Es ist eine Zahl, über die Matteo Salvini nicht so gerne redet. Während der Innenminister und halb Europa darüber diskutierten, ob die "Sea-Watch 3" in italienische Gewässer einlaufen durfte, haben im Schatten dieser Debatte Schlepper mit veränderten Methoden Hunderte Menschen nach Italien gebracht.
Allein in den zwei Wochen, in denen die "Sea-Watch 3" außerhalb der Hoheitsgewässer vor Lampedusa lag, sind laut offiziellen Zahlen des italienischen Innenministeriums 312 Menschen über das Mittelmeer ins Land gekommen.
Federico Fossi vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, in Rom unterstreicht: "In Wirklichkeit gehen die Anlandungen weiter. Sie sind nicht sichtbar. Aber es gibt sie in großer Zahl, vor allem auf Lampedusa, aber auch auf der östlichen Route, von Griechenland und der Türkei aus, dann vor allem nach Kalabrien und Apulien."
Flüchtlinge unter Deck verstecken
Das UNHCR beobachtet seit einigen Wochen, dass die Menschenschlepper ihre Strategien verändern, nicht zuletzt in Libyen. Die Schlepper reagieren unter anderem auf die rigorose Linie der italienischen Regierung, so Fossi weiter: "Das Schließen der Häfen führt dazu, dass die Schlepper jetzt verstärkt Methoden nutzen, die es den Passagieren erlauben sollen, direkt ins Zielland zu kommen, ohne abgefangen zu werden."
Eine der Methoden, auf die die Schlepper dabei verstärkt setzen, ist der sogenannte Mutterschiff-Trick. Er wurde vor über zehn Jahren schon von Ägypten aus genutzt, neuerdings - in etwas veränderter Form - verstärkt von den Schleppern in Libyen.
Der Trick besteht darin, zunächst die Flüchtlinge - meist sind es mehr als hundert - unter Deck eines etwas größeren Schiffes zu verstecken und mit diesem Schiff, auf dem von außen keine Flüchtlinge zu sehen sind, von Libyen unentdeckt in die Nähe der italienischen Hoheitsgewässer zu fahren.
Dort werden die Menschen dann meist in mehrere kleine Holz- oder Kunststoffboote gesetzt, die das Mutterschiff mitgeführt hat. In diesen erreichen sie dann die italienische Küste - oder werden zumindest in italienischen Gewässer von der Küstenwache abgefangen, die sie dann in einen italienischen Hafen bringen muss.
Schlepper passen sich Situation an
Zu den veränderten Schlepper-Strategien trage indirekt auch die erzwungenermaßen nur noch geringe Präsenz der Nicht-Regierungsorganisationen auf dem Mittelmeer bei, sagt das Flüchtlingshilfswerk. Schlauchboote würden seltener eingesetzt. "Schlauchboote können nur wenige Stunden unterwegs sein, vor allem wenn sie überfüllt sind, wie wir es häufig beobachtet haben. Die waren nur mühsam in der Lage, aus den libyschen Gewässern herauszukommen, wo dann die Nicht-Regierungsorganisationen bereit waren, den Migranten und Flüchtlingen zur Hilfe zu kommen", sagt Fossi.
Da sich die politische Situation verändert habe, versuchten die Schlepper, sich diesen Veränderungen anzupassen.
Aktuell werden - außer mit der neuen alten Methoden der Mutterschiffe - Flüchtlinge und Migranten auch mit Jachten nach Italien geschleust.
In der Regel sind die derzeit von den Schleppern verwendeten Boote auch bei der Mutterschiff-Methode in besserem Zustand als früher. Aber aufgrund der kaum noch vorhandenen Präsenz der Rettungsschiffe der Nicht-Regierungsorganisationen sei die Gefahr zu sterben, trotzdem extrem hoch, sagt Fossi. Jeder sechste Flüchtling und Migrant, der versuche von Libyen nach Italien oder Malta zu gelangen, kommt laut UNHCR derzeit ums Leben. Auch mit den neuen Schleppermethoden bleibt die Überfahrt ein tödliches Risiko.