"Na, natürlich gibt es diesen Zusammenhang. Das ist ja logisch - ganz offensichtlich."
"Durch den Klimawandel ist es ja so, dass Flüchtlinge weg müssen aus ihrem Land, überhaupt keine Möglichkeiten bestehen der Ernärhung und so weite."
"Ich gehe davon aus, dass wir Auswirkungen des Klimawandels an verschiedenen lebensrelevanten Punkten spüren, die auch zu Wanderungsbewegungen führen. Ob das auch nachweisbar ist, ist eine andere Frage."
Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Fluchtbewegungen ist nachweisbar – und zwar nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Vergangenheit:
"Wir haben das analysiert für das 19. Jahrhundert, Migration von Europa in die USA, nach Nordamerika. Und wir können ganz klar sagen, dass die sechs Hauptwellen, die wir identifiziert haben, zurückzuführen sind zu einem nicht unerheblichen Anteil auf Klimastressoren, Klimaextreme und Klimawandel."
So Professor Rüdiger Glaser vom Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie der Universität Freiburg.
Vulkanausbrüche statt Autoabgase
Allerdings: Im 19. Jahrhundert gab es noch keine Autos, die mit ihren Abgasen die Luft belasteten; keine Treibhausgase, keine riesigen Kohlekraftwerke, die in dem Ausmaß wie heute Schadstoffe in die Atmosphäre blasen. Aber es gab durchaus Ereignisse mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima – beispielsweise im Jahr 1815 – dem Jahr, als auf Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen ist:
"Das hat dazu geführt, dass sehr viele Staubpartikel in die Atmosphäre emittiert wurden. Und das hat weltweit zu einer Abkühlung geführt und zu regenreichen Sommern. Und genau das hat dazu geführt, dass die Ernten deutlich reduziert, also Ernteausfälle zu beklagen waren."
Folge: Rapider Preisanstieg für die Grundnahrungsmittel
"Und da ist die Auswanderung eben das Ventil, das in dieser Phase dann auch besonders greift."
Weiteres Beispiel: Das Jahr 1846 - ein Jahr mit einem sehr heißen und trockenen Sommer.
Rüdiger Glaser spricht von einem "Dominoeffekt von ungünstiger Witterungsentwicklung, Ernteausfälle, Preissteigerung, Auswanderung."
"Man kann sagen, dass Klima einen Anteil hat"
Aus den Wellen, die Glaser und sein Team untersucht haben, lässt sich auch ablesen, wie stark diese historischen Klimaereignisse Flucht und Migration vorangetrieben haben:
"Man kann sagen, dass Klima einen Anteil hat. Wir haben den auch quantifiziert. Der Anteil für die historischen Beispiele liegt so bei 30 Prozent. Andere Faktoren sind politische Instabilität, allgemein natürlich auch religiöse Gründe. Es ist also nie ein einziger Faktor. Sondern es ist ein ganzes Bündel an Faktoren."
Damit will Glaser nicht sagen, dass der Anteil des Klimawandels an Fluchtbewegungen relativiert werden soll.
"30 Prozent sind 30 Prozent. Das ist ein sehr gewichtiges Argument."
Der Anteil, den der Klimawandel hat, steigt
Möglicherweise hat der Klimawandel heute allerdings einen deutlich höheren Anteil an den weltweiten Fluchtbewegungen:
"Wir bringen eine Botschaft mit, aus Fidschi, aus dem Pazifik, von diesen verwundbaren Ländern: Genug ist genug!"
So Frank Bainimarama, Präsident der Fidschi-Inseln, erst kürzlich beim Weltklimagipfel in Bonn. "Genug ist genug" – das heißt nichts anderes, als dass den Fidschi-Inseln aufgrund der Erderwärmung so allmählich die Bewohner davonlaufen, erläutert Sabinne Minninger von der Organisation "Brot für die Welt" in einem Interview mit der Deutschen Welle:
"Sie sind besonders betroffen vom Klimawandel. Der Meeresspiegelanstieg bewirkt nun schon, dass in Fidschi nun schon das erste Dorf weltweit umgesiedelt worden ist mit staatlichen Mitteln."
Politische Stabilität, ökonomische Perspektive und Klimaschutz
Wie Umgehen mit diesem hohen Einfluss des Klimawandels auf Fluchtbewegungen? Hier, so der Freiburger Geograf Rüdiger Glaser, lasse sich aus der Geschichte - und den Ergebnissen seiner Studie - lernen: Schadstoffemissionen reduzieren, weltweit, schön und gut – aber, so zeigt es die Studie: Das reicht nicht, wegen der Wechselwirkungen zwischen dem Klimawandel einerseits und ökonomischen, sozialen und politischen Faktoren andererseits.
"Es muss aber einhergehen mit politischer Stabilität. Es muss ein einhergehen mit ökonomischer Perspektive für die Menschen vor Ort. Das macht genauso wenig Sinn, jetzt nur auf Klimawandel zu schauen und die anderen Parameter außer Acht zu lassen. Das würde genauso wenig helfen als den Klimawandel zu negieren oder ihn als nicht relevant einzusteufen."