat eine feste Basis aufzubauen. Diese Sicherheitsprobleme haben alle auch mit dem Migrantenstrom zu tun.
"Dieser Besuch hat mit schwierigen Sicherheitsfragen zu tun, in der Region wie auch global. Unter dem Gesichtspunkt der Stabilität, der Klimapolitik und der Steuerung der Migrantenströme."
Hoher Besuch aus Brüssel
Bürgermeister Rhissa Feltou hat den Besuch von Federica Mogherini genossen – wann kommt schon mal so hoher Besuch aus Brüssel. Und er habe der Außenbeauftragten der Europäischen Union sehr klar gesagt, wie man die Dinge hier in Agadez sieht.
Bei Federica Mogherini klang es zumindest so, als sei die Botschaft abgekommen. Es klang so, als habe sie Frage, wovon Agadez denn leben soll, wenn der lukrative, aber eben mittlerweile verbotene Transport von Migranten unterbunden wird, durchaus zur Kenntnis genommen.
"Es müssen durch unsere Zusammenarbeit wirtschaftliche Alternativen angeboten werden, die es der regionalen Gemeinschaft erlauben, die Verbindungen zu den kriminellen Organisationen zu kappen, die hier in der Region agieren."
Wie diese wirtschaftlichen Alternativen aussehen können, das ist noch sehr unklar. Die Europäische Union verhandelt. Mit der Zentralregierung des Niger in Niamey. Mit den Vertretern der Region Agadez. Einer Region, die flächenmäßig größer ist als Frankreich. Und deren gewählte Vertreter, das ist in Sicherheitskreisen von Agadez zu hören, oft kräftig mitmischen im Geschäft mit dem Migranten-Transport.
Ob diese Leute empfänglich sind für ökonomische Alternativangebote? Ob Migranten, die nicht mehr weiterkönnen, tatsächlich in kleinen Projekten eine Perspektive für sich sehen wollen? Giovanni Loprete von der Internationalen Organisation für Migration ist kein Traumtänzer:
"Es ist sehr langwierig, es ist sehr schwierig. Wir wissen nicht, ob das erfolgreich sein wird oder nicht."
Wir treffen Afagag, den Schleuser, wieder.
Pick-ups fahren im Konvoi
Afagag hat sich nach langem Hin und Her entschieden zu zeigen, wo er die Migranten versteckt, bevor der Transport losgeht. Es ist der Hinterhof seines Lebensmittelladens am Rande von Agadez. Eine Sandfläche, ein Dach – mehr nicht. So sieht ein Migrantenversteck aus, ein Getto. Migranten sind derzeit nicht hier. Die hat er schon auf einen Pick-up-Transporter verfrachtet. Ob es für ihn nicht gefährlich sei, nur ein Getto zu haben? Afagag lächelt überlegen. Der Hof hinter dem Lebensmittel-Laden sei sicher, sagt der Schleuser. Hier kämen auch Polizisten einkaufen. Die merkten aber nichts, meint er.
Wir fahren raus aus der Stadt, auf eine weite Fläche hinter dem kleinen Flugplatz von Agadez. Hier fahren die Pick-up-Laster vollgepackt mit Migranten vorbei. Sie fahren Richtung Nordosten. Etwa 90 Kilometer hinter Agadez formieren sich jeden Montag etwa 100 Pick-ups zu einem Konvoi, erzählt Afagag. Die Rechnung ist schnell gemacht: Jeder Pick-up ist mit etwa 25 Migranten besetzt. Das addiert sich auf 2.500 Migranten. Jeder von ihnen zahlt 300 Euro für den Schleuser. Das macht pro Konvoi etwa 750.000 Euro. Das ist der Umfang des Geschäftes mit dem Migrantentransport in Agadez. Jede Woche.
Die Migranten hocken dicht gedrängt auf den Pick-ups. Jeder hat einen Wasserkanister, um in der Wüste nicht zu verdursten. Jeder hat einen Holzstock zwischen den Beinen, um sich daran festzuklammern auf der Fahrt. Wer dennoch runterfällt in der Wüste, hat keine Chance zu überleben. Aber den Schleuser, den hat er ja schon bezahlt.