Ort der Handlung: die McMurdo-Station in der Antarktis - ein Hafen, drei Flugplätze, ein Hubschrauberlandeplatz, einhundert Gebäude und eintausend Bewohner. Die National Science Foundation der USA bereibt hier seit den 60er Jahren eine Forschungsstation. Regelmäßig steigen von hier unbemannte Ballons auf, erklärt der Physiker Wesley Traub vom Jet Propulsion Laboratory.
"Solch ein Ballon lässt 99 Prozent der Atmosphäre unter sich, und damit auch die Turbulenzen in ihr und den ganzen Staub. Er fliegt viermal höher als Flugzeuge. Damit ist er fast schon im Weltraum. Und unten am Ballon hängt die Gondel mit wissenschaftlichen Instrumenten."
Blinde Passagiere auf Flugzeugen
Genau diese Gondel wollen Astrobiologen der NASA nun mit lebendigen Bakterien bestücken. Denn sie suchen eine Antwort auf die Frage, wie es kommt, dass Bakterien dort oben überleben können. Schon mehrmals haben Höhenflugzeuge Proben der unteren Stratosphärenschichten entnommen. In ihnen haben Wissenschaftler Mikroben gefunden - tote, solche in Winterschlaf, aber auch lebendige, sagt der Mikrobiologe David Smith vom NASA Ames-Forschungszentrum.
"Es wäre nicht korrekt, von einem Ökosystem zu sprechen. Es ist eher ein Biotop auf Zeit. Dort tummeln sich die gleichen Bakterien wie auf dem Boden, solche, wie sie an unseren Schuhen kleben oder wie sie im Garten vorkommen. Nur gibt es sie in der Stratosphäre in geringer Konzentration. Sie werden vom Wind dort hinauf getragen oder von anderen Mechanismen, die Auftrieb verleihen."
Dazu gehören auch Flugzeuge, die außen, an ihrem Rumpf, Bakterien mit in die Höhe nehmen. Die Mikroben stellen also keine Form außerirdischen Lebens dar, das irgendwie von oben, aus dem Weltraum, in die oberen Schichten der Atmosphäre eingedrungen ist, wie gelegentlich behauptet wird.
Bedingungen wie auf dem Mars
"Das ist trotzdem interessant für Astrobiologen. Denn wir können Parallelen zu anderen Planeten ziehen. In den mittleren Lagen der Venus-Atmosphäre, so 60 Kilometer über dem Boden, herrscht der gleiche atmosphärische Druck wie in der irdischen Stratosphäre. Auch die Temperaturen sind ähnlich. Dass wir regelmäßig Mikroben in der Erdatmosphäre finden, zeigt uns, dass wir die Möglichkeit nicht ausschließen sollten, dass es auch Leben gibt in der Venus-Atmosphäre."
Da der Forschungsballon mitsamt seinen Einzellern in der Gondel noch über der irdischen Ozonschicht fliegen wird, können die Forscher auch Parallelen zum Mars ziehen. Denn oberhalb der Ozonschicht werden die Bakterien direkt der ultravioletten Sonnenstrahlung ausgesetzt sein - so wie auf dem Mars.
"Der Mars hat so gut wie keine Atmosphäre und damit auch keine Ozonschicht. Seine Oberfläche ist direkt der Strahlung aus dem All ausgesetzt. In der Stratosphäre, oberhalb der irdischen Ozonschicht, können wir also Marsbedingungen simulieren."
Überlebenziel: zwei Monate
Die Mikroben werden bis zu zwei Monate in der Stratosphäre bleiben. Nach der Landung des Ballons wollen die Wissenschaftler nachschauen, ob sie überlebt haben - und wie sie das gemacht haben.
"Wenn sie es zwei Monate in der oberen Stratosphäre über der Antarktis aushalten, würden sie wahrscheinlich auch auf dem Mars überleben. Sie würden den Unterschied gar nicht mitbekommen."