Janice Brahney beschäftigt sich normalerweise mit der Frage, wie Nährstoffe über den Staub in Ökosysteme eingetragen werden. Für ein neues Projekt hatte sie gemeinsam mit ihren Kollegen von der Utah State University in Logan neue Messgeräte in US-amerikanischen Nationalparks aufgestellt. Doch als sich Brahney die ersten gesammelten Proben anschaute, machte sie eine ungewöhnliche Entdeckung.
"Weil ich mich sehr für die Zusammensetzung von Staub interessiere, wollte ich mir die Proben sofort unter dem Mikroskop anschauen. Und war dann erstaunt, wie farbenfroh der Staub war, mit vielen leuchtend gefärbten Teilchen. Mir wurde schnell klar, dass es sich dabei um Plastikteilchen handelte. Und wir haben uns dann der Frage gewidmet, in welchen Mengen und über welche Entfernungen dieses Mikroplastik in Ökosysteme eingetragen wird: Und zwar einerseits über den Regen und andererseits als trockener Niederschlag."
98 Prozent der Proben enthielten Mikroplastik
Die Forscher sammelten ihre Proben in elf US-amerikanischen Nationalparks, in denen es außer Touristen nur sehr wenig menschliche Aktivität gibt. In 98 Prozent der Proben fanden die Forscher Mikroplastik. Und das in ganz beachtlichen Mengen.
"Wir hatten erwartet, dass wir maximal ein Prozent Mikroplastik in den Proben finden würden. Doch unsere Geräte detektierten zwei bis sechs Prozent. Diese Zahlen haben uns wirklich schockiert. Wir dachten zuerst: Was haben wir falsch gemacht, dass wir auf diese Mengen kommen. Deshalb haben wir noch eine weitere Messmethode eingesetzt, um diese Ergebnisse zu bestätigen."
Textilfasern sind die wichtigste Quelle
Zwei Drittel der gesammelten Teilchen stammten von Textilfasern. Und je nachdem, ob der Mikroplastik-Staub in trockener Form über den Wind oder als Regen oder Schnee eingetragen wurde, waren die Teilchen unterschiedlich groß, erklärt Janice Brahney.
"Es war sehr interessant. Die Plastikteilchen, die mit dem Regen eingetragen wurden, waren insgesamt größer. Gleichzeitig konnten wir sehen, dass mehr Plastik eingetragen wurde, wenn ein Sturm vorher durch eine Stadt gezogen war. Bei dem trockenen Niederschlag waren die Teilchen deutlich kleiner. Und wir konnten einen Zusammenhang zwischen dem Eintrag und dem mehr globalen Klima zeigen. Das sagt uns, dass der trockene Niederschlag aus der höheren Atmosphäre stammt und über weitere Strecken transportiert wird."
Bestätigung früherer Studien zum atmosphärischen Transport
Ähnliches hatte auch Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven in einer Studie beobachtet. Sie hatte 2019 nachgewiesen, dass Mikroplastik über die Atmosphäre bis in die Arktis transportiert wird. Die jetzt veröffentlichte Studie helfe dabei, die globalen Transportwege von Mikroplastik nachzuzeichnen, sagt die Meeresbiologin.
"Die Studie zeigt, dass Partikel über sehr große Distanzen vertrieben werden. Sie zeigt auch wieder auf, was ja auch eine andere Studie, die vor ein paar Wochen rauskam, auch gezeigt hat, dass eben das Meer nicht nur als Senke für Mikro Plastikteilchen dient, sondern eben auch als Quelle. Also dass eben auch gerade leichtere Teilchen, die sich im Meer befinden und durch Wind und Stürme aufgewirbelt werden, eben auch wieder in die Luft transportiert werden können, Und über diesen Mechanismus wird eben auch Mikroplastik in Böden eingetragen."
Mikroplastik ist überall - aber ist es auch gefährlich?
Damit ist klar, dass es kaum noch möglich ist, die Umwelt vor Mikroplastik zu schützen. Über die Atmosphäre verteilen sich die winzigen Teilchen überall. Gleichzeitig sind sie so klein, dass sie problemlos eingeatmet werden können. Doch welche Folgen das für die Gesundheit hat, ist noch völlig unklar, bemängelt Melanie Bergmann.
"Das ist immer noch nicht erforscht. Kann man nur jedes Jahr sich wieder wundern. Ich glaube, es gibt jetzt erste Teams, die das untersuchen. Es gab diese eine Studie von Pauli et al aus den 1990er Jahren, die eben gezeigt hat, dass Mikroplastik auch in menschlichen Lungen zu finden ist. Aber das war eine relativ kleine Studie und das ist jetzt auch schon länger her, seitdem hat ja die Plastikproduktion ordentlich zugelegt. Insofern wäre es wirklich an der Zeit, da mal nachzulegen. Und das eine ist ja, was wir einatmen. Aber wir sind ja nicht alleine auf dieser Welt, sondern das ganze andere Ökosystem, die Vögel, Insekten - die atmen das ja auch alle ein. Also ist das eben auch eine Sache, die wir untersuchen müssen."
Über das Regenwasser gelangen die winzigen Teilchen auch in die Böden und können deren physikalischen Eigenschaften verändern. Zum Beispiel ihre Fähigkeit, Wasser zu speichern. Nicht zuletzt könnten aber auch die Mikroorganismen im Boden unter dem Plastikeintrag leiden. Doch auch diese Effekte müssen Forscher erst noch genauer untersuchen.