"Wer Vorurteile bedient und populistisch argumentiert, schadet der europäischen Idee insgesamt und damit uns allen", sagte Bulgariens Botschafter Radi Naidenov der Zeitung "Die Welt". Bulgarien und Rumänien hätten bei der Aufnahme in die EU 2007 alle Eintrittsvoraussetzungen erfüllt und lange Übergangsfristen von sieben Jahren akzeptiert. "Jetzt müssen für uns die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für alle anderen EU-Mitgliedsstaaten."
Im Deutschlandfunk-Interview warf der Duisburger SPD-Abgeordnete Mahmut Özdemir der CSU vor, sie habe während der Koalitionsverhandlungen die Einführung eines Soforthilfefonds für betroffene Städte verhindert. Wenn die Städte ausreichend finanziert würden, die Aufgaben, die ihnen der Bund übertrage, zu übernehmen, wäre es kein Problem, mit einer EU-Armutszuwanderung umzugehen.
Reding wehrt sich gegen Rolle als Prügelknabe
EU-Justizkommissarin Viviane Reding warnte, die Kommission sei nicht der Prügelknabe für für nationale Entscheidungen, "den man zum Beispiel dafür kritisiert, wie das deutsche Sozialgesetz gestaltet ist". Man müsse gegen Missbrauch kämpfen, sagte sie der Nachrichtenagentur afp. "Aber wir müssen an unseren Grundrechten festhalten", warnte sie. "Das EU-Recht sagt ganz klar: Es gibt ein Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme."
Laut EU-Recht hätten nur arbeitende EU-Bürger den Anspruch auf Sozialleitungen. "Deutsche Urteile, die EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht Ansprüche auf Hartz IV einräumen, basieren allein auf deutschem Recht und haben nichts mit EU-Recht zu tun", sagte die Luxemburgerin. "Wenn nationale Sozialsysteme zu großzügig sind, dann ist es Sache der Mitgliedstaaten, das zu ändern."
BDI: Deutschland muss attraktiver für Zuwanderer werden
Die Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Annelie Buntenbach, warf der CSU dumpfen und brandgefährlichen "Verbal-Aktionismus" vor. "Für Horrorszenarien gibt es keinen Grund", sagte sie der Zeitung "Neues Deutschland". Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, beklagte Defizite im Umgang mit Zuwanderern. Er nannte die restriktiven Visabestimmungen des Auswärtigen Amtes und den Umgang von Behörden mit Ausländern als Beispiele.
Der Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, forderte im Deutschlandfunk eine sachlichere Debatte: "Wir brauchen diese Zuwanderung", sagte er. Unterstützung erhielt er dabei vom Bundesverband der Deutschen Industrie: Deutschland müsse generell für Zuwanderer attraktiver werden, sagte dessen Präsident Ulrich Grillo der Nachrichtenagentur dpa. Denn bis 2020 sinke das Potenzial an Erwerbstätigen um 6,5 Millionen Menschen. "Wenn wir stärker wachsen wollen, müssen wir auch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland herein holen. Und diese Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, integriert zu werden." Auch Axel Plünnecke vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft bezeichnete Zuwanderung im Deutschlandfunk als "Gewinn für Deutschland".
Seehofer verteidigt CSU-Position
CSU-Chef Seehofer zeigte sich verwundert über die Debatte: Die Forderungen der CSU stünden alle im Koalitionsvertrag. Es gehe nicht darum Menschen abzuweisen, die Schutz suchten. "Was wir nicht wollen - das war Gegenstand unserer Wahlprogramme und ist Gegenstand der Koalitionsvereinbarung -, das ist eine Zuwanderung in die Sozialsysteme", sagte der bayerische Ministerpräsident.
Die CSU hatte in der vergangenen Woche in einer Beschlussvorlage einen schärferen Kurs gegen Armutsmigranten aus EU-Staaten gefordert. Ihnen soll der Zugang zum deutschen Sozialsystem erschwert werden, heißt es in einem Papier, über das auf der Klausur der CSU-Landesgruppe Anfang Januar in Wildbad Kreuth abgestimmt werden soll.