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Mikrokapseln gegen Antibiotika-Staub

Tiermedizin. - Rund 1800 Tonnen Antibiotika werden jedes Jahr in deutschen Tierställen verteilt - eine gewaltige Menge. Dabei wirken diese Medikamente nicht nur dort, wo sie sollen, über die Gülle und Stallstäube gelangen sie auch in die Umwelt bis ins Grundwasser. Jetzt hat eine Studie gezeigt, dass sich die Stoffströme zumindest eindämmen ließen. Fragt sich nur, ob Verbraucher bereit sind, die Mehrkosten zu tragen.

Von Maren Schibilsky |
    Schweineversuchsstall an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Manfred Kietzmann vom Institut für Pharmakologie entnimmt Blut-, Urin- und Kotproben von zwölf Läuferschweinen. Manfred Kietzmann ist Antibiotikawirkstoffen auf der Spur. Sie gehören zur größten Medikamentengruppe, die in der Tierhaltung eingesetzt wird. Fast 1800 Tonnen deutschlandweit im letzten Jahr. Meist werden sie als Pulver ins Futter und Trinkwasser gemischt. Schon lange weiß der Pharmakologe , dass dadurch auch Stallstäube hochgradig belastet sind. Bereits 1995 hat er dafür erste wissenschaftliche Nachweise erbracht. Doch damals hat das niemanden interessiert.

    "Das stellt ein Problem dar, weil natürlich nicht nur die direkte Umwelt, sondern dann auch die weit entfernte Umwelt über die Lüftung möglicherweise belastet werden kann."

    Landwirte und Tierärzte atmen die Wirkstoffe vor Ort ein. Auch nachfolgende oder benachbarte Tierbestände. Stallstäube sind hartnäckig. Antibiotikawirkstoffe chemisch stabil und langlebig. Das beweisen Urin-, Kot- und Blutproben der Tiere.

    "Der Wirkstoff kann verschleppt werden, so dass plötzlich Rückstände in Tieren auftreten können, die gar nicht behandelt wurden, weil sie nach den Tieren in den Behandlungsbereich gekommen sind oder im Nachbarbereich im Stall gehalten wurden. Das heißt, unbehandelte Tiere können rückstandspositiv sein."

    Antibiotikaverschleppung nennt der Pharmakologe das Phänomen. Über die Gülle gelangen die Wirkstoffe dann in Böden und von dort aus ins Grundwasser. Der Chemiker Gerd Hamscher von der Justus-Liebig-Universität Gießen erforscht das Problem seit Jahren. Besonders die Wirkstoffgruppe der Sulfonamide verunreinigt Grundwasser.

    "Das Grundwasser ist eines der schützenswertesten Güter, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Und wir sollten wirklich alle Anstrengungen unternehmen, um unsere Grundwasserressourcen vor Kontaminationen zu schützen."

    Noch Ende der 90er-Jahre interessierten sich Politik und Öffentlichkeit kaum für die Forschungsergebnisse. Erst 2009 konnte Kietzmann ein Forschungsprojekt starten, das jetzt zum Abschluss kam. Gemeinsam mit seinem Team untersuchte er, ob eine andere Antibiotikaverabreichung die Belastung verringert. Statt staubiges Pulver gab er den Tieren Pellets oder Granulat, in denen das Antibiotikum mikroverkapselt war. Es zeigte sich, dass die Belastung der Tiere und der Umwelt auf fast Null zurück gehen. Doch die praktische Umsetzung sei schwierig – erklärt der Pharmakologe.

    "Die Darreichungsformen, die Alternativen darstellen könnten, Pellets mikroverkapselt oder Granulierung, sind alle teurer. Das ist das Problem der praktischen Umsetzbarkeit, weil eben höhere Kosten anfallen würden bei der Behandlung der Tiere. Das ist offenbar ein zu großes Hindernis unter den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten."

    Doch will die Gesellschaft weniger Antibiotikarückstände in der Umwelt haben, dann müsse sie auch bereit sein, dafür zu zahlen – meint Manfred Kietzmann. Denn die Gefahr der Resistenzbildung sei riesengroß.

    "Wir konnten in ersten Untersuchungen auch zeigen, dass die geringen Spuren, die die Umgebung der Tiere belasten, sehr wohl zu einer Veränderung der Bakterienflora bei den Tieren führt und Resistenzen fördert, so dass wir gegen diese Verschleppungen nach wie vor Wege finden müssen, diese Belastungen, die für Mensch und Tier gefährlich sind, zu reduzieren."

    Hinweis: Zum Thema Medikamente in der Umwelt sendet der Deutschlandfunk am kommenden Sonntag, 22.09.13, 16:30 Uhr, in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Schmerzmittel im Trinkwasser.