Das Bakterium Vibrio cholerae lebt im Wasser und ernährt sich von Chitin. Das kommt dort im Überfluss vor, in den Resten alter Panzer von den winzigen Krebsen des Zooplanktons. Der Cholera-Erreger wandelt das Chitin zu Zucker um. Dabei kommt er so richtig auf Touren. Er baut einen Speer, "der dann aus der Zelle herausgeschossen wird und in die Nachbarzelle hineingeschossen wird. Und an der Spitze des Speers haben die Bakterien verschiedene Toxine, also Gifte, die dann die Nachbarzellen abtöten können".
Melanie Blokesch von der Ecole Polytechnique Fédérale im schweizerischen Lausanne hat solche Attacken jetzt erstmals unter dem Mikroskop beobachten können. Die Cholera-Bakterien schmiegen sich an andere Zellen in ihrer Umgebung an. Dann schießen sie den Speer ab, das Gift greift die Zellwand des Opfers an. Und nach einer Stunde quellen die vormals länglichen Zellen zu Kugeln auf, sie platzen und laufen aus. Diese Art, andere Zellen zu töten, war schon von anderen Bakterien bekannt. Vibrio cholerae macht aber noch mehr, sagt die Mikrobiologin.
Cholera-Bakterium hat es auf die DNA abgesehen
"Was wir jetzt eigentlich gefunden haben, ist, dass wenn diese Nachbarzellen getötet werden, dass die ja ihre DNA freilassen, also ihr genetisches Material. Und dass eigentlich Vibrio cholerae, was diese Bakterien eigentlich machen, dass sie dieses System produzieren, um an die DNA von den Nachbarzellen heranzukommen."
Bakterien sind in der Lage, Erbgut aus ihrer Umgebung aufzunehmen. Sich bei lebendigen Zellen zu bedienen, hat aber einen großen Vorteil. Diese Zellen haben sich als fit genug erwiesen, um zu überleben. Vibrio cholerae kann bewährte Mechanismen übernehmen und damit seine eigene Überlebens- und Wandlungsfähigkeit verbessern, sagt Dieter Jahn, Professor für Mikrobiologie an der Technischen Universität Braunschweig: "Und dann kann die Cholera die Ideen aufnehmen. Und was brauchbar ist, macht einen neueren, kompetitiveren, virulenteren Stamm am Ende des Tages."
Das hat der Choleraerreger in der Vergangenheit schon mit Erfolg getan. Bei mehreren Genfragmenten, die ihn gefährlicher machen, können die Mikrobiologen erkennen, dass sie von anderen Bakterien und Zellen stammen. Denn diese Stücke sind anders zusammengesetzt, als die Gene, die Vibrio cholerae selbst entwickelt hat.
Beim Menschen wird die Darmflora befallen
Die Forscher nehmen an, dass der Angriffsmechanismus auch bei Attacken auf den Menschen hilft. Die Bakterien in der Darmflora des Menschen haben dem Cholera-Erreger mit seinem Speer wenig entgegenzusetzen, vermuten sie. Vibrio cholerae kann den Darm besiedeln und schweren Durchfall auslösen.
"Wenn man diesen Mechanismus ausschalten könnte, wenn man da ansetzen könnte, könnte man vielleicht die Cholera deutlich besser behandeln. Weil das natürlich das Geheimnis des Erfolges dieses Viechs ist. Und da kommen wir vielleicht an das Nadelöhr, um die Weiterentwicklung von solchen Stämmen zu verhindern."