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Migrationsbeauftragte Böhmer lehnt Kruzifix-Verbot an Schulen ab

Maria Böhmer lehnt die Forderung der designierten niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan nach einem Kruzifix-Verbot an Schulen ab. Die Kruzifixe seien Ausdruck einer jahrhundertealten christlichen Tradition in Deutschland.

    Jochen Spengler: Integration, das ist das Thema der nächsten Minuten. Darüber wollen wir reden mit zwei Gesprächspartnern, mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, zunächst aber mit Staatsministerin Professor Maria Böhmer, CDU-Politikerin und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Guten Morgen, Frau Böhmer.

    Maria Böhmer: Guten Morgen!

    Spengler: In Oldenburg beginnt heute die Bundeskonferenz der Integrations- und Ausländerbeauftragten von Bund und Ländern, die unter dem Motto steht "Bildung und Arbeit – Weg und Ziel erfolgreicher Integration". Frau Böhmer, was unterscheidet diese Konferenz von den vielen anderen, in denen Fensterreden gehalten werden?

    Böhmer: Es ist ein jährliches Treffen, bei dem sich die Integrationsbeauftragten von Bund, Ländern, aber auch der Kommunen treffen, und wir wollen Integration voranbringen. Das bedeutet, wir setzen ganz konkret an an der Bildungsfrage, an der Arbeitsmarktintegration, und gerade vor Ort vollzieht sich die Integration, und deshalb habe ich die mehr als 300 Integrationsbeauftragten aus den Kommunen und aus den Ländern eingeladen.

    Spengler: Und welche Konsequenzen hat dann so eine Konferenz?

    Böhmer: Wir haben ja in der letzten Legislaturperiode umgesteuert, den nationalen Integrationsplan als Gesamtkonzept aufgelegt, und jetzt geht es darum, weitere Schritte zu vollziehen. Integration muss verbindlicher werden und das muss vor allen Dingen in den Ländern und in den Kommunen geschehen. Wir haben vonseiten der Bundesregierung aber auch große Pläne. Wir sind dabei, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zu realisieren. Das ist ein zentrales Thema, denn viele Menschen, die zu uns gekommen sind, verfügen über eine gute berufliche Qualifikation, sie ist aber in Deutschland nicht anerkannt und deshalb sind sie häufig nicht in dem Beruf beschäftigt, oder sogar arbeitslos, und hier muss jetzt etwas geschehen. Wir haben Eckpunkte vorgelegt und jetzt wollen wir ein Gesetz dazu machen.

    Spengler: Die türkische Gemeinde in Deutschland hat jetzt gefordert, statt weiterer Integrationsgipfel mit 120 Teilnehmern einen Bundesbeirat für Integration mit nur noch 30 Teilnehmern zu schaffen. Klingt das auch in Ihren Ohren vernünftig?

    Böhmer: Hier greift die türkische Gemeinde eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages auf. Wir haben im Integrationsvertrag sehr klar vorgelegt, dass es einen Integrationsbeirat auf Bundesebene geben soll. Selbstverständlich wird es auch weiter die Integrationsgipfel geben, denn das war die entscheidende Wende in der Integrationspolitik, als die Bundeskanzlerin ins Bundeskanzleramt eingeladen hat und wir nicht mehr über die Migranten geredet haben, wie es früher bei Rot-Grün der Fall war, sondern dass wir mit den Migranten geredet haben und die Verantwortung teilen, und diesen Weg wollen wir gemeinsam weitergehen.

    Spengler: Und wann wird es diesen angekündigten Bundesbeirat für Integration geben?

    Böhmer: Jetzt liegt ja nicht nur der Vorschlag der türkischen Gemeinde auf dem Tisch, sondern ich hatte schon zum Gespräch die Migrantenvertreterinnen und Vertreter Anfang dieses Jahres eingeladen. Wir werden das auch in guter Gemeinsamkeit tun.

    Spengler: Können Sie trotzdem irgendeine Zeitvorgabe machen, zwei Monate, drei Monate, nächstes Jahr?

    Böhmer: Wir wollen das zügig angehen und dabei spielt eine Rolle, dass möglichst viele der Migrantenverbände, die auf Bundesebene existieren, erfasst werden. Dazu habe ich einen Aufruf über das Internet gestartet; das Ergebnis will ich jetzt abwarten. Aber wenn ich sage zügig, dann heißt das, dass ich in Kürze noch einmal die Migrantenorganisationen einladen werde, um mit ihnen das weitere Vorgehen dann zu besprechen.

