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Mikroorganismen binden Kohlendioxid
Wie aus Algen klimaneutrale Baumaterialien enstehen

Das Verfahren könnte wichtig werden im Kampf gegen den Klimawandel: Mithilfe von Salzwasseralgen wird Treibhausgas aus der Atmosphäre dauerhaft gebunden und in Öl und Carbonfasern umgewandelt. Ein neuer Ansatz, mit dem es ein Professor aus München in den Bericht des Weltklimarats geschafft hat.

Von Bernd Schlupeck |
Thomas Brück von der Technischen Universität München misst den PH-Gehalt in einer Algenzuchtanlage (Mai 2016).
Professor Thomas Brück von der Technischen Universität München vor einer Algenzuchtanlage (picture alliance / dpa)
Sie ist kleiner als Feinstaub, gelbgrün und liebt Meerwasser: Microchloropsis salina. Die Salzwasseralge könnte wichtig werden im Kampf gegen die Erderwärmung. Das denken zumindest Wissenschaftler am Forschungszentrum Garching im Münchner Norden.
"Professor Thomas Brück, Leiter des Lehrstuhls für Synthetische Biotechnologie an der Technischen Universität München und wir sind hier im Labor und stehen vor einer Algenzucht."
Photosynthese als erster Schritt
Der Mittvierziger - blaue Augen, kurze, braune Haare - deutet auf einen Schüttelautomaten. In der Maschine von der Größe eines Geschirrspülers kreisen in sanften Bewegungen auf zwei Ebenen 40 bauchige Glaskolben, gefüllt mit trüben Flüssigkeiten. Die Lebewesen darin sind der Startpunkt eines neuen Verfahrens, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und in Carbonfasern zu speichern. Erster Schritt auf dem Weg ist die Photosynthese: Aus CO2, Wasser, ein paar Spurenelementen und LED-Licht, das die Sonne simuliert, bauen die Einzeller Biomasse auf, also Zucker und schließlich Öl.
"Wir können jetzt mal den Shaker stoppen. Was wir hier sehen, die verschiedenen Farben von grün, sind die verschieden Wachstumsstadien. Wenn ich jetzt Öle bilden möchte, muss ich den Algen einen Nährstoff entziehen, in dem Fall ist das Stickstoff. Dann wird das so leicht grün-gelblich. An dem Punkt wachsen die Algen nicht mehr, aber sie haben eine hohe Ölbildung – also dann haben wir die Hälfte der Biomasse als Öle vorliegen."
Neuer Nutzen für ein "Abfallprodukt"
Bis die Algen abgeerntet werden können, dauert es circa zwei Wochen. Mittels Enzymen wird das Öl aus den Zellen gelöst. In Farbe und Zusammensetzung ähnelt es Rapsöl. Im nächsten Schritt wird das Öl chemisch aufgetrennt – in Glycerin und freie Fettsäuren, zwei bekannte Produkte. Die Fettsäuren werden bereits industriell genutzt, um Biosprit herzustellen. Das farblose Glycerin kommt bisher nur in Seifen oder in der Kosmetikindustrie zum Einsatz. Allerdings fallen durch die Biokraftstoffproduktion riesige Mengen an, wie Thomas Brück wenig später in seinem Büro erklärt:
"Deswegen haben wir ein neues Verfahren entwickelt, wo wir aus dem Glycerin über eine chemische Konversion Acrylnitril machen. Und Acrylnitril kann man dann weiter umsetzen, in eine Kunststofffaser – die nennt sich dann Polyacrylnitril oder auch PAN. Und wenn ich jetzt PAN unter Luftausschluss verbrenne, bekomme ich bei 3.000 Grad Hitze eine Carbonfaser."
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Den letzten Schritt würde der Münchner Professor gern im großen Maßstab mit Parabolsolarspiegeln in Südeuropa oder in Nordafrika realisieren. Der Grund: Dort steht das ganze Jahr kostenlos Sonne zur Verfügung, was nebenbei auch ein Vorteil für die Algenzucht ist. Gleichzeitig könnten diese Länder ein attraktives Produkt vermarkten. Als Einsatzfeld für seine Algen-Carbonfasern sieht der Chemiker zunächst einmal den Flugzeugbau. Langfristig will er damit in den Bausektor.
Thomas Brück legt ein paar Produktbeispiele auf den Tisch: Darunter 50 Zentimeter lange Bänder aus dünnem Granit, die mit einer Carbonfaserschicht verklebt sind und sich biegen lassen. Als Variante zeigt er eine handgroßes Stück: Zwei Granitplatten, in der Mitte verbunden mit einer dünnen Carbonfaserschicht.
"Das hat in dieser Dicke von fünf bis acht Zentimetern die gleiche Stabilität wie ein Betonband von 50 Zentimetern. Ich könnte also damit unglaublich viel Material einsparen, ich würde es leichter machen, und hätte auch noch CO2 eingespart."
Konkurrenzfähig zu Beton werden
Am Ende des Lebenszyklus könnte das Material dann zum Beispiel einen Braunkohletagebau auffüllen: Das CO2, das die Algen aus der Atmosphäre eingefangen haben, wäre dann dauerhaft gespeichert. Damit diese Vision Wirklichkeit wird, muss die Bauindustrie überzeugt werden. Und das geht vor allem über einen konkurrenzfähigen Preis zu Beton. Momentan kostet die algenbasierte Kohlefaser in der Herstellung noch doppelt so viel. Thomas Brück arbeitet deshalb daran, die Kultivierung und Aufarbeitung von Microchloropsis salina zu verbessern. In fünf bis sieben Jahren, glaubt er, könnte sich das Verfahren rechnen.