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Mikroplastik im Wasser
Fischlarven leiden unter plastikverseuchten Meeren

Nicht nur ausgewachsene Fische, sondern schon Fischlarven leiden massiv unter Mikroplastik im Meer. Die kleinsten Plastikteilchen vernebeln dem Fischnachwuchs regelrecht die Sinne, haben Forscher festgestellt.

Von Christine Westerhaus |
    Im Bauch dieser durchsichtigen Larve eines Barsches sind Mikroplastikteilchen zu erkennen.
    Diese Larve eines Barsches hat Mikroplastik geschluckt (Science / Oona Lönnstedt)
    Wenn Fische klein sind, ist ihr wichtigstes Ziel: Fressen, um nicht selbst gefressen zu werden. Denn nur wenn sie schnell wachsen, werden sie größer als ihre zahlreichen Feinde und können vor ihnen fliehen. Von den mehreren 100.000 Eiern, die ein Flussbarsch-Weibchen in einer Saison legt, überleben nur wenige bis zur Geschlechtsreife. "Sind die Larven während ihrer Entwicklung mit Mikroplastik konfrontiert, geht ihre Anzahl sogar noch weiter zurück", so Peter Eklöv von der Uppsala Universität.
    "Wir haben gesehen, dass Flussbarsch-Larven schlechter überleben, wenn sie mit Mikroplastik konfrontiert sind. Sie wachsen langsamer und ändern ihr Verhalten. Und wir haben sogar gesehen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, chemische Substanzen zu erkennen, die ihre Feinde abgeben. Dabei ist das für ihr Überleben enorm wichtig."
    Die Forscher vermuten, dass chemische Verbindungen aus dem Plastik die Sinne der Fischlarven vernebeln könnten. Zudem entdeckten sie im Magen vieler Tiere Mikroplastik-Teilchen. Offenbar hatten die Larven diese mit Nahrung verwechselt.
    "Wir haben sogar gesehen, dass die Larven die winzigen Plastikteile gegenüber echter Nahrung bevorzugen. Das hat uns total verblüfft. Wenn Fische klein sind, schnappen sie nach allen Partikeln, die die richtige Größe haben. Und offenbar lösen die Mikroplastik-Teilchen dieses Fressverhalten sehr stark aus. Wir finden das sehr bedenklich, und diese Beobachtung hat uns wirklich überrascht."
    Ob das Plastik, das sich im Darm der Larven ansammelt, weiter abgebaut wird und damit über den Stoffwechsel auch in andere Gewebe gelangt, wissen die Forscher nicht. Falls das passiert, könnte der Kunststoff wieder auf unserem Speiseteller landen - wenn wir solche Fische essen.
    "Ob das passiert, wissen wir nicht. Es ist aber bekannt, dass so genannte Nano-Plastikteilchen, also noch kleinere Partikel, von kleinen Meerestieren aufgenommen werden und sich in der Nahrungskette anreichern können. Wenn wir Fische essen, die Plastikteile gefressen haben, könnte es also durchaus sein, dass sie auch in unseren Körper gelangen."
    Bisher haben Peter Eklöv und seine Kollegen zwar nur im Laborexperiment nachgewiesen, dass Mikroplastik Fischlarven schädigt. Doch ganz ähnlich hohe Konzentrationen an Kunststoffteilchen haben sich inzwischen auch in vielen Meeresregionen angesammelt. Im Durchschnitt etwa 10.000 Mikroplastikteilchen pro Kubikmeter Wasser. In der Nähe von Kunststofffabriken sind es bis zu zehn Mal so viele. Die Folgen könnten jetzt schon spürbar sein, meint Peter Eklöv:
    "In der Ostsee ist der Bestand von Flussbarsch und Hecht in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Ich denke, dass die großen Mengen an Mikroplastik im Meer dazu beigetragen haben könnten, weil weniger Fischlarven bis zur Geschlechtsreife überlebt haben. Schließlich haben wir in unserer Studie klar gezeigt, dass Fischlarven sehr stark durch Mikroplastik beeinträchtigt werden."
    Die Forscher wollen sich nun auch andere Fischarten ansehen, um eventuell einen Trend ablesen zu können. Die ersten Ergebnisse gibt es bereits. Offenbar wachsen auch die Larven anderer Spezies schlechter, wenn sie in Wasser großgezogen werden, das Mikroplastik enthält.