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Migranten aus Mittelamerika
Mit "La Bestia" Richtung Hoffnung

400.000 Menschen reisen pro Jahr durch Mexiko. Ein Teil davon versucht sein Glück auf dem berühmt-berüchtigten Güterzug "La Bestia". Es sind zumeist illegale Migranten aus Honduras, El Salvador und Guatemala. In ihrem Traumziel USA kommen die meisten nie an.

Von Isabella Kolar |
    Emerson und Ernesto warten am 30.05.2014 in Ixtepec im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca auf den Güterzug «La Bestia». Wie Tausende andere Mittelamerikaner wollen die jungen Männer in die Vereinigten Staaten. Der Weg ins vermeintlich gelobte Land ist lang und gefährlich.
    Gefährlicher Weg: Junge Menschen auf dem Weg in die USA durch Mexiko. (picture alliance / dpa / Denis Düttmann)
    Die Erinnerung ist noch frisch. Man sieht es Walter an. Ein innerlich wie äußerlich versehrter junger Mann von 24 Jahren mit tieftraurigen Augen.
    "Am Zweiten dieses Monats ist es ein Monat her, dass mein Bruder gestorben ist. Er war erst 17 Jahre alt. Sie haben ihn umgebracht, weil sie wollten, dass er Schutzgelder eintreibt und die Leute erpresst."
    Die Stimme fest. Doch nur wenige Momente später weint Walter. Der jüngere Bruder ermordet. Die Eltern zurückgeblieben in Honduras. Die Frau weit weg in den USA. Er ist allein gestrandet hier in Salto de Agua im tiefen Südosten Mexikos. Vor 15 Tagen hat er seine Heimat verlassen: erst zu Fuß an die guatemaltekische Grenze, danach weiter mit dem Zug, mit "La Bestia", der berühmt-berüchtigten, mit der so viele Menschen aus Mittelamerika ihr Glück suchen. Doch die Reise endet abrupt - kurz vor Salto de Agua bei einem Zwischenstopp.
    Walter Xavier Galan wurde auf der Flucht von Honduras in die USA zusammengeschlagen
    Walter Xavier Galan wurde auf der Flucht von Honduras in die USA zusammengeschlagen. (Deutschlandradio / Isabella Kolar)
    "Sie haben mich fertig gemacht"
    "Ich bin in den Laden gegangen und hinter mir kamen zehn Männer rein. Ich dachte, die wollen auch was kaufen. Aber dann haben sie zu mir gesagt: Ah, da bist Du ja, komm mal mit raus. Und dann haben sie angefangen, mich zu schlagen. Sie hatten Macheten und Waffen, sie haben mich fertig gemacht. Als ich hierherkam war ich komplett zusammengeschlagen."
    Es ist nur fünf Tage her, dass Walter blutüberströmt zu Fuß in diesem verschlafenen Nest im mexikanischen Bundesstaat Chiapas, ankam. Hier steht die kleine hellblaue Kapelle mit Wellblechdach namens "Santa Martha", in der seit fünf Jahren illegale Migranten - vorwiegend aus Honduras, El Salvador und Guatemala - auf der Durchreise in die USA Asyl bekommen: Ein paar Schaumstoffmatten auf dem Betonboden, saubere Kleidung, zwei Mahlzeiten - nicht mehr. Gleich vor der Tür: die Bahngleise.
    In der Kapelle Santa Marta in Salto de Agua finden Migranten für ein paar Tage Zuflucht. Luiz Figeroa aus El Salvador, Ramón Mejia und Mario Soto aus Honduras (von links) sind aus ihren Heimatländern geflohen und auf dem Weg in die USA.
    In der Kapelle Santa Martha in Salto de Agua: Luiz Figeroa aus El Salvador, Ramón Mejia und Mario Soto aus Honduras (von links) sind aus ihren Heimatländern geflohen und auf dem Weg in die USA. (Matthias Hoch / Adveniat)
    Niemand weiß, wann "La Bestia" kommt
    Niemand weiß, wann "La Bestia" kommt. Ihr Pfeifen aus der Ferne ist das einzige Signal. Dann muss alles sehr schnell gehen. Niemand weiß, ob sie anhält, zügig durchbrettert oder langsam fährt, so dass die Männer auf die Güterzüge aufspringen können. Oder auch unter die Räder kommen dabei, ihr Leben oder ihre Beine verlieren, erzählt der Steyler Missionar Joachim Mnich, der seit 27 Jahren in Chiapas lebt. Und steht dabei in der freundlichen Nachmittagssonne, bei 30 Grad und blauem Himmel, auf dem grasbewachsenen Gleisbett von "La Bestia". Doch die Idylle trügt.