    Spengler: Nun soll es ab morgen die erste türkischstämmige Ministerin in einem Bundesland geben. Aygül Özkan ist Mitglied Ihrer Partei, der CDU, 38 Jahre jung und wird als Sozialministerin in Niedersachsen auch zuständig sein für Integration, und sie hat noch vor dem offiziellen Amtsantritt für Zündstoff in ihrer Partei gesorgt, indem sie gefordert hat, dass staatliche Schulen ein neutraler Ort sein sollten und Kruzifixe deswegen nicht an Schulwände gehörten. Hat sie damit recht?

    Böhmer: Nein! Ich will aber vorausschicken, dass ich die Entscheidung von Ministerpräsident Wulff, Aygül Özkan zu berufen, als geradezu richtungsweisend ansehe, denn natürlich sollen Migranten alle Möglichkeiten in unserem Land haben. Ich arbeite selbst sehr eng mit Aygül Özkan zusammen. Sie leitet bei mir in der Frauenunion das Netzwerk für Migrantinnen und ist als Wirtschaftsfachfrau sehr ausgewiesen. In der Frage Kruzifixe an Schulen sage ich ganz klar, wir stehen in einer jahrhundertealten Tradition, christlichen Tradition hier in Deutschland und Kreuze in den Schulen sind Ausdruck unserer Tradition und unseres Werteverständnisses.

    Spengler: Frau Böhmer, stellen Sie sich vor, Sie wüchsen als Christin in der Türkei auf und würden in der Schule ständig mit dem Halbmond konfrontiert. Würde Sie das nicht auch stören?

    Böhmer: Es überrascht mich jetzt, dass Sie den Halbmond als islamisches Symbol ansehen. Das ist ein staatliches Symbol in der Türkei.

    Spengler: Gut. – Der Arbeitskreis engagierter Katholiken in der CDU meint, dass mit dieser Bemerkung von Frau Özkan das Experiment, eine Muslimin zur Ministerin der CDU zu machen, schon gescheitert sei. Das zeugt nicht gerade von Toleranz.

    Böhmer: Nein. Diese Meinung teile ich ebenfalls nicht, denn hier geht es ja darum, einen gemeinsamen Standort zu sehen. Frau Özkan ist vertraut mit der Diskussion in der CDU und ich glaube, auch hier ist es angezeigt: Wir reden miteinander und nicht übereinander.

    Spengler: Darf jemand in der CDU sein und Ministerin, der für die religiöse Neutralität von Schulen und für ergebnisoffene EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist?

    Böhmer: Es ist klar, dass Frau Özkan eines auch vorausgeschickt hat. Sie hat gesagt, sie ist Muslimin, sie lebt die Feiertage der Muslime, aber genauso spricht sie in der Familie mit ihrem Sohn darüber, über die christlichen Feiertage, und das heißt gegenseitige Toleranz. Die brauchen wir, wenn es um Integration geht, und das wird auch der Punkt sein, der uns gemeinsam prägt in der CDU. Aber genauso klar ist es, wenn es um die Frage der Kruzifixe in den Schulen geht.

    Spengler: Was ist für Sie eigentlich Integration? Wann wären Sie zufrieden, Frau Böhmer, wenn wir was erreicht hätten?

    Böhmer: Integration heißt gleichberechtigte Teilhabe, heißt gleiche Chancen, und wenn ich heute sehe, dass am Arbeitsmarkt Migranten doppelt so häufig arbeitslos sind, dann müssen wir hier dringend weiter umsteuern. Wenn ich sehe, dass doppelt so viele Schülerinnen und Schüler aus Zuwandererfamilien die Schule ohne Schulabschluss verlassen, dann heißt das, dass die Länder gefordert sind, hier im Schulbereich endlich Schulen zu Orten der Integration zu machen, wie sie es im nationalen Integrationsplan zugesagt haben, und sie haben gesagt, sie wollen die Bildungschancen angleichen bis zum Jahr 2012. Das wird ein ganz entscheidender Punkt sein und über den werden wir auch bei der Bundeskonferenz in Oldenburg jetzt sprechen.

    Spengler: Danke! – Das war die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Professor Maria Böhmer.