Geld gegen Grenzschutz – bei ihrem Ziel, die Migration nach Europa zu begrenzen, setzt die Europäische Union weiterhin auf Abkommen mit afrikanischen Staaten. Das Prinzip solcher Abkommen: Die EU gibt finanzielle Hilfe und erhält dafür Zusagen, dass das Partnerland die Fluchtmöglichkeiten Richtung Europa einschränkt.
Aktuellstes Beispiel: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi unterzeichneten Mitte März 2024 in Kairo eine Erklärung für eine "umfassende und strategische Partnerschaft".
Was beinhaltet das Abkommen zwischen EU und Ägypten?
7,4 Milliarden Euro sollen laut Ankündigung von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (die zugleich auch Spitzenkandidatin der CDU und der Europäischen Volkspartei für die Europawahl im Juni ist) in den kommenden vier Jahren nach Ägypten fließen. Größtenteils sind Kredite von fünf Milliarden Euro vorgesehen. Aber auch Investitionen in Ernährungssicherheit, grüne Technologien und Digitalisierung sind geplant.
Im Gegenzug verpflichtet sich Ägypten, die Grenzsicherung zum Sudan in den Süden und Richtung Westen zum Nachbarland Libyen zu verstärken. Außerdem soll Ägypten gegen Schlepper und Menschenhändler vorgehen. Auch sollen die Bedingungen in Flüchtlingslagern verbessert werden.
Mit dem Geld soll das Ägypten wirtschaftlich stabilisiert werden, um den vielen Migranten im Land eine Perspektive zu bieten. Von der Leyen sprach nach Unterzeichnung der Erklärung von einem "historischen Meilenstein". Präsident al-Sisi kommt das Abkommen entgegen, weil Ägypten Geld einnimmt. Das Land ist ökonomisch und finanziell angeschlagen.
Auch wegen der schlechten Wirtschaftslage steigt die Zahl der Ägypter, die in der EU Asyl beantragen. Im Verhältnis ist Ägypten aber kein bedeutendes Herkunftsland. 2023 beantragten in der EU weniger als 27.000 Ägypter Asyl.
Warum schließt die EU ein Migrationsabkommen mit Ägypten ab?
In Brüssel ist man wegen der geschätzt mindestens sechs Millionen innerafrikanischen Flüchtlinge in Ägypten besorgt. Das Ziel der EU sei es, "irreguläre Migration insbesondere über den Mittelmeerweg einzudämmen", sagte Helena Hahn vom Brüsseler Thinktank European Policy Center.
Außerdem gehe es der EU um eine "strategische Partnerschaft" mit Ägypten, so Hahn. Das bedeute wirtschaftliche Unterstützung und "Migrationsmanagement".
Bezogen auf die Zahl der Asylsuchenden und der illegalen Grenzübertritte sei Ägypten für die EU "nicht so wichtig", erläutert Hahn. Es sei allerdings beobachtet worden, dass die Migration von Ägypten nach Libyen zunehme. Deshalb sei es im Interesse der EU, "dass die Grenze da stärker kontrolliert wird" - damit weniger Boote mit Flüchtlingen von Libyen nach Italien kommen.
Außerdem wachse in der EU die Sorge, dass die Migration aus Ägypten wegen des Kriegs im angrenzenden Gazastreifen zunehmen könnte. Ein Bestandteil des Abkommens mit der EU ist zudem, dass in Ägypten untergekommene Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Sudan nicht weiter nach Europa ziehen.
Was sagen Befürworter des Abkommens?
Die EU habe ein Interesse daran, „Stabilitätsanker“ zu setzen, sagt CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont. Dabei könne man sich die Partner nicht immer aussuchen. Die geografische Lage der EU sei nun mal nicht zu ändern.
Gleichzeitig müsse man dafür sorgen, dass die Grund- und Menschenrechte eingehalten würden, so Düpont. Um zu verhindern, dass neue Migrationsrouten entstünden, brauche es weitere Abkommen in der Region.
Auch der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), verteidigt die verstärkte Zusammenarbeit der EU mit Ägypten gegen Kritik. Es gehe darum, "einem Land zu helfen, das zig Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat", sagte Stamp im ZDF.
Wenn dies unterbleibe, begehe man die gleichen Fehler, die zur Flüchtlingskrise 2015 geführt hätten, so der FDP-Politiker weiter. Damals seien die Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes Syrien zu wenig unterstützt worden. In der Folge hätten sich Millionen Menschen auf den Weg nach Europa gemacht.
Welche Kritik gibt es am Migrationsabkommen?
Verschiedene EU-Abgeordnete haben die Migrationsabkommen kritisiert. Ein Kritikpunkt lautet, dass die EU keine Kontrolle darüber hat, ob das Geld in die richtigen Kanäle fließt.
Erik Marquardt (Grüne) spricht von einer „unwürdigen Geldkoffer-Politik“. Man würde falsche Antworten der Rechtsaußen-Parteien kopieren.
Flüchtlingsorganisationen kritisieren, dass bei solchen Vereinbarungen Menschenrechte auf der Strecke bleiben. Deals mit Diktatoren seien Teil des Problems und nicht Teil der Lösung bei der Beseitigung von Fluchtursachen, so Pro Asyl. Generell wird der EU eine Abschottungspolitik vorgeworfen.
Kritik gibt es auch am Partnerland des jüngsten Abkommens. 70.000 Menschen sollen aus politischen Gründen in Ägypten inhaftiert sein.
Menschenrechtler sind deshalb nicht einverstanden mit der neuen Vereinbarung. Sie sehen im ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi keinen geeigneten Kooperationspartner.
Nach Einschätzung von politischen Stiftungen leitet al-Sisi eine Militärdiktatur. Die Militärs haben die politische Macht, Opposition wird gewaltsam unterdrückt und große Teile der Wirtschaft von der Armee kontrolliert.
Welche Migrationsabkommen hat die EU noch vereinbart?
Das Abkommen mit Ägypten reiht sich ein in Vereinbarungen mit Tunesien und Mauretanien. Auch zwischen der Türkei und der EU war vor acht Jahren ein ähnlicher Deal abgeschlossen worden, bevor sich die Beziehungen zwischen beiden Seiten verschlechterten.
Die Vereinbarung mit Mauretanien aus diesem Jahr soll laut EU legale Migration fördern sowie Schleuserkriminalität und Menschenhandel bekämpfen. Außerdem solle das Land bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt werden.
Mauretanien ist ein Wüstenstaat in Nordwestafrika. Die Zahl der Migranten ist stark gestiegen, die von dort zum Beispiel in Richtung der zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln aufbrechen.
Seit Jahresbeginn wurden nach offiziellen spanischen Angaben mehr als 7000 Menschen gezählt. Die meisten gelangten in kleinen, kaum seetüchtigen Booten über den Atlantik zu den Inseln. Das waren mehr als im gesamten ersten Halbjahr 2023, als ebenfalls schon ein starker Anstieg der Ankünfte registriert worden war.
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