    "Zur Zeit ist die Politik von der Regierung und von den verschiedenen Stellen, dass der Zug nicht mehr stehenbleiben darf. Aber das ist unterschiedlich. Zum Beispiel gestern ist der Zug hier stehengeblieben. Und dann versuchen die Leute, die hier auf den Zug warten, draufzusteigen."
    Der Steyler Missionar Joachim Mnich lebt seit 27 Jahren in Chiapas und engagiert sich für die Migranten.
    Der Steyler Missionar Joachim Mnich lebt seit 27 Jahren in Chiapas und engagiert sich für die Migranten. (Deutschlandradio / Isabella Kolar)
    Das Ziel auf der Flucht vor Gewalt, Arbeitslosigkeit, Armut und Korruption: mit "La Bestia" Richtung Norden, über Mexiko-Stadt weiter in die USA zu gelangen. Doch für Banden der organisierten Kriminalität sind wehrlose Migranten auf dem Zugdach willkommene Opfer. Die werden ausgeraubt, vergewaltigt, getötet oder als Drogenkuriere missbraucht. Und immer mehr Menschen werden noch in Mexiko festgenommen und in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Endstation Sehnsucht.
    Arbeit und gerechten Lohn in den USA finden
    Der Metallbauer Alfredo Majat, 56 Jahre, hat es unversehrt in sechs Tagen zu Fuß von Honduras bis nach Salto de Agua geschafft. Der schmale drahtige Mann mit den lebhaften Augen sitzt mit zwei Gefährten im Vorraum der Kapelle auf einer Matte auf dem Boden und löffelt Fleisch, Gemüse und Reis aus einer kleinen weißen Plastikschale. Die Augen des Honduraners glänzen, wenn er von den USA spricht.
    "Es geht natürlich immer darum, in die USA zu kommen, um dort Arbeit zu finden und einen gerechten Lohn zu bekommen, um unseren Familien zu helfen. Und ich habe die Kraft, in den nächsten Jahren für meine sieben Kinder zu arbeiten. Das möchte ich erreichen, bevor ich sterbe. Und das ist der Grund, weshalb ich in die USA möchte."
    Der Metallbauer Alfredo Majat will von den USA aus seine Frau und seine sieben Kinder in Honduras versorgen.
    Der Metallbauer Alfredo Majat will von den USA aus seine Frau und seine sieben Kinder in Honduras versorgen. (Deutschlandradio / Isabella Kolar)
    Auch er wartet hier auf den Sprung auf "La Bestia". Der Traum von den besseren Lebensbedingungen in den USA hat zur Folge, dass ganze Familien in Mittelamerika auseinandergerissen werden. Alfredos Frau bleibt mit den Kindern zu Hause in Honduras. Und Papa schickt dann den Scheck von ganz weit weg. "Geld statt Liebe" für die ganze Familie.
    Doch davor liegt für Alfredo noch "die Hölle", weiß José Leopoldo González, Bischof von Nogales. Auch in seinem Bistum ganz im Norden an der Grenze zum US-Bundesstaat Arizona steht ein Migrantenhaus mit Zuganschluss.
    Diese Fahrt ist für die Migranten die Hölle
    "In Cavorca gibt es ein Haus für Migranten. Da kommt 'La Bestia' vorbei. Und jeden Morgen gibt es Frühstück für alle. Die ausländischen Migranten werden in dem Moment, in dem sie die Südgrenze überqueren zur Handelsware. Und sie müssen sehr viel leiden, bis sie bei uns sind. Diese Fahrt ist die Hölle. Sie sind illegal und die kriminellen Banden benutzen sie für den Menschenhandel."
    Der Bischof weiß wovon er spricht: Zwei Massaker der Narcos, der Drogenbanden, hat er schon miterlebt. Ein paradoxes Land nennt der temperamentvolle Mann Mexiko. Und seine kräftigen Hände umklammern dabei das Mikrofon, als wolle er jemanden erwürgen.
    Die Recherche für die Reise nach Mexiko wurde unterstützt von Adveniat, dem Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland.