"Oh, du mein Knappe, trostreicher Gefährte mir in Glück und Leid. Präge dir gut ein, was du mich hier vollführen siehst, und hinterbringe und erzähle es dann der, welche der Urgrund ist von derlei Tugend.
Don Quijote, Sancho Panza und Dulcinea – drei unsterbliche Figuren hat Miguel de Cervantes in die Weltliteratur eingefügt: den verarmten Landedelmann aus der Mancha, der "wider jeglichen Verstands" gegen die Ungerechtigkeit zu Felde zieht und einer goldenen Vergangenheit nachtrauert; seinen erdverbundenen Schildknappen, ohne dessen Realitätssinn er keines seiner Abenteuer überstanden hätte; und das etwas einfältige Bauernmädchen, das er als seine "Minneherrin" vergöttert. Mit diesen Gestalten hat der spanische Schriftsteller eines der berühmtesten und meist übersetzten Bücher geschaffen. Noch heute wird er von vielen großen Romanciers bewundert, so zum Beispiel von dem Mexikaner Carlos Fuentes.
"Don Quijote hat den modernen westlichen Roman begründet, der es uns ermöglicht, uns selbst zu verlassen und die Welt zu erschließen und zwar mit Sinn für Ironie und Humor. Es ist ein Roman der Desillusion, der ambivalenten Wirklichkeit, ein Roman der Reise, der Dynamik, der Bewegung vom Verstand zum Wahnsinn."
Cervantes wurde als Sklave verschleppt
Der 1547 geborene Miguel de Cervantes stammte selbst aus einer verarmten Adelsfamilie und führte ein abenteuerliches, geradezu romanhaftes Leben. In der berühmten Seeschlacht von Lepanto wurde seine linke Hand verkrüppelt. Von Korsaren wurde er als Sklave verschleppt, unternahm halsbrecherische Fluchtversuche, bis er nach jahrelanger Gefangenschaft freigekauft wurde. Danach arbeitete er kurzfristig für den Nachrichtendienst des spanischen Königs, wurde des Mordes bezichtigt, von der Kirche exkommuniziert und immer wieder ins Gefängnis gesperrt. Dort begann er um 1600, Don Quijote zu schreiben. Ein weiterer Ausschnitt aus der Hörspielfassung des Deutschlandfunks von Klaus Buhlert:
"Beim Lesen lachen"
"Sorgt dafür, dass beim Lesen Eurer Geschichte der Schwermütige wieder lachen lernt, der Lachende noch lauter lacht, der Einfältige sich nicht ärgert, der Verständige über die Erfindungsgabe staunt. Kurzum: richtet Euer Augenmerk nur darauf, das falsche Rüstzeug der Ritterbücher zu zerhauen, die so viele verabscheuen und viel mehr noch rühmen. Habt Ihr das erreicht, habt Ihr nicht wenig geschafft."
Das lässt sich Miguel de Cervantes in seiner Vorrede des Romans von einem Freund empfehlen, denn es gibt viele Erzähler in diesem vielstimmigen Geflecht, nicht nur den allwissenden Autor. Außerdem bricht er die lineare, streng normierte und stark typisierte Gattung des Ritterromans auf und zwar durch verschiedenartige literarische Einschübe und nimmt so spätere hybride Formen vorweg. Er ironisiert und parodiert das populäre, recht schlichte Genre und versetzt ihm damit den Todesstoß. Auch den chilenischen Romancier Jorge Edwards hat Miguel de Cervantes begeistert.
"Er vertritt eine Philosophie der Grenze, des Gegensatzes zwischen dem menschlichen Streben nach Schönheit, perfekter Liebe, perfekter Gesellschaft und den Grenzen, welche die Wirklichkeit zieht. Ein anderes Thema ist das menschliche Scheitern. Cervantes, der selbst oft gescheitert ist, gelang es am Ende seines Lebens, als er den Quijote schrieb, diesen Aspekt zu verallgemeinern."
Der erste Teil dieses Meisterwerks erschien 1605, der zweite erst zehn Jahre später. In der Zwischenzeit schuf der geniale Spanier zwölf Exemplarische Novellen. Damit setzte er die in anderen Ländern längst heimische Gattung als eine eigenständige literarische Form in Spanien durch. Nach vielen demütigenden Niederlagen befand sich Miguel de Cervantes auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Doch er konnte den ersehnten Erfolg nicht wirklich genießen, denn er verlor seine Einkünfte bald wieder. In der Nacht zum 23. April 1616 starb einer der bedeutendsten Schriftsteller der Weltliteratur desillusioniert und verarmt. In einem Kloster der Barfüßerinnen liegt er in Madrid begraben.
"Hier ruht der Rittersmann,
verdroschen und verfahren,
den Rocinante getragen
so manchen Pfad entlang.
Und Sancho Panza, dieser Narr,
ward neben ihm gebettet,
der Treuste auf der ganzen Welt,
der je zum Knappen ward."